Sexueller Missbrauch im Sport: Doppelt so viele Fälle wie in der Kirche
Erschreckende Ergebnisse einer Studie der Uniklinik Ulm – Experte fordert mehr Schutzmaßnahmen
- Eine noch unveröffentlichte Studie der Uniklinik Ulm geht von 200 000 Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch im Breitensport aus. Das bestätigte Professor Jörg Fegert, Traumaexperte für Kinder und Jugendliche an der Uniklinik Ulm, der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir waren nicht wirklich überrascht, dass wir in Deutschland ungefähr doppelt so viele Fälle im Sport haben wie in der katholischen Kirche“, so der Psychiater. „Denn im Sport werden in den letzten Jahrzehnten sehr viel mehr junge Menschen erreicht als in der kirchlichen Jugendarbeit. Überall, wo wir Abhängigkeiten in Nähebeziehungen haben, besteht auch ein Risiko, dass Täter diese Beziehungen nutzen.“
Dennoch stelle sich die Frage, weshalb dieses Thema in der Öffentlichkeit bisher kaum thematisiert worden sei. Fegert hatte bereits vor zwei Jahren die Studie „Safe Sport“zu Missbrauch unter Athletinnen und Athleten im Leistungssport erstellt. Für weitere Forschungen im Breitensport wurden damals aber keine Gelder genehmigt. Daraufhin haben die Ulmer Experten in ihrer finanziellen Not diesen Bereich im Rahmen einer breiter angelegten Forschung miteingebracht. Dabei wurden 2500 Menschen über 14 Jahren nach Missbrauch in Kindheit und Jugend befragt, von übergriffigen Berührungen bis zur Penetration. Mit den nun schockierenden Ergebnissen im Sport.
Fegert fordert jetzt nicht nur Gelder für weitere Studien, sondern auch Nachhaltigkeit: „Es muss zur staatlichen Aufgabe werden, dass wir überprüfen, ob unsere Prävention wirkt. Wir brauchen ein regelmäßiges Monitoring.“
Um sicherzustellen, dass verurteilte Sexualstraftäter nicht in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden, müssen in Deutschland haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter ein sogenanntes erweitertes Führungszeugnis vorlegen. „Auf dem Papier nutzt so ein Führungszeugnis aber wenig. Es kommt auf die Haltung in den Vereinen und Einrichtungen an“, sagt Fegert, der mehr Sensibilität und Bewusstsein für Gefahren des sexuellen Missbrauchs auch im Sport fordert.