Legal wild campen
Private Anbieter stellen Gärten, Wiesen und Weiden für Urlauber und Ausflügler zur Verfügung
Sie reisen selten mit dem großen Wohnmobil an, sondern viel mehr im umgebauten VWBus, im Van oder gar mit Motorrad und Igluzelt. Und sie alle suchen vor allem eines: Ruhe, Abgeschiedenheit und die Nähe zur Natur. Die Rede ist von Beate Wochner-Müllers Gästen. Die 39-jährige Architektin hat vor drei Jahren von ihrem Vater den Sandbühlhof in Oberhofen bei Ravensburg übernommen. Seitdem ist sie verantwortlich für den Anbau, die Ernte und die Vermarktung von Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, Kirschen und Aronia-Beeren. Im Frühjahr dieses Jahres hat sie ihrer Landwirtschaft, die sie zusammen mit ihrem Mann Alexander meistert, einen neuen Geschäftszweig hinzugefügt: Camping im Kirschgarten.
Drei Stellplätze à 500 Quadratmetern bietet Wochner-Müller an, alle idyllisch gelegen zwischen hohen Kirschbäumen, allerdings ohne Strom-, Gas- oder Wasseranschluss, dafür mit Feuerstelle, Bio-Toilette und Kalt-Wasser-Dusche in der Nähe; alle doch soweit voneinander entfernt, dass man das gute Gefühl hat, ganz alleine inmitten einer wunderbaren Umgebung zu sein. Wer sich nur ein paar Schritte von seinem Feriendomizil entfernt und leicht bergauf geht, kann einen traumhaften Blick über das Schussental sowie auf Höchsten und Gehrenberg genießen. Besonders romantisch ist dies, wenn die Sonne untergeht. „Wir hatten schon eine Frau zu Gast, die hat sich kaum von unserem Grund wegbewegt, sondern viel geschlafen und einfach die Ruhe genossen. Sie fand das herrlich“, erzählt Wochner-Müller. Überwiegend seien es Paare, die zu ihr auf den Hof kommen, seltener Familien mit Kindern. „Dafür bieten wir zu wenig für Mädchen und Jungs“, weiß sie. Für die Kleinen ist auch das lustige Zwitscherhäuschen nichts, das an einem Baum hängt und in dem der selbst gebrannte Obstschnaps steht, den die Gäste zur Begrüßung eingeschenkt bekommen. Wer mag, darf gegen einen Aufpreis auch die Sauna in der sogenannten Schwitzhütte im Kirschgarten benutzen oder eine Nacht im schwingenden Kirschbaumbett im Freien verbringen.
Die Naturcamper reisen aus der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und natürlich aus ganz Deutschland an. „Ich habe aber auch immer wieder Gäste ganz aus der Nähe, zum Beispiel mit Biberacher Kennzeichen“, erzählt die Landwirtin. In dieser Hinsicht hat sich seit der CoronaPandemie jede Menge verändert. Die Menschen streben nicht mehr unbedingt zu fernen Zielen, sondern bleiben lieber in der Nähe. Und dem Camping ganz allgemein hat Corona einen mächtigen Schub gegeben. Die großen Plätze am Bodensee sind deshalb oft heillos überfüllt. Für Paare, aber auch Freundesgruppen, die nicht unbedingt stundenlang fahren möchten, sondern in Heimatnähe für ein Wochenende Lagerfeuer-Atmosphäre schnuppern möchten, sind Angebote wie jene im Oberhofener Kirschgarten ideal. Sowieso ist solches Mikro-Camping mit GastgeberAnschluss gefragter denn je: Es ist persönlich, unkompliziert, ein bisschen abenteuerlich und die Gastgeber haben oft die besten Tipps für Ausflüge in die Umgebung. Nachhaltig und budgetfreundlich gestaltet sich diese Art zu reisen sowieso. Davon profitiert auch Wochner-Müller. „Seit März haben wir eigentlich immer jemanden da, der im Kirschgarten campt oder zeltet“, berichtet sie.
Mittlerweile gebe es sogar schon Stammgäste.
Gebucht werden können ihre Plätze über die eigene Homepage oder aber über Online-Plattformen wie campspace.com. Auf solchen sogenannten Sharing-Plattformen bieten Privatpersonen ihr Stückchen Land zum Übernachten an – sei es im eigenen Garten, am Seeufer, auf der Weide neben dem Bauernhof oder zwischen Weinbergen. Es gibt von der puren Wiese übers Baumhaus bis hin zur Jurte oder Blockhütte fast alles.
Je nach Angebot kann ein Zelt aufgeschlagen, ein Camper abgestellt oder eben eine komplette Unterkunft gebucht werden. Mal ist alles vorhanden, von der Sanitäranlage bis zur Outdoorküche, mal muss man auf jeglichen Komfort verzichten (Stichwort: Wald und Klopapier). Viele dieser Angebote könnte man kurz folgendermaßen zusammenfassen: legal wild campen. Dass damit ein Trend erkannt wurde, der vor allem bei den 30- bis 50-Jährigen sehr gut ankommt, belegen die ständig wachsenden Angebote dieser Art im Internet. Allein auf campspace.com gibt es 300 Gastgeber in Deutschland, in ganz Europa sind es über 2000.
Ein Stellplatz bei Beate WochnerMüller in Oberhofen kostet ab 28 Euro pro Nacht. Weitere Informationen unter www.sandbuehlhof.de oder www.campspace.com