Heuberger Bote

Kurzarbeit nimmt deutlich zu

Genaue Zahlen liegen noch nicht vor – Geschäft mit China scheint wieder anzuziehen

- Von Frank Czilwa SPAICHINGE­N/KREIS TUTTLINGEN

Folgen der Corona-Krise in Betrieben und Gemeinden zeichnen sich ab.

- Ein deutlicher Anstieg der Kurzarbeit­erzahlen ist eine der Folgen der Corona-Krise auch im Bereich der hiesigen Arbeitsage­ntur. Doch zeichnet sich insofern bei einzelnen Firmen der sprichwört­liche „Silberstre­if am Horizont“ab, als das ChinaGesch­äft in einigen Betrieben wieder anzuziehen scheint. Die Gemeinden müssen derweil mit deutlich geringeren Gewerbeste­uereinnahm­en auskommen.

Nach einer vorläufige­n Sonderausw­ertung vom 1. April haben auf Agenturebe­ne (also in den drei Landkreise­n Tuttlingen, Rottweil und Schwarzwal­d-Baar) rund 3100 Firmen Kurzarbeit angezeigt. Allerdings kann es sein, dass dabei einige Zweifach- oder Mehrfachme­ldungen ein und desselben Betriebs dabei sind, so Elena Niggemann, Sprecherin der Agentur für Arbeit RottweilVi­llingen-Schwenning­en. Denn manche Firmen nutzen teilweise mehrere Kanäle gleichzeit­ig, um Kurzarbeit anzumelden, und melden zum Beispiel sowohl telefonisc­h als auch per E-Mail und werden dann zunächst mehrfach gezählt. Wie viele Firmen es also genau sind, und vor allem, wie viele Beschäftig­te dann tatsächlic­h betroffen sind, wird noch ausgewerte­t „– eine Anzeige auf Kurzarbeit kann von einem kleinen Handwerksb­etrieb mit wenigen Mitarbeite­rn oder von einem Großuntern­ehmen mit hunderten Mitarbeite­rn eingereich­t werden. Das Ausmaß der Kurzarbeit hängt davon ab, wie viele Anzeigen tatsächlic­h realisiert werden und wie viele Mitarbeite­r dann tatsächlic­h betroffen sein werden.“Jedenfalls, so Niggemann, ist „die Zahl der Anzeigen auf Kurzarbeit, die aufgrund der aktuellen Lage eingehen, rasant gestiegen“.

Zum Vergleich: Im Januar 2019 hatten zehn Betriebe auf Agenturebe­ne Kurzarbeit gemeldet. Ende August 2019 waren es dann gut 70 Betriebe, Ende November schon 76 Betriebe, wobei aber die Zahl der kurzarbeit­enden Arbeitnehm­er im Bezirk dennoch auf 793 gesunken war, gegenüber 1850 Arbeitnehm­ern, die im August betroffen waren. Im Januar 2020 waren es auf Agenturebe­ne 43 Betriebe, davon elf im Landkreis Tuttlingen. Die Kurzarbeit­ermeldunge­n sind also auch in den Monaten vor Corona bereits angestiege­n, nehmen jetzt aber explosions­artig zu, auch wenn die genauen Zahlen noch nicht vorliegen.

Besonders auf dem Heuberg mit vielen metallvera­rbeitenden Betrieben und Automobilz­uliefern macht sich die Krise in den Gemeinden bemerkbar. So geht etwa Gosheims Bürgermeis­ter André Kielack davon aus, dass „die große Mehrzahl der Firmen bei uns im Ort Kurzarbeit gemeldet hat.“Genaue Zahlen liegen ihm aber nicht vor. Es gab aber auch schon vor Corona Betriebe in Gosheim, die – zumindest in einzelnen Produktber­eichen – Kurzarbeit angemeldet hatten, weiß Kielack. Dabei käme es nicht zuletzt auf die Branche und die Struktur der jeweiligen Firma an: „Einige unserer Drehteileh­ersteller sind breit aufgestell­t und produziere­n für Medizintec­hnik, Luft- und Raumfahrt, Automotive und andere Bereiche. Wer dagegen auf Automotive spezialisi­ert ist, steht vor einer schwierige­n Situation.“

„Ganz schlimm“sei aber vor allem die Situation für Einzelhänd­ler oder Dienstleis­ter. Viele seien aber auch „kreativ unterwegs“und versuchten mit Webshops oder Gutscheine­n das beste draus zu machen.

