In freier Wildbahn
Über die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist wieder zu lesen, sie zerfleische sich selber. Nimmt man den kannibalischen Umgang mit ihrem Spitzenpersonal, trifft diese Diagnose zweifellos zu. Das Sprachbild ist aber schief. Denn wer verbindet mit heutigen Sozialdemokraten schon ein Raubtier, das zum Zerfleischen von was auch immer neigt? Und vom zahnlosen Tiger wollen wir erst gar nicht anfangen. Ohnehin liegt die Keimzelle der Sozialdemokratie weniger in der Serengeti denn bei deutschen Kleintierzüchtervereinen, die 50erJahre lassen grüßen. Der SPDBundestagsabgeordnete Johannes Kahrs weiß das noch. Deshalb besucht er regelmäßig Kaninchen und Geflügelschauen. „Ich liebe solche Termine“, sagte er der „FAZ“. Bei solchen Schauen seien viele Sozialdemokraten, mit denen er gut klarkomme. Was anderswo offenbar nicht der Fall ist. „Die Menschen dort machen immer klare Ansagen“, so Kahrs.
Und natürlich schätze er die ausgestellten Tiere. „Dabei lerne ich sehr viele Sachen, die man in der Berliner Blase nicht mitbekommt.“Zweifellos kann die SPD von den Nagern lernen. Etwa wie wichtig Streicheleinheiten für das Wohlbefinden sind. Wie es sich anfühlen würde, wenn die Grünen aus jedem Tag einen Veggietag machen. Und nicht zuletzt, dass es eigentlich leicht fällt, sich ganz dolle lieb zu haben, auch auf engstem Raum. Kahrs sagt: „Kaninchen helfen immer allen.“Anders sieht es aus, wenn jemand vergisst, die Stalltür zu schließen. Dann hoppeln die Kaninchen panisch durcheinander in die freie Wildbahn. Und dort gibt es auch Raubtiere.