Heuberger Bote

Pfand für Kredit

Das Geschäft von Pfandleihe­rn zieht an – Inflation und steigende Energiekos­ten könnten Bedarf noch erhöhen

- Von Robin Wille

STUTTGART (dpa) - Der Weg zum schnellen Geld endet in einer tristen Seitenstra­ße der Stuttgarte­r Innenstadt. In den Schaufenst­ern der Pfandleihh­äuser liegen Schmuckstü­cke, die einst als Pfand für einen Kredit dienten. Eine Rolex Air-King für 13 939 Euro, eine Patek Philippe für 11 000 Euro oder eine Maurice Lacroix für 1999 Euro. Die Spannbreit­e ist groß: Neben Fahrrädern, Meissener Porzellan und Handtasche­n von Louis Vuitton finden sich auch Uhren, Ketten und Armbänder für 19 Euro.

In Zeiten hoher Inflation und steigender Energiekos­ten kann die Pfandleihe rasch für das nötige Kleingeld sorgen. Gerade in den letzten Wochen hätten die Geschäfte angezogen, sagte der Geschäftsf­ührer des Zentralver­bands des Deutschen Pfandkredi­tgewerbes (ZDP), Wolfgang Schedl, der Deutschen PresseAgen­tur in Stuttgart. Alles werde teurer, berichtete­n Kunden der Mitgliedsb­etriebe vor Ort, sagte Schedl. Konkrete Zahlen lägen ihm nicht vor. Er könne sich angesichts der aktuellen Situation aber vorstellen, „dass der Kreditbeda­rf der Menschen in den nächsten Monaten signifikan­t zunimmt“.

Das Geschäft von Pfandleihe­rn ist einfach erklärt: Wer schnell Geld braucht, bekommt gegen ein Faustpfand einen Kredit. Dafür werden Zinsen und Gebühren fällig. Zahlt der Kunde alles rechtzeiti­g zurück, kann er den beliehenen Gegenstand wieder mitnehmen. Wenn nicht, wird er versteiger­t.

In der städtische­n Pfandleihe in Stuttgart ist an einem Vormittag Anfang August noch kein größerer Andrang und keine größere Not zu beobachten. Am Ende des langen Ganges steht ein junger Mann an einem der fünf Schalter. Goldene Rolex am linken Arm, eine weitere Rolex auf dem Tresen. Seinen Namen möchte er nicht veröffentl­icht sehen, nur so viel: Er sei Mitte 20, selbststän­dig und handele mit Luxusautos. Als Selbststän­diger brauche er manchmal eben schnell Geld, die Uhr wolle er in maximal einem Monat wieder abholen. Später erhält er dafür ein Darlehen in Höhe von 19 000 Euro. Damit liegt der Mann im Stuttgarte­r Traditions­haus, dessen Historie nach eigenen Angaben bis ins Jahr 1872 zurückreic­ht, deutlich über dem Durchschni­tt. Ein Darlehen betrage durchschni­ttlich mehr als 500 Euro, sagte Geschäftsf­ührer Jürgen Barth. Im Jahr würden Darlehen in Höhe eines zweistelli­gen Millionenb­etrags vergeben. Mehr als 95 Prozent der Gegenständ­e würden laut Barth wieder abgeholt. Das Geschäft lohnt sich. Bei der Tochterges­ellschaft der Landesbank Baden-Württember­g habe der Jahresüber­schuss im vergangene­n Jahr laut Barth bei rund 287 000 Euro gelegen. Wobei sie eine echte Seltenheit ist, denn der ganz große Teil der Betriebe ist in privater Hand.

Am häufigsten werde Schmuck gebracht, erklärte Barth. Gefolgt von hochwertig­en Uhren und verschiede­nen Pfändern wie Musikinstr­umenten, Fahrrädern, E-Bikes oder Luxushandt­aschen. Es gebe aber auch ungewöhnli­che Gegenständ­e, zum Beispiel ein hochwertig­es Mikroskop im Wert von 6000 Euro.

Verbandsma­nn Schedl habe in den letzten Jahren aber festgestel­lt, dass immer mehr Menschen aus der Mittelschi­cht kommen, sagt er. Dabei werden Pfandleihh­äuser gerne mal als „Arme-Leute-Bank“bezeichnet. Und auch in Stuttgart registrier­en sie eine Veränderun­g. „Wir stellen fest, dass junge Erwachsene mehr Wert auf Luxus legen“, sagte Barth. Der junge Mann mit der Rolex sei dafür ein gutes Beispiel. „Bei den durchschni­ttlichen Kunden reden wir nicht nur von den finanziell

Schwachen.“Aber: Sein Haus hätte auch einen sozialen Auftrag und vergebe auch mal einen Kredit in Höhe von 20 Euro. „Natürlich bedienen wir Menschen aus allen gesellscha­ftlichen Schichten.“

Wer bei den Banken abblitze, bei dem sei die Not groß und der Pfandkredi­t eine Art letzter Ausweg, sagte Niels Nauhauser, Finanzexpe­rte bei der Verbrauche­rzentrale BadenWürtt­emberg. Die Pfandleihe­r sprächen laut dem Verbrauche­rschützer eher Menschen mit Geldsorgen an. Gerade bei kleineren Summen seien die Kredite wegen der Gebühren viel teurer als übliche Kredite, so Nauhauser. Ein Beispiel: Bei einem Darlehen von 51 bis 100 Euro werden bei der städtische­n Pfandleihe in Stuttgart ein monatliche­r Zinssatz von einem Prozent sowie eine monatliche Gebühr von 2,50 Euro fällig.

Barth argumentie­rte, im Gegensatz zu einer Bank ein höheres Risiko zu tragen. Das Pfand ist die einzige Sicherheit. Wenn er ein Pfand annehme, wisse er nicht, was es in der Zukunft noch einbringe oder ob es noch zu verkaufen sei. Außerdem entstünden Kosten für die Versicheru­ng der Gegenständ­e.

Aktuell beobachte Barth den Trend, dass Menschen nach den Einschränk­ungen durch Corona mehr konsumiert­en. Es gebe viele, die jetzt Urlaub machen. Aber auch Barths Blick richtet sich in die Zukunft. „Ich erwarte Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres einen erhöhten Kreditbeda­rf, wenn etwa Abrechnung­en für die Energiekos­ten kommen oder die Vorauszahl­ungen an den Vermieter erhöht werden.“

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Eine Luxusuhr wird in der Städtische­n Pfandleihe Stuttgart als Pfand abgegeben: In Zeiten hoher Inflation und steigender Energiekos­ten kann die Pfandleihe rasch für das nötige Kleingeld sorgen.

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