Begegnungscafé „Man scheitert praktisch permanent“
Führungsexperte Boris Grundl über Herausforderungen und Barack Obama
Das Begegnungscafe im Tafelladen hat sowohl am Gründonnerstag, 18. April, als auch am Ostermontag geschlossen. Am Donnerstag, 2. Mai, bleibt das Café-Stüble nach dem Maifeiertag geschlossen. Helfer für das Café werden außerdem gesucht. Die Dienste sind montags von 14.30 bis 17 Uhr und donnerstags von 14 bis 17 Uhr. Nähere Informationen gibt es bei Sandra Flörsheimer unter Telefon 07425/ 2294616.
- Der Trossinger Führungsexperte Boris Grundl hat beim World Leadership Summit in Köln, wo auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama auftrat, gesprochen. Unsere Redakteurin Larissa Schütz hat sich mit ihm über Führungspersönlichkeiten, schwierige Entscheidungen und Versuchungen unterhalten.
Beim World Leadership Summit in Köln standen Sie vor rund 14 000 Menschen auf der Bühne. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Wenn man in so eine Menschenwand spricht, ist das anders, als vor 100 Leuten zu reden. Tempo, Rhythmus, Pausen, Gesten – alles ändert sich. Diesen Zustand muss ich vorher schon einnehmen. Man muss auf der Bühne permanent liefern, seine Punkte sehr schnell erklären und in einer klaren Linie von A nach B kommen. Und: Man konzentriert sich auf seine Zielgruppe, alle Leute erreicht man in so einem Publikum ohnehin nicht.
Sie hatten außerdem noch die Herausforderung, dass vor Ihnen Barack Obama sprechen sollte. Wie hält man nach solch einem Redner die Spannung im Publikum hoch?
Tatsächlich hat sich der Ablauf geändert, weil Obama später gelandet ist – ich habe vor ihm gesprochen. Ich hätte aber gerne nach ihm gesprochen, das wäre eine Herausforderung gewesen. Die Leute waren natürlich wegen ihm da. Genau deshalb darf man in solchen Situationen nie in Konkurrenz gehen, sondern muss sich auf sich selbst und seine Stärken konzentrieren. Das ist ein generelles Problem von Vielen. Sie vergleichen sich zu viel und sind somit nicht bei sich und ihren Stärken. Das passiert meist unbewusst.
Haben Sie Obama auch persönlich gesprochen?
Ich bin auf einen halben Meter an ihn herangekommen … mit riesigen Bodyguards dazwischen (lacht). Ich glaube, ich bin auch nur so nah dran gewesen, weil ich im Rollstuhl vorbeigerollt bin, sonst hätte ich wahrscheinlich außenherum gehen müssen.
Was hätten Sie ihn denn gerne gefragt, hätte es die Möglichkeit gegeben?
Ich hätte gerne mit ihm über das Thema Verantwortung gesprochen, das ich seit zwei Jahren erforsche. Wer als Präsident sein Land repräsentiert, trägt die Verantwortung, auch schwere Entscheidungen treffen zu müssen. Mich interessiert, wie er das mit der Liebe zum Menschen – die er sicher hat – verbindet.
War Verantwortung auch ein Thema Ihres Vortrags?
Das Thema meines Vortrags war „Charakter – Führungspersönlichkeiten der Zukunft“und die fünf Versuchungen, denen man als Führungskraft erliegen kann. Als Führungspersönlichkeit scheitert man praktisch permanent, weil man es nie allen recht machen kann. Aber grundsätzlich sollte man sich an den Punkten Ergebnissen0, Verantwortung, Klarheit, Auseinandersetzung und Vertrauen orientieren. Die negativen Gegenstücke wären dazu Status, Gebraucht-werden-wollen, Sicherheit, Harmoniebedürfnis und Unverletzbarkeit.
Kennen Sie persönlich mehr gute oder mehr schlechte Führungskräfte?
Das müssen Sie schon klarer differenzieren als gut und schlecht. Analysiert man eine Führungskraft, sind wahrscheinlich manche Eigenschaften gut, manche schlecht. Was wichtig ist, ist geistige Flexibilität. Ich kenne tatsächlich viele wirkungsvolle Führungskräfte. Aber es gibt natürlich auch viele Schwache.
