Scholz kündigt Konjunkturprogramm an
Bund rechnet mit Rezession und will gegensteuern – Ökonomen vermissen Strategie
(dpa/ben) Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier rechnet infolge der Corona-Krise mit einem Konjunktureinbruch in Deutschland. Der CDU-Politiker ist aber überzeugt, dass die Wirtschaft nach der Pandemie wieder „durchstarten“werde. „Wir müssen mit tiefen Einschnitten beim Wirtschaftswachstum rechnen“, sagte er am Donnerstag in Berlin. Diese könnten stärker ausfallen als in der Finanzkrise 2009, als das Bruttoinlandsprodukt
um 5,7 Prozent zurückgegangen war. Diesmal könnten es mehr als acht Prozent werden.
Nach der Krise werde die Regierung mit einem Konjunkturprogramm die Weichen für den Wiederaufschwung stellen, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD). „Wir wollen sicherstellen, dass – wenn wir die Gesundheitskrise bewältigt haben, wenn wir die Arbeitsplätze, die Unternehmen gesichert haben, wenn es wieder aufwärts geht – das auch unterstützt wird mit konjunkturellen Maßnahmen“, so Scholz.
Derweil geht die Debatte über eine Exit-Strategie weiter, viele Ökonomen vermissen einen Plan der Regierung. Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Wir brauchen für den Tag X einen Plan und die Voraussetzungen. Doch es gibt nicht einmal eine Taskforce, die das vorbereitet.“
- Es ist eine harte Geduldsprobe für Bürger und Unternehmen und eine schwierige Entscheidung für die Politik: Wann und wie kommt Deutschland aus den beispiellosen Corona-Beschränkungen für den Alltag der Gesellschaft, für Arbeitsplätze und die Wirtschaft wieder heraus? So schnell wie möglich fordert LBBWChefvolkswirt Uwe Burkert im Gespräch mit Andreas Knoch und skizziert, wie ein solcher Exit aussehen könnte.
Herr Burkert, wie lange kann eine Volkswirtschaft wie die Deutsche im Ausnahmezustand verharren?
Zwei Monate vielleicht, danach tut’s aber richtig weh. Und zwar nicht nur der Wirtschaft sondern auch den Staatsfinanzen. Nicht alle Volkswirtschaften stehen so gut da wie die Deutsche. Wenn wir nicht aufpassen schlittert Europa in eine erneute Staatsschuldenkrise wie wir sie vor zehn Jahren erlebt haben. Es kommt jetzt darauf an, die Zeit des Shutdowns intensiv zu nutzen um dann das öffentliche Leben wieder hochzufahren.
Was ist Ihrer Meinung nach zu tun?
Die Infektion sollte kurzfristig mit aller Konsequenz eingedämmt werden. Zentraler Punkt sind Tests. Je mehr getestet wird um so klarer lässt sich die Lage und das Gefährdungspotenzial einschätzen und gegensteuern. Südkorea macht es uns vor: Dem Land ist es durch massenhafte Tests gelungen, die Pandemie regional einzugrenzen. Die Produktion in anderen Landesteilen läuft weiter.
Ist das in Deutschland umsetzbar?
Die Produktion von Test-Kits muss jetzt oberste Priorität haben. Eine Rückkehr an die Arbeitsplätze sollte dann in die Wege geleitet werden, wenn die Zahl der Gesundeten die der Neuinfizierten deutlich und verlässlich übersteigt. Zunächst sollte sich die Rückkehr auf getestete Personen beschränken. Bei positivem Test von Mitarbeiter ist, wie bisher auch, eine Quarantäne notwendig. Damit hat aber der Betrieb eine klare Zeitvorgabe, nämlich 14 Tage – und eine klare Vorgabe, wie lange er Notunterstützung benötigt. Bei negativem Test ist ein sofortiges Wiedereröffnen möglich, allerdings mit besonderen Hygienevorschriften. Kritisch bleibt der Weg zur Arbeit. Deshalb braucht jeder Deutsche Atemschutzmasken.
Spielt das Wiederhochfahren der Wirtschaft bei den EntscheidungsKann
trägern in der Politik zurzeit überhaupt eine Rolle?
Nicht die, die es spielen sollte. Wir brauchen für den Tag X einen Plan und die Voraussetzungen. Doch es gibt nicht einmal eine Taskforce, die das vorbereitet. Keiner hat eine Vorstellung, wie sich das alles wieder auflösen lässt. Das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens und der Produktion ist nur relativ kurzzeitig möglich. Spätestens wenn echte Versorgungsengpässe auftreten steht zu befürchten, dass die Kontaktsperren nicht mehr eingehalten werden. Wir müssen so schnell wie möglich das öffentliche Leben wieder normalisieren.
man die Gesundheit von Menschen, in letzter Konsequenz Menschenleben, mit der wirtschaftlichen Gesundheit aufrechnen?
Nein, das kann man natürlich nicht.
Wie wird die Wirtschaftswelt nach dem Tag X aussehen?
Es wird sich kein Schleier lüften und alles wird wie vorher sein. Es wird Zeit brauchen – ähnlich einer betrieblichen Wiedereingliederung eines Mitarbeiters nach einer langen Krankheit. Ein kompletter Stopp der wirtschaftlichen Aktivitäten, wie wir ihn zurzeit erleben, ist für eine Volkswirtschaft so ziemlich das Schlimmste was es gibt.
Was heißt das in Zahlen? Wie scharf wird die Wirtschaftsleistung einbrechen?
Ein Rückgang von vier Prozent der Wirtschaftsleistung pro Monat des Stillstands halte ich für realistisch. In unserer aktuellen Prognose antizipieren wir einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr von sieben Prozent.
Machen Sie uns wenigstens Hoffnung auf eine Erholung im kommenden Jahr?
Ein so scharfer Einbruch wird natürlich Aufholeffekte nach sich ziehen, die das größtenteils kompensieren. Ein Wachstum von fünf, sechs Prozent im kommenden Jahr ist nicht unrealistisch. Es basiert allerdings auch auf der deutlich geringeren Wirtschaftsleistung des Vorjahres.
Was sind die größten Gefahren beim Wiederanlaufen der Wirtschaft?
Dass es unkoordiniert zugeht. Dass die Produktion hochfährt und die Nachfrage fehlt. Das muss alles Hand in Hand gehen. Das Wiederanfahren einer Volkswirtschaft ist umso schwieriger, je abgebremster diese ist. Vorhandene Kapazitäten lassen sich schneller wieder aktivieren als abgebaute. Ein Risiko ist auch, dass es an Geld mangelt, um den Aufschwung zu finanzieren. Die Notfallpakete von Regierungen und Notenbanken kämpfen dagegen an. Auch gibt es für Banken eine Reihe von regulatorischen Erleichterungen, die ich in der Schnelle nicht für möglich gehalten hätte. Ich hoffe, das reicht.
Welche Erleichterungen meinen Sie?
Eigenkapitalvorschriften sind ausgesetzt und Stresstests verschoben worden. Zudem gibt es Erleichterungen bei der Bilanzierung und der Behandlung von in Not geratenen Krediten. Und auch das Insolvenzrecht ist temporär an die Corona-Krise angepasst worden. Die reguläre Antragspflicht von drei Wochen ist bis Ende September aufgehoben. Hinzu kommen die Möglichkeit der Kurzarbeit, die viele Firmen bei den Personalkosten entlastet, und die Soforthilfen für Selbstständige und Kleinunternehmer. Das alles hilft. Doch eines muss uns bewusst sein: Die Rückfallgefahr, wenn es wieder normal läuft, ist groß.