Kostenexplosion sorgt Bäckermeister Link
Große Resonanz bei Leserführung „SZ öffnet Türen“durch den Trossinger Traditionsbetrieb
- Prächtig angekommen ist die Aktion „SZ öffnet Türen“bei der Bäckerei Link in Trossingen: 30 Leserinnen und Leser wollten wissen, wie in einer modernen Backstube gearbeitet wird. Bäckermeister Daniel Link führte sie in zwei Gruppen durch den Betrieb und erläuterte den Herstellungsprozess. Zudem ging er auf die Auswirkungen der allgemeinen Krisenlage aufs Bäckerhandwerk ein - so erwartet er wegen der stark steigenden Energiekosten für 2023 einen Zuwachs in einer Größenordnung „zwischen 120 000 und 150 000 Euro“an jährlichen Stromkosten für seinen Betrieb.
Erste Station ist die Konditorei der einzige klimatisierte Raum. Link geht kurz auf die Historie des Unternehmens ein: Nachdem die Großeltern in Schura eine Bäckerei geführt hätten, habe sein Vater 1976 am Standort an der Ernst-Haller-Straße angefangen. „Anbau um Anbau“sei gefolgt, der größte 1990. 2016/17 sei ein „Stockwerk drauf gesetzt worden zur Umsetzung neuer Ideen“. Heute beschäftigt die Bäckerei Link 60 Mitarbeiter mitsamt Minijobbern, „16 Leute in der Produktion, die weiteren im Verkauf“. Sie betreibt fünf Läden in Trossingen, Aldingen und Schwenningen, im Frühjahr 2023 soll eine weitere Filiale im Rewe-Markt in Schwenningen hinzukommen. Eine Teilnehmerin fragt, wie es aussehe in puncto Facharbeitermangel. „Kollegen von mir mussten Filialen schließen, weil sie nicht genug Personal haben“, berichtet Link. Eine andere Leserin lobt, „dass hier der beste Bienenstich im Umkreis von 30 Kilometern gemacht wird“- und möchte wissen, wo genau dieser kreiert werde. „Hier in der Konditorei“, erläutert Daniel Link, der auch Obermeister der Bäckerinnung Tuttlingen-Rottweil ist.
„Die erste Mitarbeiterin beginnt nachts um 1.30 Uhr, ab 5 Uhr sind wir komplett.“Die erste Brezel sei „um halb vier fertig“, berichtet Link. „Alles, was wir verkaufen, stellen wir selbst her“- deshalb würden zum Beispiel keine Donuts verkauft. Die explodierenden Preise unter anderem für die Zutaten seiner Produkte bereiten ihm Sorge: So hätten sich „die Zuckerpreise verdoppelt“. Gravierend sind die Auswirkungen beim Mehl, von dem täglich 500 Kilogramm verwendet werden. Vergangenes Jahr habe er einen „guten Zeitpunkt erwischt“beim Abschluss
eines Ein-Jahres-Kontrakts mit 33 Euro pro 100 Kilogramm. Im April sei der Preis auf 80 Euro geklettert. Anfang Juli seien die Mehl-Preise wieder gesunken, „bei 55 Euro habe ich einen neuen Jahresvertrag abgeschlossen“. Seine „größte Sorge“seien jedoch die Energiepreise: „Früher hatten wir ölbetriebene Öfen, heute alles Elektroöfen“. Sein mehrjähriger Vertrag mit der Energieversorgung Trossingen laufe Ende des Jahres aus - nun fürchtet er eine enorme Kostensteigerung in sechsstelliger Höhe jährlich. Was natürlich eine Preissteigerung bei seinen Waren impliziert. „Wo ist die Hemmschwelle?“, fragt er sich, „wie viel sind die Kunden noch bereit, für Backwaren zu bezahlen?“
Weiter geht es in die großdimensionierte Backstube, wo das Thermometer
