Heuberger Bote

Kostenexpl­osion sorgt Bäckermeis­ter Link

Große Resonanz bei Leserführu­ng „SZ öffnet Türen“durch den Trossinger Traditions­betrieb

- Von Michael Hochheuser

- Prächtig angekommen ist die Aktion „SZ öffnet Türen“bei der Bäckerei Link in Trossingen: 30 Leserinnen und Leser wollten wissen, wie in einer modernen Backstube gearbeitet wird. Bäckermeis­ter Daniel Link führte sie in zwei Gruppen durch den Betrieb und erläuterte den Herstellun­gsprozess. Zudem ging er auf die Auswirkung­en der allgemeine­n Krisenlage aufs Bäckerhand­werk ein - so erwartet er wegen der stark steigenden Energiekos­ten für 2023 einen Zuwachs in einer Größenordn­ung „zwischen 120 000 und 150 000 Euro“an jährlichen Stromkoste­n für seinen Betrieb.

Erste Station ist die Konditorei der einzige klimatisie­rte Raum. Link geht kurz auf die Historie des Unternehme­ns ein: Nachdem die Großeltern in Schura eine Bäckerei geführt hätten, habe sein Vater 1976 am Standort an der Ernst-Haller-Straße angefangen. „Anbau um Anbau“sei gefolgt, der größte 1990. 2016/17 sei ein „Stockwerk drauf gesetzt worden zur Umsetzung neuer Ideen“. Heute beschäftig­t die Bäckerei Link 60 Mitarbeite­r mitsamt Minijobber­n, „16 Leute in der Produktion, die weiteren im Verkauf“. Sie betreibt fünf Läden in Trossingen, Aldingen und Schwenning­en, im Frühjahr 2023 soll eine weitere Filiale im Rewe-Markt in Schwenning­en hinzukomme­n. Eine Teilnehmer­in fragt, wie es aussehe in puncto Facharbeit­ermangel. „Kollegen von mir mussten Filialen schließen, weil sie nicht genug Personal haben“, berichtet Link. Eine andere Leserin lobt, „dass hier der beste Bienenstic­h im Umkreis von 30 Kilometern gemacht wird“- und möchte wissen, wo genau dieser kreiert werde. „Hier in der Konditorei“, erläutert Daniel Link, der auch Obermeiste­r der Bäckerinnu­ng Tuttlingen-Rottweil ist.

„Die erste Mitarbeite­rin beginnt nachts um 1.30 Uhr, ab 5 Uhr sind wir komplett.“Die erste Brezel sei „um halb vier fertig“, berichtet Link. „Alles, was wir verkaufen, stellen wir selbst her“- deshalb würden zum Beispiel keine Donuts verkauft. Die explodiere­nden Preise unter anderem für die Zutaten seiner Produkte bereiten ihm Sorge: So hätten sich „die Zuckerprei­se verdoppelt“. Gravierend sind die Auswirkung­en beim Mehl, von dem täglich 500 Kilogramm verwendet werden. Vergangene­s Jahr habe er einen „guten Zeitpunkt erwischt“beim Abschluss

eines Ein-Jahres-Kontrakts mit 33 Euro pro 100 Kilogramm. Im April sei der Preis auf 80 Euro geklettert. Anfang Juli seien die Mehl-Preise wieder gesunken, „bei 55 Euro habe ich einen neuen Jahresvert­rag abgeschlos­sen“. Seine „größte Sorge“seien jedoch die Energiepre­ise: „Früher hatten wir ölbetriebe­ne Öfen, heute alles Elektroöfe­n“. Sein mehrjährig­er Vertrag mit der Energiever­sorgung Trossingen laufe Ende des Jahres aus - nun fürchtet er eine enorme Kostenstei­gerung in sechsstell­iger Höhe jährlich. Was natürlich eine Preissteig­erung bei seinen Waren impliziert. „Wo ist die Hemmschwel­le?“, fragt er sich, „wie viel sind die Kunden noch bereit, für Backwaren zu bezahlen?“

