Kurzarbeit nimmt deutlich zu
Genaue Zahlen liegen noch nicht vor – Geschäft mit China scheint wieder anzuziehen
Folgen der Corona-Krise in Betrieben und Gemeinden zeichnen sich ab.
- Ein deutlicher Anstieg der Kurzarbeiterzahlen ist eine der Folgen der Corona-Krise auch im Bereich der hiesigen Arbeitsagentur. Doch zeichnet sich insofern bei einzelnen Firmen der sprichwörtliche „Silberstreif am Horizont“ab, als das ChinaGeschäft in einigen Betrieben wieder anzuziehen scheint. Die Gemeinden müssen derweil mit deutlich geringeren Gewerbesteuereinnahmen auskommen.
Nach einer vorläufigen Sonderauswertung vom 1. April haben auf Agenturebene (also in den drei Landkreisen Tuttlingen, Rottweil und Schwarzwald-Baar) rund 3100 Firmen Kurzarbeit angezeigt. Allerdings kann es sein, dass dabei einige Zweifach- oder Mehrfachmeldungen ein und desselben Betriebs dabei sind, so Elena Niggemann, Sprecherin der Agentur für Arbeit RottweilVillingen-Schwenningen. Denn manche Firmen nutzen teilweise mehrere Kanäle gleichzeitig, um Kurzarbeit anzumelden, und melden zum Beispiel sowohl telefonisch als auch per E-Mail und werden dann zunächst mehrfach gezählt. Wie viele Firmen es also genau sind, und vor allem, wie viele Beschäftigte dann tatsächlich betroffen sind, wird noch ausgewertet „– eine Anzeige auf Kurzarbeit kann von einem kleinen Handwerksbetrieb mit wenigen Mitarbeitern oder von einem Großunternehmen mit hunderten Mitarbeitern eingereicht werden. Das Ausmaß der Kurzarbeit hängt davon ab, wie viele Anzeigen tatsächlich realisiert werden und wie viele Mitarbeiter dann tatsächlich betroffen sein werden.“Jedenfalls, so Niggemann, ist „die Zahl der Anzeigen auf Kurzarbeit, die aufgrund der aktuellen Lage eingehen, rasant gestiegen“.
Zum Vergleich: Im Januar 2019 hatten zehn Betriebe auf Agenturebene Kurzarbeit gemeldet. Ende August 2019 waren es dann gut 70 Betriebe, Ende November schon 76 Betriebe, wobei aber die Zahl der kurzarbeitenden Arbeitnehmer im Bezirk dennoch auf 793 gesunken war, gegenüber 1850 Arbeitnehmern, die im August betroffen waren. Im Januar 2020 waren es auf Agenturebene 43 Betriebe, davon elf im Landkreis Tuttlingen. Die Kurzarbeitermeldungen sind also auch in den Monaten vor Corona bereits angestiegen, nehmen jetzt aber explosionsartig zu, auch wenn die genauen Zahlen noch nicht vorliegen.
Besonders auf dem Heuberg mit vielen metallverarbeitenden Betrieben und Automobilzuliefern macht sich die Krise in den Gemeinden bemerkbar. So geht etwa Gosheims Bürgermeister André Kielack davon aus, dass „die große Mehrzahl der Firmen bei uns im Ort Kurzarbeit gemeldet hat.“Genaue Zahlen liegen ihm aber nicht vor. Es gab aber auch schon vor Corona Betriebe in Gosheim, die – zumindest in einzelnen Produktbereichen – Kurzarbeit angemeldet hatten, weiß Kielack. Dabei käme es nicht zuletzt auf die Branche und die Struktur der jeweiligen Firma an: „Einige unserer Drehteilehersteller sind breit aufgestellt und produzieren für Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, Automotive und andere Bereiche. Wer dagegen auf Automotive spezialisiert ist, steht vor einer schwierigen Situation.“
„Ganz schlimm“sei aber vor allem die Situation für Einzelhändler oder Dienstleister. Viele seien aber auch „kreativ unterwegs“und versuchten mit Webshops oder Gutscheinen das beste draus zu machen.
