Hypnose kann nicht nur bei Ängsten helfen
Die Therapieform ist mehr als manipulativer Hokuspokus – Wichtig ist, dass sie von Fachleuten gemacht wird
Ähnliche Effekte gibt es beim Verzehr von Schokolade, Pfefferminze, Chips und ähnlichen Snacks, Softdrinks und
Hypnose finden manche spannend, andere Furcht einflößend. Was eine Menge mit den Bildern zu tun hat, bei denen hypnotisierte Menschen auf Bühnen unfreiwillig komische Dinge tun – und sich nach dem „Erwachen“nicht mehr daran erinnern. Mit einer seriösen therapeutischen Hypnose hat das nichts zu tun. „Am bekanntesten ist wohl leider die Bühnen- oder Showhypnose“, erklärt der Psychologe Thilo Hartmann. „Sie vermittelt aber das Bild der Hypnose als autoritäre Manipulationstechnik und erschwert dadurch die Anwendung in den medizinischen und psychologischen Praxen.“
Unter Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten ist Hypnotherapie durchaus verbreitet. Sie kommt zum Beispiel bei bestimmten Phobien, bei Schmerztherapien, Ängsten vor bestimmten Behandlungen oder bei der Rauchentwöhnung zum Einsatz.
Hypnose heißt zum einen der veränderte Bewusstseinszustand, also die hypnotische Trance. Diese lasse sich „objektiv“von Wachbewusstsein, Schlaf, religiöser Trance und Meditation unterscheiden, so Hartmann. „Hypnose bezeichnet aber auch den Prozess, der in eine hypnotische Trance führt, die sogenannte Tranceinduktion.“
„Die Hypnose wirkt zum Beispiel gut gegen Angst und Stress“, sagt Barbara Schmidt, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Klinische Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Aus dem Grund wird sie in Situationen eingesetzt, in denen man eine optimale Leistung bringen möchte, zum Beispiel bei einem Wettkampf, Bewerbungsgespräch oder Bühnenauftritt. Dabei hilft die Hypnose, eigene Ressourcen zu aktivieren. „Sie setzt bereits vorhandene Fähigkeiten frei.“Wichtig sei dabei die Fähigkeit der Umdeutung von äußeren Reizen, sodass etwa aus dem vorher bedrohlichen Herzklopfen die Gewissheit werden kann, dass der eigene Körper gerade alle nötigen Kräfte zur Verfügung stellt, um die Situation zu meistern.
Hypnose kann auch vor oder während Operationen eingesetzt werden, um Ängste abzubauen und Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. „Sie kann dabei durchaus Medikamente und Narkose ersetzen oder ergänzen und führt zu einer besseren Verarbeitung der ansonsten als traumatisch wahrgenommenen Situation“, sagt Schmidt. Bekannt ist der Einsatz der Hypnose beim Zahnarzt, um die Behandlung für den Patienten angenehmer zu machen und die Furcht zu nehmen.
Es gibt auch Therapiemethoden, die mittels Hypnose das Wiedererleben eines Traumas aktiv herbeiführen, um damit umzugehen. „Hier kommt auch die Methode des sicheren Ortes zum Einsatz, die ich in meiner Forschung verwende“, erläutert Schmidt. „Der Proband stellt sich unter Anleitung vor, dass er an einem
Ort ist, an dem er sicher und wohlbehütet ist. Auf diesen kann er dann immer zurückgreifen, wenn eine Erfahrung zu intensiv wird.“
Hypnose und auch Hypnotherapie sind laut Hartmann keine rechtlich geschützten Titel, es gibt keinen regulierten Zugang zu den Ausbildungen und einen breiten „grauen Markt“an angebotenen Leistungen. „Eine Praxis kann also jeder eröffnen“, sagt der Hypnotherapeut, Coach
und Supervisor mit eigener Berliner Praxis. „Und dort werden leider oft unkritisch und ungeprüft gefährliche Heilsversprechen gegeben.“
Die deutschsprachigen Hypnosegesellschaften geben auf dem Portal Hypnose.de einen Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen von Hypnose – außerdem sind dort die Suchmasken zur Suche von Ärzten und Therapeuten der einzelnen Gesellschaften verlinkt. Sucht man einen Therapeuten, sollte der nicht nur Hypnose können, meint Hartmann. „Wenn er zudem eine zusätzliche Grundausbildung in einem Beruf wie etwa Psychologie, Medizin, Pädagogik, Philosophie vorweisen kann, sind das gute Zeichen.“
Ängste kann das hierarchische Gefälle auslösen, das in der klassischen Hypnose anzutreffen ist. Hartmann betont aber, dass es kaum möglich sei, Menschen gegen ihren Willen zu hypnotisieren. „Die allermeisten Menschen werden sich einem Hypnotiseur erfolgreich verweigern, wenn sie ihm nicht trauen und keine Vorteile von einer Zusammenarbeit erwarten.“
Zudem gibt es die Vorstellung, dass der Hypnotiseur dem Patienten eine Verhaltensänderung einredet, die dieser dann willenlos ausführen muss, sagt Hartmann. Das stehe der
Wirksamkeitsforschung in der Psychotherapie jedoch entgegen. Dass man aus einer Hypnose nicht mehr erwachen kann, ist ebenfalls eine Mär.
Im seriösen Fach funktioniert ein „Wiedererwachen“anders: „Hat ein Therapeut die Hypnose eingeleitet, wird er den Patienten durch eine Reorientierung auf das Hier und Jetzt wieder herausholen“, erklärt Forscherin Barbara Schmidt. Das geht zum Beispiel über das Herunterzählen von zehn auf eins, während man dem Patienten sagt, dass er bei eins wieder völlig wach ist. Nach einer Hypnose fühlen sich die Probanden oft erfrischt und entspannt, so Schmidt. „Die Hypnose an sich hat keine unmittelbaren Folgen.“
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Hypnotherapie nur in Ausnahmefällen auf Antrag, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie. Bei Privatkassen seien die Kostenübernahmeregelungen sehr unterschiedlich. Der Rat ist: Bereits vor Therapiebeginn die Kasse kontaktieren, um sich über Möglichkeiten der Kostenübernahme zu informieren. Dem Verband zufolge kosten psychotherapeutische Hypnosebehandlungen zwischen 80 und 150 Euro für 50 Minuten.