Pleite in Vorarlberg
Die Inhaber der Laupheimer Pharmafirma Rentschler schicken ihr Abfüllunternehmen in Rankweil in die Insolvenz
Vor einem Jahr hat die Laupheimer Unternehmerfamilie Rentschler in der österreichischen Marktgemeinde Rankweil ein komplett neues Werk für das aseptische Abfüllen von flüssigen und gefriergetrockneten biopharmazeutischen Arzneien eröffnet: die Rentschler Fill Solutions GmbH (RFS). Dieser Betrieb, vor wenigen Tagen in Impletio Wirkstoffabfüllung GmbH umbenannt, hat jetzt beim Landesgericht Feldkirch Konkursantrag gestellt. Das wirkt sich auch auf die Rentschler Biopharma SE in Laupheim aus, die im Kundenauftrag Biopharmazeutika entwickelt und herstellt.
Die Abfüllanlage in Rankweil in Vorarlberg gehöre zu den modernsten weltweit, hieß es bei der offiziellen Eröffnung im November 2018. Die Familie Rentschler hat mehrere tausend Quadratmeter Grund erworben und mehr als 30 Millionen Euro investiert. RFS trat als unabhängiges Unternehmen am Markt auf. Enge Verbindungen nach Oberschwaben bestanden gleichwohl über die Besitzverhältnisse hinaus. Bereits 2017 gaben RFS und Rentschler Biopharma eine strategische Partnerschaft bekannt. RFS sollte künftig exklusiv die in Laupheim hergestellten Wirkstoffe abfüllen, sofern die Kunden diesen Service wünschten. Zwei Spezialisten bieten der PharmaIndustrie Lösungen aus einer Hand, lautete das Geschäftsmodell. Darüber hinaus offerierte RFS seine Dienstleistungen auch einem eigenen Kundenstamm. Die Abfüllanlage ist für kleine bis mittelgroße Chargen mit bis zu 60 000 Fläschchen konzipiert, mit einer Jahreskapazität von bis zu 3,5 Millionen Stück. Im August 2018 erhielt RFS von der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit die – zunächst noch vorläufige – pharmazeutische Herstellungserlaubnis für den europäischen Markt und nahm den Betrieb auf. Ein Jahr später wurde diese Erlaubnis unbefristet erteilt, fast zeitgleich aber baute das Werk in Rankweil laut einem Bericht der „Vorarlberger Nachrichten“(VN) 19 von 59 Stellen ab.
Auffälligkeiten tauchen auf
Was ist passiert? Die Abfüllkapazitäten bei RFS wurden damals schrittweise hochgefahren, berichtet Cora Kaiser, Sprecherin von Rentschler Biopharma. Eine Inspektion durch Mitarbeiter der USamerikanischen Arzneimittelbehörde FDA stand an, als „Auffälligkeiten“und „Ungereimtheiten“bei der Validierung und Dokumentation entdeckt worden seien. Die Gesellschafter entsandten daraufhin Mitte August den Geschäftsführer von Rentschler Biopharma, Frank Mathias, nach Rankweil, wohl als eine Art Krisenmanager.
Mathias übernahm bis November die Geschäftsleitung und kam zu dem Schluss, dass die Probleme so gravierend waren, dass die Arbeit von RFS „nicht mit unseren Qualitätsansprüchen und auch nicht mit den strengen gesetzlichen Vorgaben vereinbar war“. Es gebe derzeit zwar keine Hinweise auf Produktmängel bei den abgefüllten Arzneien, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“, „wir können das aber auch nicht zu hundert Prozent ausschließen, weil die Dokumentation nicht wie vorgeschrieben lückenlos gewesen ist. Das muss extrem präzise gehandhabt werden.“
Sobald klar gewesen sei, dass der Betrieb nicht GMPkonform (Good Manufacturing Practice) arbeitet, „hat RFS die zuständige österreichische Behörde informiert und die Herstellerfreigabe für alle bis dahin produzierten Abfüllchargen zurückgezogen“, sagt Mathias. „Wir bei Rentschler Biopharma haben daraufhin unsere Kunden informiert.“Anfang November verhängte die Geschäftsleitung einen Produktions und Auslieferungsstopp. Vergangene Woche habe Rentscher Biopharma dann keine andere Möglichkeit mehr gesehen und den Kooperationsvertrag mit RFS gekündigt.
Bei Rentschler Biopharma wird jetzt mit Hochdruck daran gearbeitet, andere Abfüller für die Kundschaft zu finden. Die eigene aseptische Abfüllanlage in Laupheim hat das Unternehmen Ende Juni geschlossen, im Vertrauen darauf, dass Rankweil diesen Part wie vorgesehen termingerecht übernehmen würde. Aufgrund der jüngsten Entwicklung laufen nun Gespräche mit dem Regierungspräsidium Tübingen mit dem Ziel, die stillgelegte Anlage vorübergehend zu reaktivieren. Die Mitarbeiter, die sie früher bedient haben, sind noch im Haus. „Wir tun alles, um Engpässe bei der Medikamentenversorgung zu verhindern“, versichert Mathias. „Wir sprechen mit anderen Abfüllbetrieben und sind proaktiv auf unsere Kunden zugegangen. Jetzt sind wir guter Dinge, dass wir für jeden eine Lösung finden.“
Neustart „eher unwahrscheinlich“
In Rankweil hat sich die Lage in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt. Die Impletio Wirkstoffabfüllung GmbH, vormals Rentschler Fill Solutions, hat nach Informationen der VN vergangene Woche die verbliebenen 40 Mitarbeiter nach Hause geschickt. „Das Landesgericht Feldkirch hat das Insolvenzverfahren eröffnet“, bestätigte die zur Insolvenzverwalterin bestellte Rechtsanwältin Eva Müller aus Frastanz. Ihr Kenntnisstand entspreche dem, was österreichische Medien und Gläubigerschutzverbände melden: Demnach sind von der Insolvenz 44 Gläubiger betroffen und die Schulden von Impletio belaufen sich auf rund 28 Millionen Euro. Eva Müller hat die Schließung des Unternehmens beantragt, das Gericht habe dem stattgegeben – „seit Dienstag ist offiziell zu“. Das könne nun auf einen Ausverkauf hinauslaufen mit dem Ziel, eine möglichst hohe Quote für die Gläubiger zu erzielen. Aktuell halte sei einen Neustart von Impletio für „eher unwahrscheinlich.“