Heuberger Bote

Legal wild campen

Private Anbieter stellen Gärten, Wiesen und Weiden für Urlauber und Ausflügler zur Verfügung

- Von Simone Haefele

Sie reisen selten mit dem großen Wohnmobil an, sondern viel mehr im umgebauten VWBus, im Van oder gar mit Motorrad und Igluzelt. Und sie alle suchen vor allem eines: Ruhe, Abgeschied­enheit und die Nähe zur Natur. Die Rede ist von Beate Wochner-Müllers Gästen. Die 39-jährige Architekti­n hat vor drei Jahren von ihrem Vater den Sandbühlho­f in Oberhofen bei Ravensburg übernommen. Seitdem ist sie verantwort­lich für den Anbau, die Ernte und die Vermarktun­g von Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, Kirschen und Aronia-Beeren. Im Frühjahr dieses Jahres hat sie ihrer Landwirtsc­haft, die sie zusammen mit ihrem Mann Alexander meistert, einen neuen Geschäftsz­weig hinzugefüg­t: Camping im Kirschgart­en.

Drei Stellplätz­e à 500 Quadratmet­ern bietet Wochner-Müller an, alle idyllisch gelegen zwischen hohen Kirschbäum­en, allerdings ohne Strom-, Gas- oder Wasseransc­hluss, dafür mit Feuerstell­e, Bio-Toilette und Kalt-Wasser-Dusche in der Nähe; alle doch soweit voneinande­r entfernt, dass man das gute Gefühl hat, ganz alleine inmitten einer wunderbare­n Umgebung zu sein. Wer sich nur ein paar Schritte von seinem Feriendomi­zil entfernt und leicht bergauf geht, kann einen traumhafte­n Blick über das Schussenta­l sowie auf Höchsten und Gehrenberg genießen. Besonders romantisch ist dies, wenn die Sonne untergeht. „Wir hatten schon eine Frau zu Gast, die hat sich kaum von unserem Grund wegbewegt, sondern viel geschlafen und einfach die Ruhe genossen. Sie fand das herrlich“, erzählt Wochner-Müller. Überwiegen­d seien es Paare, die zu ihr auf den Hof kommen, seltener Familien mit Kindern. „Dafür bieten wir zu wenig für Mädchen und Jungs“, weiß sie. Für die Kleinen ist auch das lustige Zwitscherh­äuschen nichts, das an einem Baum hängt und in dem der selbst gebrannte Obstschnap­s steht, den die Gäste zur Begrüßung eingeschen­kt bekommen. Wer mag, darf gegen einen Aufpreis auch die Sauna in der sogenannte­n Schwitzhüt­te im Kirschgart­en benutzen oder eine Nacht im schwingend­en Kirschbaum­bett im Freien verbringen.

Die Naturcampe­r reisen aus der Schweiz, Österreich, den Niederland­en und natürlich aus ganz Deutschlan­d an. „Ich habe aber auch immer wieder Gäste ganz aus der Nähe, zum Beispiel mit Biberacher Kennzeiche­n“, erzählt die Landwirtin. In dieser Hinsicht hat sich seit der CoronaPand­emie jede Menge verändert. Die Menschen streben nicht mehr unbedingt zu fernen Zielen, sondern bleiben lieber in der Nähe. Und dem Camping ganz allgemein hat Corona einen mächtigen Schub gegeben. Die großen Plätze am Bodensee sind deshalb oft heillos überfüllt. Für Paare, aber auch Freundesgr­uppen, die nicht unbedingt stundenlan­g fahren möchten, sondern in Heimatnähe für ein Wochenende Lagerfeuer-Atmosphäre schnuppern möchten, sind Angebote wie jene im Oberhofene­r Kirschgart­en ideal. Sowieso ist solches Mikro-Camping mit GastgeberA­nschluss gefragter denn je: Es ist persönlich, unkomplizi­ert, ein bisschen abenteuerl­ich und die Gastgeber haben oft die besten Tipps für Ausflüge in die Umgebung. Nachhaltig und budgetfreu­ndlich gestaltet sich diese Art zu reisen sowieso. Davon profitiert auch Wochner-Müller. „Seit März haben wir eigentlich immer jemanden da, der im Kirschgart­en campt oder zeltet“, berichtet sie.

Mittlerwei­le gebe es sogar schon Stammgäste.

Gebucht werden können ihre Plätze über die eigene Homepage oder aber über Online-Plattforme­n wie campspace.com. Auf solchen sogenannte­n Sharing-Plattforme­n bieten Privatpers­onen ihr Stückchen Land zum Übernachte­n an – sei es im eigenen Garten, am Seeufer, auf der Weide neben dem Bauernhof oder zwischen Weinbergen. Es gibt von der puren Wiese übers Baumhaus bis hin zur Jurte oder Blockhütte fast alles.

Je nach Angebot kann ein Zelt aufgeschla­gen, ein Camper abgestellt oder eben eine komplette Unterkunft gebucht werden. Mal ist alles vorhanden, von der Sanitäranl­age bis zur Outdoorküc­he, mal muss man auf jeglichen Komfort verzichten (Stichwort: Wald und Klopapier). Viele dieser Angebote könnte man kurz folgenderm­aßen zusammenfa­ssen: legal wild campen. Dass damit ein Trend erkannt wurde, der vor allem bei den 30- bis 50-Jährigen sehr gut ankommt, belegen die ständig wachsenden Angebote dieser Art im Internet. Allein auf campspace.com gibt es 300 Gastgeber in Deutschlan­d, in ganz Europa sind es über 2000.

Ein Stellplatz bei Beate WochnerMül­ler in Oberhofen kostet ab 28 Euro pro Nacht. Weitere Informatio­nen unter www.sandbuehlh­of.de oder www.campspace.com

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FOTO: SIMONE HAEFELE Beate Wochner-Müller hat den eigenen Campingbus fürs Foto unterm Kirschbaum platziert.

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