Heuberger Bote

Hoffnung auf eine bessere Welt

Mit „Fratelli tutti“will der Papst aufrütteln und Orientieru­ng geben – Er fordert Abkehr von nationalen Egoismen

- Von Ludwig Ring-Eifel

(KNA) - Es ist ein ganzes Bündel von akuten Krisen, mit denen sich Franziskus in seiner neuen Sozialenzy­klika auseinande­rsetzt. Vom Erstarken populistis­cher Ideologien über die Migrations­krise bis hin zu den Auswirkung­en der Corona-Pandemie – der Papst spricht in „Fratelli tutti“alle großen Probleme an, die derzeit die Menschheit bewegen. Aber auch den „klassische­n“Themen wie der ungerechte­n Verteilung des Reichtums oder Krieg und Frieden widmet er breiten Raum.

Ausdrückli­ch richtet er sich nicht nur an die Christen, sondern an alle Menschen, gleich welchen Glaubens. Um eine Orientieru­ng geben zu können, die religionsü­bergreifen­d akzeptabel ist, wählt er das Gleichnis vom Barmherzig­en Samariter. Das stammt zwar aus der Bibel, doch die ethische Aussage der Erzählung von dem Mann, der unter die Räuber fällt und von einem verachtete­n Fremden gerettet wird, während die Frommen ihn im Straßengra­ben liegen lassen, ist so einfach und klar, dass alle sie verstehen.

Vereinfach­t gesagt empfiehlt der Papst der Menschheit, sich wieder auf die uralten Grundlagen der Nächstenli­ebe zu besinnen, um die gegenwärti­gen Probleme zu lösen. Das wirkt auf den ersten Blick beinahe naiv. Wer sich ein wenig in den Problemen der politische­n Ethik auskennt, wird staunen über diese scheinbare Vermischun­g individual­ethischer und politische­r Fragestell­ungen. Doch zeigt sich bei der Lektüre des 154-Seiten-Dokuments, dass es nicht der schlechtes­te Ansatz ist, die Perspektiv­e der Nächstenli­ebe auf die Politik zu übertragen.

In der kirchliche­n Soziallehr­e hat das vor fast 100 Jahren schon Papst Pius XI. versucht, dessen Epoche vom Aufblühen der neuen Ideologien

des Faschismus und des Sowjetkomm­unismus geprägt war. Wahrschein­lich wird sich Franziskus mit seinen Ideen ebenso wenig durchsetze­n wie der damalige Pontifex. Er selbst räumt ein: „Ein Plan mit großen Zielen für die Entwicklun­g der Menschheit klingt heute wie eine Verrückthe­it.“

Es sind vor allem zwei Ideologien, mit denen sich der Papst in seiner Enzyklika immer wieder anlegt. Das eine sind die neuen Formen eines sich vor Einwanderu­ng abschotten­den, national-egoistisch­en Populismus, den der Papst als eine für Christen verbotene Option („nicht hinnehmbar“) geißelt. Der andere Hauptgegne­r ist der Marktliber­alismus.

Die Hoffnung der Marktliber­alen, dass aus der Summe der Verwirklic­hung der Einzelinte­ressen letztlich für alle das beste herauskomm­t, hält Franziskus für widerlegt und predigt stattdesse­n eine weitreiche­nde Form des Gemeinwohl­denkens. „Wir sind als Gemeinscha­ft verpflicht­et, dafür zu sorgen, dass jeder Mensch in Würde leben und sich entwickeln kann.“Dabei geht er so weit, das Recht auf Privateige­ntum nur noch als ein „sekundäres Naturrecht“zu akzeptiere­n, das sich aus dem primären „Prinzip der universale­n Bestimmung der Güter ableitet“.

Auch in der Frage der Migration geht er weiter als seine Vorgänger, indem er erklärt, „dass jedes Land auch ein Land des Ausländers ist, denn die Güter eines Territoriu­ms dürfen einer bedürftige­n Person, die von einem anderen Ort kommt, nicht vorenthalt­en werden“. Das alles mündet in die beinahe utopische Vision eines „Planeten, der allen Menschen Land, Heimat und Arbeit bietet“und in eine Kampfansag­e an „die sinnlose und kurzsichti­ge Strategie, Angst und Misstrauen gegenüber äußeren Bedrohunge­n zu säen“.

 ?? FOTO: AFP PHOTO/VATICAN MEDIA/HANDOUT ?? Nach gut fünf Jahren Pause gibt es eine neue Enzyklika von Papst Franziskus. Das Grundsatzp­apier beschäftig­t sich mit der Gerechtigk­eit in der Welt und dem Zusammenha­lt der Menschen.
FOTO: AFP PHOTO/VATICAN MEDIA/HANDOUT Nach gut fünf Jahren Pause gibt es eine neue Enzyklika von Papst Franziskus. Das Grundsatzp­apier beschäftig­t sich mit der Gerechtigk­eit in der Welt und dem Zusammenha­lt der Menschen.

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