Hier vertragen sie sich
Experten werten Trumps Ausstieg aus dem Abrüstungsabkommen unterschiedlich
Am 8. Dezember 1987 unterzeichneten Michail Gorbatschow (links/Foto: imago), damals Staatschef der UdSSR, und US-Präsident Ronald Reagan jenen INF-Vertrag, den Reagans Nachfolger Donald Trump nun aufkündigen will. Weltweit wächst die Angst, vor einem neuen Wettrüsten. Am Montag betonte Russland, am Atomwaffenabrüstungsvertrag festhalten zu wollen. Die EU rief dazu auf, das Abkommen einzuhalten.
- Seit Montag verhandelt US-Sicherheitsberater John Bolton in Moskau. Hauptthema: die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, den INF-Vertrag über das Verbot landgestützter Kurzund Mittelstreckenraketen zu kündigen.
Trumps Verzicht auf das Abkommen zeuge von wenig Verstand, sagte der sowjetische Ex-Präsident Michail Gorbatschow. Er hatte den INF-Vertrag vor 31 Jahren gemeinsam mit Ronald Reagan unterzeichnet. „Washingtons Drang, die Abrüstungspolitik zurückzudrehen, darf niemand unterstützen, das muss jetzt nicht nur Russland klarmachen, sondern jeder, dem der Frieden teuer ist.“Moskau reagierte einerseits empört auf Trumps Ankündigung, wirkt andererseits aber nicht besonders überrascht.
Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, solcherlei Schritte machten die Welt gefährlicher. Der russische Außenminister Sergei Lawrow aber sagte, von einer Entscheidung des US-Präsidenten könne noch nicht die Rede sein. „Jetzt im Kaffeesatz zu lesen, ist wenig produktiv.“Die russische Seite wolle auf die offiziellen Erklärungen der Amerikaner warten.
Putin droht dem US-Partner
US-Sicherheitsberater John Bolton verhandelte am Montag mit dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew. Er soll sich außerdem mit der Führung des russischen Außenministeriums treffen und am heutigen Dienstag auch mit Wladimir Putin. Putin selbst hatte schon vergangene Woche zu verstehen gegeben, Russland sei für alle Fälle gewappnet. „Wenn unsere amerikanischen Partner den Wunsch hegen, das Abkommen zu verlassen, wird unsere Antwort spiegelbildlich sein.“
Viele Beobachter in Moskau vermuten, Trump bluffe mit dem angekündigten INF-Ausstieg oder pokere zumindest. Die Zeitung „Kommersant“zitierte mehrere „militärisch-diplomatische Quellen“, die vermuten, Trump wolle mit seiner Ankündigung den Einsatz in die Höhe treiben, danach aber würden die USA doch verhandeln. „Die Amerikaner müssen Rücksicht auf ihre europäischen Verbündeten nehmen, denn eben diese würden ins Visier russischer Kurz- und Mittelstreckenraketen geraten.“Und die Agentur RIA Nowosti zitierte den Sankt Petersburger Politologen Alexander Kubyschkin, Trump steige aus dem INF-Vertrag aus, um sofort Verhandlungen über ein neues, für die USA vorteilhafteres Abkommen zu beginnen.
Der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin hingegen geht davon aus, dass Trump den Vertrag wirklich kippen wolle: „Er hat der heimischen Rüstungsindustrie mehr Aufträge versprochen. Außerdem will er ein neues Wettrüsten mit Russland, in der Hoffnung, dass es dabei wie einst die Sowjetunion wirtschaftlich zusammenbricht.“Und schließlich würden ja die Mittelstreckenraketen, die Russland als Antwort stationieren müsse, auf Europa zielen. „Damit will Trump das Verhältnis zwischen den europäischen Ländern und Russland weiter verschlechtern.“Das INFAbkommen untersagt Russen wie Amerikanern seit 1988, landgestützte Atomraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern aufzustellen. Es führte zur Verschrottung von 846 amerikanischen und 1846 sowjetischen Atomraketen. Aber seit Jahren werfen sich beide Seiten vor, den Vertrag zu brechen.
Die USA meldeten 2014 mehrere russische Tests neuer Mittelstreckenraketen. Anfang 2017 verkündeten sie, Russland habe bereits zwei Bataillone mit nuklearen 9729Raketen ausgerüstet, deren Reichweite nach Einschätzung amerikanischer Experten bei 2000 bis 2500 Kilometern liegt. Moskau versichert, es gebe keine solchen Raketen. Seinerseits wirft es den Amerikanern vor, sie nutzten bei den Tests ihrer Antiraketensysteme verbotene Pershing II-Flugkörper als Zielobjekte. Vor allem aber installieren die Amerikaner nach russischen Aussagen für ihr Antiraketenschild in Rumänien und Polen Systeme mit Abschussrampen, von denen man auch seegestützte Tomahawk-Raketen mit einer Reichweite bis 2500 Kilometer abfeuern könne.
Nach Ansicht Litowkins geht das Vertrauen zwischen beiden Seiten Richtung Nullpunkt.