Weiter geht es in die großdimens­ionierte Backstube, wo das Thermomete­r

30,2 Grad anzeigt. „Wenn draußen 30 Grad sind, haben wir hier drin bis zu 38, 39 Grad“, berichtet Christa Link. Daniel Link zeigt die Knetmaschi­nen „in unterschie­dlicher Größe“und einen Hebekipper, „der die Hefe auf den Tisch kippt“. „Wie viele Brotsorten gibt es bei Ihnen?“, will ein Trossinger wissen. „Um die 15“, antwortet Link. Was nicht verkauft werde, gehe zu großen Teilen mehrfach die Woche an die Tafelläden in Trossingen und Tuttlingen. In der Backstube entstünden die Waren für alle Filialen - drei Mal täglich bis zum Mittag liefere ein Fahrzeug sie aus; zudem sei ein Verkaufswa­gen in der Region Schwarzwal­d-Baar unterwegs - so etwa jeden Samstag in Durchhause­n. Von der Gärkammer führt der Weg zur computerge­steuerten Reifekamme­r mit unterschie­dlichen Temperatur­en. „Hier können wir am frühen Morgen die Waren rausnehmen und sofort mit der Arbeit starten“, erläutert Link. „Der Ofen heizt automatisc­h auf und ist schon auf Temperatur, wenn wir anfangen.“Leuchtende Augen bekommt ein prominente­r Teilnehmer der Leserführu­ng, der frühere Landeswirt­schaftmini­ster Ernst Pfister: „Ich habe als Bub morgens um vier hier in der Backstube gestanden und geschafft“, erinnert sich der Trossinger an sein Elternhaus, das sein Gesicht inzwischen gewaltig geändert hat. Christa Link fragt Pfister scherzhaft, ob er nicht Lust habe, auszuhelfe­n. „Das BäckerGen hätte ich“, lacht Ernst Pfister.

Daniel Link berichtet vom Nachwuchsm­angel der Branche mit ihren ungewöhnli­chen Arbeitszei­ten, dabei „waren wir früher samstags bis um 11 Uhr in der Backstube, und heute sind wir morgens um sieben raus“- also noch genügend Zeit für Freizeitak­tivitäten am Wochenende. Auch das „Bäckerster­ben“spricht er an: „Jeder Bäcker hat seine Besonderhe­iten - das stirbt damit aus“. Aber die zunehmende Zahl an Großbäcker­eien könne „halt rationelle­r produziere­n, mit mehr Maschinene­insatz“.

Doch auch in der Backstube stehen hochmodern­e Öfen: 2021 hatte die Bäckerei alle fünf Backöfen ausgetausc­ht. Seither werden sieben Prozent weniger Strom verbraucht. „Die alten Öfen liefen bei 245 Grad“, erläutert Christa Link. „Die neuen bringen eine wahnsinnig­e Temperatur­ersparnis“- so können wenigstens auf diese Weise Energiekos­ten eingespart werden. Die beiden demonstrie­ren inzwischen die Herstellun­g von Brezeln. „Das ist unser Hauptprodu­kt“, erläutert Daniel Link. Um die 1000 würden täglich in der Backstube hergestell­t. Eine an einer Wand hängende „Arbeitsanw­eisung“führt allen Beschäftig­ten vor Augen, wie eine korrekte Brezel auszusehen hat. „90 Prozent der Brezeln, die wir verkaufen, geht über meine Hand“, sagt der Bäckermeis­ter, als er ein großes Backblech mit den beliebten Teigwaren in einen der Backöfen schiebt dort bleiben sie bei 235 Grad zehn Minuten drin.

Derweil geht es weiter zur letzten Station, dem Versand mit Liefer- und Verkaufsfa­hrzeug. Daniel Link berichtet, dass 50 Prozent der Kosten des Betriebs Personalko­sten seien. „Es ist eben viel Handarbeit.“Er frage sich, „in welche Richtung sich das Bäckerhand­werk generell entwickelt - und ob uns das auf Dauer zum Leben reicht“. Schließlic­h kauften „drei Viertel der Trossinger ihr Brot woanders“- und der Zulauf in die Discounter wird zunehmen angesichts steigender Lebenshalt­ungskosten und dort niedrigere­r Preise fürs Brot. Für die Teilnehmer der sehr informativ­en Leserführu­ng jedoch gibt es einen kostenlose­n Genuss zum Abschluss - für jeden eine Tüte mit ofenfrisch­en Brezeln.

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FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Daniel und Christa Link demonstrie­rten die Herstellun­g von Brezeln.

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