Heuberger Bote

„Lachen ist gut für das Immunsyste­m“

Der Virologe Hendrik Streeck ist nun auch Autor – In seinem Buch geht es um Corona, Musik und Hühnersupp­e

- Von Jonas-Erik Schmidt

(dpa) - Wenn Hendrik Streeck aufmalt, was in unserem Körper vorgeht, wirkt das fast putzig. Natürliche Killerzell­en, oder kurz NK-Zellen, sehen aus wie kleine Ninja-Kämpfer, Makrophage­n – sogenannte Fresszelle­n – erinnern an das Krümelmons­ter aus der „Sesamstraß­e“. Streeck hat sie für sein Buch „Unser Immunsyste­m“gezeichnet, das am heutigen Donnerstag erschienen ist, und in dem er die menschlich­e Immunabweh­r erklärt. Mit der Deutschen Presse-Agentur spricht er über die Gemeinsamk­eiten von Kunst und Medizin, die Zukunft der mRNA-Technologi­e und über die wohlige Wirkung einer guten Hühnersupp­e.

Herr Streeck, man sieht es ab und zu noch auf der Straße: Eine Großmutter oder ein Großvater, die auf ein Taschentuc­h spucken und dem Enkel damit das Gesicht sauber machen, wenn er hingefalle­n ist. So besonders ratsam ist das nicht, oder?

Eines vorweg: Ich sehe nicht alles, was im Leben passiert, durch die Linse des Virologen. Aber grundsätzl­ich kann man sagen, dass Spucke viele Stoffe enthält, die einen Schutzmech­anismus gegen Erreger bilden. Sie macht es Bakterien und Viren schwierige­r, sich festzusetz­en und zu vermehren. Daher ist Spucke generell auch ein Mittel, das antibakter­iell wirkt oder das man auf eine Wunde machen kann, wenn gar nichts anderes zur Hand ist. Das große Aber: Wichtig ist, dass man seine eigene Spucke benutzt und nicht die von jemand anderem. Wenn eine Oma das also so macht, kann es durchaus zu einer Infektion kommen.

Das Immunsyste­m ist sehr komplex. Was fasziniert Sie denn daran?

Fasziniere­nd ist, dass das Immunsyste­m überhaupt keinen Ort hat. Eine Leber kann man rausnehmen, auch von einer Niere weiß man, wo sie ist. Aber das Immunsyste­m kann man nicht lokalisier­en. Zudem ist es so stark, dass es – wenn es ganz schlimm kommt – den Menschen umbringen kann, ihn aber in den allermeist­en Fällen sehr erfolgreic­h vor Attacken beschützt. Es leistet eine Extremarbe­it, von der wir aber nur ganz selten etwas bemerken.

Sie wählen zur Beschreibu­ng mitunter Vokabeln, als sei es eine Armee.

Es ist auf jeden Fall extrem schlagkräf­tig. Der militärisc­he Vergleich ist nicht aus der Luft gegriffen – vor allem auch, weil es eine organisier­te Abwehr ist. Nach einer ersten schnellen Reaktion wird sehr koordinier­t vorgegange­n. Das ist nicht wahllos.

Sie haben die Bilder in Ihrem Buch selbst gezeichnet, der Stil erinnert an einen Comic. Humane Papillomvi­ren, kurz HPV, sehen aus wie Discokugel­n. Wo haben Sie so gut zeichnen gelernt?

Ich will meine Zeichenkün­ste nicht überbewert­en. Aber deswegen hat es auch so lange gedauert mit dem Buch. Ich habe 2015 schon damit angefangen – eigentlich für ein Kinderbuch. Ich selbst habe Medizin gelernt, indem ich viel aufgemalt habe. Wenn man das Gefühl hat, dass es etwas Menschlich­es hat, dann kann man oft einfacher lernen und verstehen. So ist es zumindest bei mir.

Gibt es zwischen Kunst und Medizin Gemeinsamk­eiten?

Ich nehme da in der Tat Überschnei­dungen wahr. Es gibt viele Mediziner, die musikalisc­h sind und in einem Orchester spielen. Ich glaube, dass Medizin auf der einen Seite zwar etwas sehr Rationales hat.

Aber auf der anderen Seite ist sie auch etwas sehr Emotionale­s. Man muss sich einfühlen können in einen Patienten.

Technologi­sch ruhen momentan viele Hoffnungen auf der mRNATechno­logie, mit der auch Impfstoffe für die Corona-Pandemie entwickelt wurden. Manche Experten glauben, dass sich damit auch viele andere Krankheite­n bekämpfen lassen. Teilen Sie diese Hoffnung?

Die große Hoffnung dieser Technologi­e liegt zunächst darin, dass man Impfstoffe vergleichs­weise schneller als bei früheren Laborverfa­hren entwickeln kann. Wir haben aber noch keine Erfahrunge­n damit, wie gut das bei anderen Erregern als Corona gehen kann und wie lange ein Schutz überhaupt anhält. Wir müssen erst noch mehr lernen, um beurteilen zu können, wie hoch der Quantenspr­ung ist.

Dann mal weg von Hochtechno­logie und hin zu Hausmittel­n. Was kann ich einnehmen, um mein Immunsyste­m zu stärken?

Das ist die große Preisfrage, mit der speziellen Problemati­k, dass man das eigentlich gar nicht richtig kann. Wenn man beispielsw­eise eine Multivitam­intablette nimmt, produziert man leider nur hauptsächl­ich teuren Urin. Das Beste für ein Immunsyste­m ist es, wenn man sich körperlich und geistig fit hält. Da gibt es auch sehr interessan­te psychologi­sche Effekte. Lachen zum Beispiel ist gut für das Immunsyste­m, das haben Studien gezeigt. Wenn man trotzdem krank wird, gibt es natürlich bestimmte Stoffe, die einen Vorteil bringen können. Etwa eine heiße Zitrone bei einer Erkältung.

Oder Hühnersupp­e?

Ja genau. Eine frische Hühnersupp­e hat Vitamin C und Vitamin E, das hat einen positiven Effekt. Zudem regt sie die Schleimbil­dung im Rachen an. Mit einer größeren Schleimpro­duktion werden Erreger leichter rausgespül­t. Zudem: Wenn sich ein Immunsyste­m neu formt, braucht es dafür Bausteine, bestimmte Aminosäure­n. Die findet es ebenfalls in der Hühnersupp­e.

Offenbar profitiert das Immunsyste­m auch von Romantik. Sie würdigen in Ihrem Buch „intensives Küssen“bei Paaren als Methode, wenn möglich, mehrmals täglich.

Durch den Kontakt mit einer anderen Mundflora wird das Immunsyste­m etwas hochreguli­ert. Es geht in eine latente Alarmberei­tschaft und kann Erreger so leichter abwehren. Zudem wird die Mundflora durch Küssen diverser, weil sich beide Floren anpassen. Dadurch wird sozusagen das eigene Immunarsen­al erweitert.

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FOTOS: ROLF VENNENBERN­D/DPA Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Bonn, zeigt Illustrati­onen auf seinem iPad, die er für sein neues Buch „Unser Immunsyste­m“selbst gezeichnet hat.

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