Stichwort Verantwortung: Ihre Studie hat ergeben, dass die Leute Verantwortung heutzutage schneller auf andere abschieben …
Die Verantwortung anderer sehen wir klarer als die eigene, das ist ganz normal. Die Leute halten sich für wesentlich verantwortungsbewusster als sie sind, das nennt sich Überlegenheitsillusion. Wenn Sie zum Beispiel lügen, bewerten Sie das anders, als wenn Sie belogen werden. Was die Studie auch ergeben hat: Die Leute haben Angst, Fehler zu machen, und wenige haben das Rückgrat, sich zu zeigen, wie sie wirklich sind. Es gibt da diesen Spruch: „Ich wünsche mir, dass mein nächstes Leben wird wie das, das ich auf Facebook zeige.“
Wenn Sie schon Facebook erwähnen: Glauben Sie, die Sozialen Medien haben zu dieser Entwicklung beigetragen?
Facebook ist nur ein Spiegel, eine Software. Ebenso wie Geld nur bedruckte Scheine sind. Der Charakter ist, was zählt: Sie sind selbst verantwortlich. Auf Facebook fischen Sie nur nach Anerkennung, wenn Sie in dem Bereich charakterliche Defizite habe. Wenn eine Flasche Whiskey vor Ihnen steht, entscheiden Sie selbst, ob Sie sie trinken. Facebook ist nicht schuld. Die Flasche ist nicht schuld. Die Menschen müssen sich selbst erkennen. Der größte Mut, den man haben muss, ist, sich selbst anzuschauen.
Das ist aber der härtere Weg.
Das ist nicht hart, sondern klar. Viel härter ist es, sich den Ausreden nicht zu stellen, die man für sich erfindet. Dann braucht man immer mehr Ausreden, die Lebensergebnisse werden immer schwächer und man fängt an, zu jammern. Und dann umgibt man sich mit anderen Jammerern. Das ist eine Abwärtsspirale. Ich war drei Jahre lang Sozialhilfeempfänger, bin zu neunzig Prozent gelähmt – ich weiß, wovon ich spreche.
Finden Sie, es wird heutzutage generell zu viel gejammert?
Definitiv. Gerade erst hatte ich einen Auftritt und musste kurz vorher zur Toilette, die nicht eben rollstuhlgerecht war. Nach dem ganzen HeckMeck kam ich gerade noch rechtzeitig auf die Bühne. Aber bringt es etwas, zu jammern? Nein. Ich muss mich doch auf das konzentrieren, was ich tatsächlich beeinflussen kann. Allerdings muss ich sagen, durch meine besondere Lebenssituation bin ich zu einem geistigen Extremisten geworden. Ich kann mir Selbstmitleid nicht leisten.
Wie lange haben Sie gebraucht, um nach Ihrem Unfall mit dieser Einstellung nach vorne blicken zu können?
Damals war mein Selbstvertrauen am Boden. Am Anfang war es schon eine Leistung, mir eine Socke anzuziehen, das hat eine Stunde gedauert. Man setzt sich kleine Ziele, und die werden dann immer größer. Das entscheidende Wort ist dabei nicht Disziplin, sondern Konsequenz – Konsequenz bedeutet Überzeugung und Gewohnheit. Sehen Sie sich die Ziele an, über die ich jetzt rede: Ein Buch schreiben. Mit großen Konzernen zusammenarbeiten. Meine Firma komplett digitalisieren, samt OnlineAkademie.
Hadern Sie manchmal noch mit Ihrem Schicksal?
Hadern ist das falsche Wort. Das Thema kommt natürlich immer mal wieder auf. Gerade erst musste ich in Göppingen auf dem Bahnhof ewig nach einer Rampe suchen. Aber wie stark ich mich damit beschäftige, liegt ja an mir. Es gibt viele Wiederstände im Leben. Man muss im Umgang damit einfach lockerer und kreativer werden. Und ich bin fest davon überzeugt: Jeder Mensch hat viel mehr Potential in sich, als er glaubt.