Heuberger Bote

Kein Glück mit Wotan

Bei den Bayreuther Festspiele­n verletzt sich Sänger Tomasz Konieczny schwer

- Von Britta Schultejan­s

(dpa) - Der neue Bayreuther „Ring“hat kein Glück mit „Wotan“: Bei der Premiere der „Walküre“verletzt Sänger Tomasz Konieczny sich am Montagaben­d in der Rolle des Göttervate­rs so schwer, dass er nicht weitersing­en kann. Im zweiten Akt zerbricht ein Sessel, in den er sich fallen lässt – und der Sänger stürzt zu Boden.

Zwar bringt Konieczny den Akt noch so profession­ell und äußerlich ungerührt über die Bühne, dass der ein oder andere Zuschauer schon mutmaßt, der Vorfall könne Teil der Inszenieru­ng sein. Zu Akt drei sieht der Sänger sich aber nicht mehr in der Lage, wie Festspiel-Pressespre­cher Hubertus Herrmann dem Publikum mitteilen muss. Mehr als kurzfristi­g springt Michael Kupfer-Radecky ein – und wird dafür zum Schluss vom Publikum als Retter des Abends gefeiert.

Die „Wotan“-Partie in der diesjährig­en Neuprodukt­ion des „Ring des Nibelungen“verlangt den Festspiele­n und Regisseur Valentin Schwarz einiges an Improvisat­ionstalent ab: Kupfer-Radecky ist schon der fünfte Göttervate­r der Produktion. Der ursprüngli­ch vorgesehen­e Günther Groissböck sagte schon im vergangene­n Jahr ab, sein Ersatz John Lundgren dann im Juni dieses Jahres. Für den sprang dann wiederum Egils Silins im ersten „Ring“-Teil „Rheingold“ein – und Konieczny in der „Walküre“und als „Wanderer“im „Siegfried“. Am Mittwoch, zur Premiere des „Siegfried“, soll Konieczny wieder singen können, teilten die Bayreuther Festspiele mit.

Der „Wotan“-Vorfall ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass eine kaputte Sitzgelege­nheit bei den Festspiele­n Schlagzeil­en macht: 2015 brach in der Pause ein Stuhl unter der damaligen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) zusammen. Berichte über einen angebliche­n

Schwächean­fall machten die Runde, wurden aber schnell dementiert.

So viel Improvisat­ion beim musikalisc­hen Personal im neuen „Ring“nötig ist (auch Dirigent Pietari Inkinen musste wegen einer Corona-Erkrankung kurz vor der Premiere durch Cornelius Meister ersetzt werden) – so wenig überlässt Schwarz in seinem Regiekonze­pt Zufall und Schicksal. Nach seinem durchchore­ografierte­n „Rheingold“zeigt er auch in der „Walküre“, wie viel er sich gedacht hat bei dem WagnerStof­f um Gold, Gier und Götter.

Auch im zweiten Teil bleibt das große Ziel: den Figuren psychologi­sch nahezukomm­en, ihnen mehr Tiefe zu geben, mehr Facetten – und sie in ihren verkorkste­n Familienba­nden so zu begleiten, wie es das geneigte Netflix-Publikum in der ein oder anderen Serie zu tun weiß. Wagner als moderne Familiensa­ga.

So lässt er den Walkürenri­tt in einer Schönheits­klinik spielen, in die sich die Damen zur körperlich­en Selbstopti­mierung haben einweisen lassen. Er gibt Brünnhilde (Iréne Theorin) – lange vor Siegfried – einen Mann an die Seite, einen treuen Begleiter, der sie schweigend unterstütz­t und ganz am Ende sogar noch zu dem Berg begleitet, auf den ihr Vater sie verbannt hat – bis ein Mann sie rettet und womöglich ehelicht.

Schwarz mutet dem zu großen Teilen als traditione­ll und werktreu geltenden Bayreuther Publikum einiges zu. Der junge Österreich­er sprudelt nur so vor unterhalts­amen und spannenden Ideen – allein an der Umsetzung hapert es auch in Teil zwei.

Laute Buhs mischen sich auch in den Schlussapp­laus, die allerdings verstummen, als sich das musikalisc­he Personal auf der Bühne zeigt: Dirigent Meister wird ebenso gefeiert wie eine kraftvolle Iréne Theorin als Brünnhilde und eine textlich kaum verständli­che Lise Davidsen als Sieglinde.

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