Bei einzelnen Gosheimer Firmen käme aber von ganz anderer Seite ein Hoffnungsschimmer her, so Kielack: „Es gibt ein paar größere Betriebe die mir signalisieren, dass das ChinaGeschäft schon wieder ordentlich angezogen hat.“
Dass die Aufträge aus China wieder anziehen, bestätigt auch Aldingens Bürgermeister Ralf Fahrländer für seine Gemeinde. Auch er stellt fest, dass Firmen im Ort je nach Branche recht unterschiedlich betroffen sind: „Es gibt Firmenparkplätze, die sind leer, auch in unserer Gemeinde.“Konkrete Zahlen über Kurzarbeit liegen auch ihm nicht vor. Von drohenden Insolvenzen im Ort habe er nichts gehört. Bei der Gewerbesteuer für 2020 habe Aldingen schon bei der Aufstellung des Haushaltsplans
bewusst zurückhaltend geplant mit 4,5 Millionen Euro. Wie weit auch dieser Plan unterschritten wird, wird sich zeigen, wenn die Firmen beim Finanzamt ihre Gewinne anmelden.
Gosheim ist die Gemeinde mit dem größten Pro-Kopf-Anteil an Gewerbesteuer. Aufgrund der aktuellen Zahlen ist hier die Planung derzeit um 100 000 Euro nach unten korrigiert worden. „Bei einem Gesamtaufkommen von 17 Millionen Euro ist das noch nicht arg viel“, so Bürgermeister André Kielack, „aber ich gehe nicht davon aus, dass es dabei bleiben wird.“Kielack hat seine Gemeinderäte informiert, dass er derzeit mit einem Drittel bis 40 Prozent weniger Gewerbesteuer für 2020 rechnet.
Sollte es so kommen, so könnte die Gemeinde die im Haushalt vorgesehenen Projekte dennoch realisieren, zeigt sich Kielack im Gespräch mit unserer Zeitung zuversichtlich. Sollte dagegen der Gewerbesteuerausfall höher sein oder länger andauern, dann müsse auch in Gosheim die eine oder andere Investition geschoben werden.
Auch Aldingen hat in diesem und den kommenden Jahren mit der Neugestaltung der Ortsmitte und dem Neubau des Rathauses Größeres vor. Dafür hat die Gemeinde erst vor ein paar Tagen einen Zuschuss des Landes von 700 000 Euro für die Erneuerung der Ortsmitte und 270 000 Euro für das Einzelvorhaben Gemeindebücherei erhalten. „Es gibt ja die Devise“, so Bürgermeister Fahrländer,
„dass die öffentliche Hand sich antizyklisch verhalten soll“- sprich: gerade in Krisenzeiten investieren sollte, um die Wirtschaft anzukurbeln. „Aber die Entscheidung überlasse ich natürlich dem Gemeinderat.“
Die Gemeinde Deilingen hatte schon Anfang 2020, als der Haushalt geplant wurde, angesichts rückläufiger Aufträge in den Deilinger Industrieunternehmen den Ansatz der Gewerbesteuer von 1,1 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 0,9 Millionen Euro für 2020 reduziert. Jetzt rechne man mit „deutlich weniger“, so Bürgermeister Albin Ragg. Mehr Sorge als die aktuelle Coronakrise bereiten ihm allerdings langfristige strukturelle Änderungen etwa bei der Automobil-Industrie: Elektromotoren zum Beispiel benötigten weit weniger spezialisierte und technisierte Teile als etwa Dieselmotoren.
In Bubsheim sind Bürgermeister Thomas Leibinger derzeit drei Firmen bekannt, die – aber nur für bestimmte Abteilungen – Kurzarbeit angemeldet haben. Bei der Gewerbesteuer rechnet die Bubsheimer Verwaltung mit „zirka 300 000 Euro unter dem, was wir für dieses Jahr eigentlich geplant hätten.“Aber auch das können nur vorläufige Zahlen sein.
„Aktuell hoffe, ich dass es keine Insolvenzen gibt“, so Leibinger. „Unsere Unternehmen haben aus der Finanzkrise von 2008 gelernt und stehen nicht so mit dem Rücken zur Wand. Aber das hängt auch davon ab, wie lange die Krise noch andauern wird.“