Warten auf die Regierung
Der Profifußball schmiedet Pläne zum Neustart, muss aber auf die Politik hoffen – und auf Schnelltests
(SID) - Die wichtigsten Worte für die deutschen Fußball-Profis verbergen sich weit oben auf Seite drei. Schwarz auf weiß steht dort als Empfehlung der renommierten Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina, dass „sportliche Veranstaltungen nach und nach wieder ermöglicht werden“sollten. Bundesliga also schon im Mai? Jein. Der Rat der Experten enthält nämlich einen Zusatz.
Denn die in Aussicht gestellten Lockerungen der Corona-Einschränkungen sollen „in Abhängigkeit von der möglichen räumlichen Distanz und den Kontaktintensitäten der Beteiligten“geprüft werden. Auslegungssache also für Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten, die am Mittwoch ihren weiteren Krisenplan diskutieren werden – und dabei auch ganz sicher den von Merkel als „sehr wichtig“eingestuften Rat der Leopoldina berücksichtigen.
Wie dieser ausgelegt wird, ist entscheidend. Sind die „Beteiligten“vor allem Spieler? Dann ist die Debatte über einen Restart der Bundesliga Anfang Mai schnell beendet – und jeder Teamsport bis auf Weiteres wohl undurchführbar. Wenn damit aber vor allem Zuschauer und Personen gemeint sind, die den Ablauf des Spielbetriebs gewährleisten, darf gehofft werden. Denn für Spiele unter solch einem Szenario arbeitet die Deutsche Fußball Liga Tag und Nacht an einem Plan.
„Wir werden bereit sein“, versprach DFL-Chef Christian Seifert, stellte aber klar: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, der Fußball ignoriere in seiner Selbstbezogenheit die Realität.“Diese wird vor allem von Politikern geformt. Spiele mit Fans sind dabei ausgeschlossen.
Dass Leopoldina-Präsident Gerald Haug in der ARD von vollen Stadien erst „in eineinhalb Jahren“sprach, dürfte die DFL und die Chefs der 36 Proficlubs wohl nur kurz erschreckt haben. Ihnen geht es bei der virtuellen Mitgliederversammlung, die für Freitag geplant war und nun auf den 23. April verschoben wurde, in erster Linie um die reine Fortsetzung der Saison und um die 770 Millionen Euro TV-Einnahmen, die bei einem Saisonabbruch verloren gehen könnten.
Trotz der drohenden Pleitewelle ist ein zeitnaher Wiederbeginn umstritten. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) etwa sieht den Ball „vielleicht absehbar“wieder rollen und hofft auf einen Konsens der Bundesländer mit Blick auf die angestrebten „Geisterspiele“. Der
Bremer Innensenator Ulrich Mäurer hingegen ist skeptisch. „Ich bin weiter der Auffassung, dass das keine gute Idee ist“, sagte der SPD-Politiker, der damit seine gewohnt kritische Haltung zum Profifußball untermauerte.
Mitentscheidend dürfte sein, wie der Fußball garantieren kann, dass durch die Spiele keine Ansteckungsgefahr besteht und es keinen negativen Effekt in der Gesellschaft geben wird. DFL-Präsidiumsmitglied Alexander
Wehrle verwies auf die DFL-Taskforce unter der Leitung von Nationalteamarzt Tim Meyer. „Sie muss sich genau mit diesen systemkritischen und gesellschaftsrelevanten Fragestellungen auseinandersetzen“, sagte Wehrle.
Für tragfähige Lösungen (Stichwort: Schnelltests) stehen derzeit noch zu viele Fragen im Raum. Diese reichen von den vorrangigen Gesundheitsaspekten über die Auswahl von Spielorten bis hin zu den Sicherheitsvorkehrungen. Alles steht und fällt mit den Vorgaben der Politik, die in erster Linie über die schrittweise Öffnung von Schulen und Lockerungen auf gewerblicher Ebene nachdenken dürfte.
Sportdirektor Simon Rolfes von Bayer Leverkusen verteidigte die Pläne der DFL: „Es ist unsere Pflicht als Verantwortliche der Liga zu schauen, wie es weitergeht. So passiert es bei anderen Konzernen oder dem Restaurant um die Ecke auch. Man überlegt, wie geht es weiter, um Arbeitsplätze zu sichern“, sagte Rolfes. Fußball sei „keine reine Unterhaltung – man darf nicht vergessen, dass über 65 000 Arbeitsplätze an der Bundesliga hängen, die nicht nur auf die Profis reduziert werden darf“, so der 38-Jährige. Fußball sei „die Existenzgrundlage für viele Menschen in Deutschland“.