Kein Southside, kein Schützenfest
Der Sommer 2020 wird coronabedingt um etliche liebgewonnene Feste und Festivals ärmer werden
- Ab wann ist eine Veranstaltung groß? Derlei Fragen wird die Landesregierung an diesem Freitag in einer überarbeiteten Rechtsverordnung beantworten, die den schrittweisen Ausstieg aus den Corona-Beschränkungen regelt. Klar ist schon jetzt: Etliche lieb gewordene Feste und Festivals werden die Baden-Württemberger im Sommer 2020 missen müssen. Das Großveranstaltungsverbot bis 31. August trifft aber auch die Veranstalter hart. Ein Überblick:
Biberach, Schützenfest: Ein Schützenfest in seiner gewohnten Form wird es – erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs – vom 17. bis 26. Juli nicht geben. „Auch wir halten uns an geltendes Recht“, sagt Rainer Fuchs, Vorsitzender der Stiftung Schützendirektion. Mit Hoffnung aufs Spätjahr? „Unser nächster Stichtag ist jetzt der 31. August.“Vielleicht sei irgendwann danach eine bestimmte Form der Feier doch noch möglich. „Wir klammern uns da an jeden Strohhalm.“
Bopfingen, Ipfmesse: Betroffen auf der Ostalb ist auch das größte Volksfest der Region, die Bopfinger Ipfmesse, mit jährlich fast 300 000 Besuchern. Konzerte, Rummelplatz, Krämermarkt, Gewerbeschau und Festzelt hätten vom 5. bis 9. Juli gelockt. Bopfingens Bürgermeister Gunter Bühler (CDU) bedauert besonders Schausteller und Händler, die in dieser Saison keinerlei Einkünfte hätten.
Friedrichshafen, Interkulturelles Stadtfest, Seehasenfest, Kulturufer:
Am Donnerstagnachmittag sagte die Stadt Friedrichshafen Interkulturelles Stadtfest (4. und 5. Juli), Seehasenfest (15. bis 19. Juli) und Kulturufer mit Straßenkunst, Konzerten und Kunsthandwerkermarkt (31. Juli bis 9. August) ab. „Es ist das erste Mal, dass wir auf das Seehasenfest, das seit 1949 jährlich stattfindet, verzichten müssen“, erklärte Oberbürgermeister Andreas Brand (FW). Die Erstklässler treffe das besonders, so Brand. „Es wird aber auf jeden Fall einen Hasenklee geben – dafür werden wir sorgen.“
Neuhausen ob Eck, Southside Festival: „Es schmerzt. Und zwar richtig doll.“So steht’s auf southside.de. Statt Rise Against, Seeed oder Deichkind eine Absage – es wird sehr ruhig sein im take-off-Gewerbepark vom 19. bis 21. Juni. Veranstalter FKP Scorpio erklärte durch Geschäftsführer Stephan Thanscheidt: „Für viele sind unsere
Festivals lang herbeigesehnte Höhepunkte des Jahres.“Gerade aber erschienen sie „dennoch ganz klein“.
Ravensburg, Rutenfest: Bereits im März wurden die Vorbereitungen zu Ravensburgs größtem Volksfest, das vom 24. bis 28. Juli geplant war, vorerst ausgesetzt. Es wird damit gerechnet, dass das Rutenfest komplett abgesagt wird, sobald die Landesregierung die Definition von Großveranstaltungen konkretisiert hat. Die Traditionsveranstaltung, deren Ursprung im 17. Jahrhundert liegt, ist bislang nur in Kriegszeiten ausgefallen und 1938, als die Maul- und Klauenseuche grassierte.
Bad Saulgau, Bächtlefest; Sigmaringen, Stadtfest: „Das tut weh“, sagt Richard Frey, Präsident des Bürgerausschusses, über die Absage des Bad Saulgauer Bächtlefests vom 16. bis 20. Juli, es ist die erste nach dem Zweiten
Weltkrieg. Frey hatte bis zuletzt auf eine Lockerung bis zum Beginn des Kinder- und Heimatfests gehofft, muss aber den Entschluss hinnehmen. Wenigstens wurden noch keine großen Kosten verursacht, bis auf Bändel und Plaketten für die Festbesucher. Das Sigmaringer Stadtfest, das am 27. und 28. Juni stattfinden sollte, ist von der Entscheidung auch betroffen. Nun stellt Sigmaringen Überlegungen an, das Stadtfest mit dem Fest der Kulturen am 18. Oktober zu kombinieren.
Tuttlingen, Honberg-Sommer: Der Veranstalter des Festivals (10. bis 26. Juli), die Tuttlinger Hallen, will den Wortlaut der Rechtsverordnung abwarten, ehe er sich dezidiert äußert.
Ulm, Schwörmontag: Trauer herrscht auch in Ulm. Für viele Tausend Bürger, Gäste und Besucher stellt der Schwörmontag – in diesem Jahr am 20. Juli – den Höhepunkt des Jahres dar. Traditionell und angeblich bereits seit dem 14. Jahrhundert schwört der Ulmer Oberbürgermeister an diesem Tag den Bürgern, ihnen „ein gemeiner Mann zu sein“– dann wird gefeiert. Am bekanntesten ist das „Nabada“, bei dem Tausende auf der Donau paddeln. Das fällt nun ebenso ins Wasser wie das bereits ausverkaufte Konzert von Mark Forster auf dem Münsterplatz. Auch die Lichterserenade, bei der die Donau am Samstag zuvor mittels Tausender Leuchten in ein Lichtermeer verwandelt wird, ist gestrichen. Kleiner Trost: Auf den Schwur will OB Gunter Czisch (CDU) nicht verzichten. Womöglich wird der Eid vom Balkon des Schwörhauses digital übertragen.