Schlüsselfigur Flick
Für den FC Bayern kommen die Spekulationen um den Trainer als Löw-Erbe zur Unzeit
- Hansi Flick schaltete erst sein Mikrofon ein und dann sofort auf Offensive. Bevor Fragen von den online zugeschalteten Journalisten in der Video-Pressekonferenz zu seiner möglichen Nachfolge von Joachim Löw als Bundestrainer kommen konnten, ging er sozusagen zum verbalen Gegenpressing über und ergriff selbst das Wort zum Thema der Woche. Zunächst hob der 56-Jährige die „sehr erfolgreiche und sehr schöne Zeit, gerade mit Jogi Löw“hervor, die er als DFB-Sportdirektor und Assistent von Löw bei der Nationalelf hatte, gekrönt vom Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Also, warum nicht ab Sommer im höchsten Amt als Bundestrainer nach höchsten Weihen streben?
Weil er, so versicherte Flick, aktuell beim FC Bayern beste Bedingungen vorfinde. „Ich habe hier eine Mannschaft, die absolut top ist, und einen Staff, mit dem es sehr viel Spaß macht. Ich habe einen Vertrag bis 2023, möchte hier erfolgreich weiterarbeiten und noch viele Titel gewinnen.“Zu dem historischen Sextuple, das er seit Amtsantritt im November 2019 errungen hat. Er wolle sich
„hundertprozentig auf den FC Bayern konzentrieren“, so Flick, „deswegen verbieten sich Spekulationen, wie meine Zukunft aussieht“.
Natürlich folgten trotzdem mehrere Nachfragen. Etwa, ob er sich denn generell vorstellen könne, eines Tages Bundestrainer zu werden. Flick wich aus, sagte: „Vergangenheit und Zukunft interessieren mich nicht, sondern das Jetzt.“Außerdem verwies er auf die Spekulationen während seiner ersten Wochen und Monate als Interimstrainer an der Säbener Straße, nannte damals gehandelte Trainerkandidaten: Mauricio Pochettino (jetzt bei Paris St. Germain), Erik ten Hag (immer noch Ajax Amsterdam) und Thomas Tuchel (bis Weihnachten Paris, nun FC Chelsea). Flick bekam am Freitagmittag wohl erstmals ein Gespür dafür, wie anstrengend und nervig die kommende Zeit für ihn werden wird, – diese Dinge von sich fernzuhalten und wegzumoderieren, möglicherweise so lang. bis der DFB um Direktor Oliver Bierhoff (Flick: „Das ist seine Aufgabe. Er hat Zeit, das zu lösen.“) einen Nachfolger für Joachim Löw gefunden hat.
„Jetzt wird spekuliert, ich werde Bundestrainer“, erklärte Flick etwas verwundert (nur gespielt?) und betonte: „Für mich ist es die richtige Herangehensweise, zu sagen: ,Ich kümmere mich um meine Mannschaft und das Spiel gegen Werder Bremen.‘“
Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei Bayerns Spiel eins seit Löws Rücktrittsankündigung und der von Flick – passiv – übernommenen Favoritenrolle als Nachfolger. Solange kein kategorisches und unmissverständliches Nein zum Bundestrainer-Posten über seine Lippen kommt wie von Liverpools Trainer Jürgen Klopp diese Woche, muss Flick mit der Unruhe leben. Und der FC Bayern auch. Es droht ein heißer Frühling – ausgerechnet jetzt, da es in die entscheidenden Wochen in Meisterschaft und Champions League geht.
Denn von der Figur Flick hängt vieles ab. Der Trainer ist die wichtigste Komponente im sportlichen Gefüge. Vor allem die Spieler wollen wissen, ob ihr Erfolgscoach über den Sommer hinaus wirklich bleibt. Die Personalie Flick zieht einen Rattenschwanz an Personalentscheidungen hinter sich her. Was wird aus Jérôme Boateng, dessen Vertrag ausläuft? Flick setzt auf den Innenverteidiger und Weltmeister von 2014. Was wird aus Alexander Nübel, der als Kronprinz hinter Welttorhüter Manuel Neuer verpflichteten Nummer 2? Wird er im Sommer nach einem für ihn mit nur zwei Einsätzen unzufriedenstellenden Jahr nun doch ausgeliehen? Wen will Flick als neuen Neuer-Stellvertreter? Etwa Hannovers Ron-Robert Zieler, aktuell an den 1. FC Köln ausgeliehen? Oder Bielefelds Stefan Ortega, den Ex-Löwen? Dazu kommen die angestrebten Verhandlungen mit wichtigen Spielern wie Niklas Süle, Leon Goretzka (beide Verträge laufen 2022 aus) sowie Joshua Kimmich und Kingsley Coman (jeweils mit Arbeitspapieren bis 2023). Es geht bei allen Kandidaten um Geld, Perspektive und die Frage: Bleibt Flick, ihr Freund und Förderer?
Die zuletzt aufgetretenen Differenzen zwischen ihm und Sportvorstand Hasan Salihamidzic bestätigte Flick: „In einer Partnerschaft kann es immer zu Unstimmigkeiten kommen.“Dass es hin und wieder in Personalfragen zu Meinungsverschiedenheiten komme, sei jedoch „normal“, so Flick. „Ich sehe nichts, was uns in der Zusammenarbeit stören könnte.“Außer ein zu verlockendes Angebot des DFB.