Kürzerer Prozess in Sicht
Einige der neun Angeklagten im Drogenprozess könnten glimpflich davonkommen
Nach dem gestrigen Verhandlungstag im Prozess um bandenmäßigen, bewaffneten Drogenhandel vor dem Landgericht Rottweil klären sich die Fronten immer mehr. Alles deutet darauf hin, dass nicht die fest terminierten 41 Verhandlungstage bis zum kommenden Mai benötigt werden, sondern dass es deutlich schneller geht und einige der neun Angeklagten verhältnismäßig glimpflich davonkommen könnten. Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, kündigte eine Erklärung für kommenden Dienstag an. Ob der Kronzeuge kommt oder nicht, das ist vor Beginn der Sitzung die große Frage, nachdem er am Vortag Symptome von Erschöpfung gezeigt hat (wir haben berichtet). Doch er kam. Nur reden will er nicht. „Er ist in die Verzweiflung gefallen und nicht vernehmungsfähig“, sagt sein Zeugenbeistand, ein Anwalt aus dem Kreis Tuttlingen.
Sein Mandant berichtet, er habe die ganze Nacht nicht geschlafen. „Das war eine tiefe Verletzung für mich!“, sagt er. Gemeint sind die Zeugenberichte über seine Partnerin, die ihn wohl über längere Zeit mit einem der Hauptangeklagten betrogen habe. Als kritische Fragen über seine Mittäterschaft aufkommen, sagt er empört: „Das hat doch nichts mit mir zu tun.“Richter Münzer daraufhin: „Da täuschen Sie sich.“Es gehe um die zentrale Frage, wieso er zur Polizei gegangen sei, dort die jetzigen Angeklagten beschuldigt und sich selbst als verdeckter Ermittler angeboten hatte. Als Münzer ihm gut zuredet und verspricht, die Sache mit seiner Partnerin vorerst außen vor zu lassen, lenkt der Mann, der sein Alter mit 52 Jahren und als seine Heimat Libanon angibt, dann doch ein. Er betont, dass er alle Aktionen auf Anweisung der Polizei in Freising (Bayern), wo er wohnte, gestartet habe. Und das auch in anderen Bundesländern. Das ist deshalb von Interesse, weil das Landeskriminalamt BadenWürttemberg seine Mitarbeit wegen der fragwürdigen Vergangenheit abgelehnt hatte.
Nach einer Verhandlungspause folgt das nächste Veto: Der Zeuge habe die ganze Zeit geweint, er könne nicht mehr, sagt sein Anwalt. Wieder gelingt Richter Münzer ein Umdenken: Sein Kollege Patrick Pommereinke hat die Befragung übernommen, und jetzt schildert der Kronzeuge flüssig über seine Sicht der Dinge. Verdeckte Ermittler, sagt er, hätten ihm tausende von Euro für Scheingeschäfte mit den Dealern zur Verfügung gestellt. Er berichtet von Geschäften in München, Schweinfurt, Neustadt an der Weinstraße, Stuttgart und Tuttlingen.
Vor allem geht es um den Angeklagten, der offenbare die zentrale Figur in diesem Fall ist und der eine Affäre mit seiner Partnerin gehabt haben soll. Er ist bisher auch der Einzige, der mit einer Waffe in Verbindung gebracht wird. Der Kronzeuge hatte bereits an einem der vergangenen Verhandlungstage erzählt, dieser habe nach eigenen Angaben seinen Schwiegervater erschossen. Jetzt erzählt er von einem Video, das ihm der Nebenbuhler gezeigt habe und auf dem zu sehen sei, wie ein Mann zuerst angeschossen und dann noch gefoltert worden sei bis er verstarb.
Überhaupt fällt auf, dass der Zeuge den mutmaßlichen Nebenbuhler aus Albanien jetzt noch stärker belastet als zu Beginn der Ermittlungen. So habe er bei allen Fahrten zu Drogendeals eine Pistole mitgeführt. Auch der Fall jenes Tuttlingers, der jüngst aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist (wir berichteten), kommt noch einmal zur Sprache. Dazu erklärt das Gericht, in einem wesentlichen Punkt hätten sich die Verdachtsmomente nicht bestätigt. Trotzdem bestehe in weiterer Anklagepunkten nach wie vor „dringender Tatverdacht“. Vom Kronzeugen kommt prompt eine entsprechende Bestätigung.
Er schildert ein Treffen in einem Tuttlinger Café, bei dem er in einem Scheingeschäft und in Anwesenheit des 43jährigen Mannes 60 Gramm Heroin für 3000 Euro gekauft habe. Der Beschuldigte, der zum ProzessAuftakt beteuert hatte, er habe niemals etwas mit Drogen zu tun gehabt, sei im Drogenkreis „Opa“(bei positiven Deals) oder „Zigeuner“(bei Problemen) genannt worden. Ingo Lenßen, einer seiner beiden Anwälte, kündigt gegen Ende des Prozesstages den Antrag an, das Verfahren gegen seinen Mandanten abzutrennen.
In einem anderen Fall fällt die Entscheidung nach Verhandlungsende: Die 1. Große Strafkammer hebt auch den Haftbefehl gegen die einzige Frau auf. Der Prozess wir am kommenden Dienstag um 9 Uhr fortgesetzt.