30,2 Grad anzeigt. „Wenn draußen 30 Grad sind, haben wir hier drin bis zu 38, 39 Grad“, berichtet Christa Link. Daniel Link zeigt die Knetmaschinen „in unterschiedlicher Größe“und einen Hebekipper, „der die Hefe auf den Tisch kippt“. „Wie viele Brotsorten gibt es bei Ihnen?“, will ein Trossinger wissen. „Um die 15“, antwortet Link. Was nicht verkauft werde, gehe zu großen Teilen mehrfach die Woche an die Tafelläden in Trossingen und Tuttlingen. In der Backstube entstünden die Waren für alle Filialen - drei Mal täglich bis zum Mittag liefere ein Fahrzeug sie aus; zudem sei ein Verkaufswagen in der Region Schwarzwald-Baar unterwegs - so etwa jeden Samstag in Durchhausen. Von der Gärkammer führt der Weg zur computergesteuerten Reifekammer mit unterschiedlichen Temperaturen. „Hier können wir am frühen Morgen die Waren rausnehmen und sofort mit der Arbeit starten“, erläutert Link. „Der Ofen heizt automatisch auf und ist schon auf Temperatur, wenn wir anfangen.“Leuchtende Augen bekommt ein prominenter Teilnehmer der Leserführung, der frühere Landeswirtschaftminister Ernst Pfister: „Ich habe als Bub morgens um vier hier in der Backstube gestanden und geschafft“, erinnert sich der Trossinger an sein Elternhaus, das sein Gesicht inzwischen gewaltig geändert hat. Christa Link fragt Pfister scherzhaft, ob er nicht Lust habe, auszuhelfen. „Das BäckerGen hätte ich“, lacht Ernst Pfister.
Daniel Link berichtet vom Nachwuchsmangel der Branche mit ihren ungewöhnlichen Arbeitszeiten, dabei „waren wir früher samstags bis um 11 Uhr in der Backstube, und heute sind wir morgens um sieben raus“- also noch genügend Zeit für Freizeitaktivitäten am Wochenende. Auch das „Bäckersterben“spricht er an: „Jeder Bäcker hat seine Besonderheiten - das stirbt damit aus“. Aber die zunehmende Zahl an Großbäckereien könne „halt rationeller produzieren, mit mehr Maschineneinsatz“.
Doch auch in der Backstube stehen hochmoderne Öfen: 2021 hatte die Bäckerei alle fünf Backöfen ausgetauscht. Seither werden sieben Prozent weniger Strom verbraucht. „Die alten Öfen liefen bei 245 Grad“, erläutert Christa Link. „Die neuen bringen eine wahnsinnige Temperaturersparnis“- so können wenigstens auf diese Weise Energiekosten eingespart werden. Die beiden demonstrieren inzwischen die Herstellung von Brezeln. „Das ist unser Hauptprodukt“, erläutert Daniel Link. Um die 1000 würden täglich in der Backstube hergestellt. Eine an einer Wand hängende „Arbeitsanweisung“führt allen Beschäftigten vor Augen, wie eine korrekte Brezel auszusehen hat. „90 Prozent der Brezeln, die wir verkaufen, geht über meine Hand“, sagt der Bäckermeister, als er ein großes Backblech mit den beliebten Teigwaren in einen der Backöfen schiebt dort bleiben sie bei 235 Grad zehn Minuten drin.
Derweil geht es weiter zur letzten Station, dem Versand mit Liefer- und Verkaufsfahrzeug. Daniel Link berichtet, dass 50 Prozent der Kosten des Betriebs Personalkosten seien. „Es ist eben viel Handarbeit.“Er frage sich, „in welche Richtung sich das Bäckerhandwerk generell entwickelt - und ob uns das auf Dauer zum Leben reicht“. Schließlich kauften „drei Viertel der Trossinger ihr Brot woanders“- und der Zulauf in die Discounter wird zunehmen angesichts steigender Lebenshaltungskosten und dort niedrigerer Preise fürs Brot. Für die Teilnehmer der sehr informativen Leserführung jedoch gibt es einen kostenlosen Genuss zum Abschluss - für jeden eine Tüte mit ofenfrischen Brezeln.