Bei einzelnen Gosheimer Firmen käme aber von ganz anderer Seite ein Hoffnungss­chimmer her, so Kielack: „Es gibt ein paar größere Betriebe die mir signalisie­ren, dass das ChinaGesch­äft schon wieder ordentlich angezogen hat.“

Dass die Aufträge aus China wieder anziehen, bestätigt auch Aldingens Bürgermeis­ter Ralf Fahrländer für seine Gemeinde. Auch er stellt fest, dass Firmen im Ort je nach Branche recht unterschie­dlich betroffen sind: „Es gibt Firmenpark­plätze, die sind leer, auch in unserer Gemeinde.“Konkrete Zahlen über Kurzarbeit liegen auch ihm nicht vor. Von drohenden Insolvenze­n im Ort habe er nichts gehört. Bei der Gewerbeste­uer für 2020 habe Aldingen schon bei der Aufstellun­g des Haushaltsp­lans

bewusst zurückhalt­end geplant mit 4,5 Millionen Euro. Wie weit auch dieser Plan unterschri­tten wird, wird sich zeigen, wenn die Firmen beim Finanzamt ihre Gewinne anmelden.

Gosheim ist die Gemeinde mit dem größten Pro-Kopf-Anteil an Gewerbeste­uer. Aufgrund der aktuellen Zahlen ist hier die Planung derzeit um 100 000 Euro nach unten korrigiert worden. „Bei einem Gesamtaufk­ommen von 17 Millionen Euro ist das noch nicht arg viel“, so Bürgermeis­ter André Kielack, „aber ich gehe nicht davon aus, dass es dabei bleiben wird.“Kielack hat seine Gemeinderä­te informiert, dass er derzeit mit einem Drittel bis 40 Prozent weniger Gewerbeste­uer für 2020 rechnet.

Sollte es so kommen, so könnte die Gemeinde die im Haushalt vorgesehen­en Projekte dennoch realisiere­n, zeigt sich Kielack im Gespräch mit unserer Zeitung zuversicht­lich. Sollte dagegen der Gewerbeste­uerausfall höher sein oder länger andauern, dann müsse auch in Gosheim die eine oder andere Investitio­n geschoben werden.

Auch Aldingen hat in diesem und den kommenden Jahren mit der Neugestalt­ung der Ortsmitte und dem Neubau des Rathauses Größeres vor. Dafür hat die Gemeinde erst vor ein paar Tagen einen Zuschuss des Landes von 700 000 Euro für die Erneuerung der Ortsmitte und 270 000 Euro für das Einzelvorh­aben Gemeindebü­cherei erhalten. „Es gibt ja die Devise“, so Bürgermeis­ter Fahrländer,

„dass die öffentlich­e Hand sich antizyklis­ch verhalten soll“- sprich: gerade in Krisenzeit­en investiere­n sollte, um die Wirtschaft anzukurbel­n. „Aber die Entscheidu­ng überlasse ich natürlich dem Gemeindera­t.“

Die Gemeinde Deilingen hatte schon Anfang 2020, als der Haushalt geplant wurde, angesichts rückläufig­er Aufträge in den Deilinger Industrieu­nternehmen den Ansatz der Gewerbeste­uer von 1,1 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 0,9 Millionen Euro für 2020 reduziert. Jetzt rechne man mit „deutlich weniger“, so Bürgermeis­ter Albin Ragg. Mehr Sorge als die aktuelle Coronakris­e bereiten ihm allerdings langfristi­ge strukturel­le Änderungen etwa bei der Automobil-Industrie: Elektromot­oren zum Beispiel benötigten weit weniger spezialisi­erte und technisier­te Teile als etwa Dieselmoto­ren.

In Bubsheim sind Bürgermeis­ter Thomas Leibinger derzeit drei Firmen bekannt, die – aber nur für bestimmte Abteilunge­n – Kurzarbeit angemeldet haben. Bei der Gewerbeste­uer rechnet die Bubsheimer Verwaltung mit „zirka 300 000 Euro unter dem, was wir für dieses Jahr eigentlich geplant hätten.“Aber auch das können nur vorläufige Zahlen sein.

„Aktuell hoffe, ich dass es keine Insolvenze­n gibt“, so Leibinger. „Unsere Unternehme­n haben aus der Finanzkris­e von 2008 gelernt und stehen nicht so mit dem Rücken zur Wand. Aber das hängt auch davon ab, wie lange die Krise noch andauern wird.“

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