Der ganz Große mit den zwei Herzen
Der Kia Optima Sportswagon Plug-in-Hybrid macht Laune, rentiert sich aber nicht in jedem Fall
as ist aber ein ziemlich dickes Schiff. Fast fünf Meter lang und mehr als zwei Meter breit, stellt der Kia Optima Sportswagon so ziemlich alle Kombis seiner Klasse in den Schatten. Die Koreaner haben den Testwagen in der Premiumversion „Spirit“geliefert – matt schneeweiß metallic mit schwarzer Lederinnenausstattung. Sie macht was her und kommt der Modellbezeichnung Optima (die Beste) am nächsten. Auch drinnen geht es vornehm her: Das Fahrergestühl wird beim Aussteigen nach hinten geschoben, und nach dem Schließen der Tür gleitet der Sitz auf die zuvor eingestellte Position. Nach Betätigen des Startknopfes wachen farbige Displays auf, ansonsten tut sich erst mal nichts. Den Knüppel auf D, den Fuß leicht aufs Gaspedal, und schon rollt er weg – sanft und lautlos.
Unter der langen Haube schlagen zwei Herzen: ein Zwei-Liter-Benziner mit 156 PS und ein direkt ans Sechsstufen-Automatikgetriebe gekoppelter Elektromotor mit 68 PS. Der schiebt die 1,8 Tonnen erst einmal allein an. Gespeist wird er von einer Lithium-Ionen-Polymer-Batterie im Gepäckraumboden. Diese kann von außen – an der heimischen Steckdose oder an einer Ladesäule – geladen werden und sorgt im güns-
Komfortabel, geräumig, bedienerfreundliche Instrumente, großzügig ausgestattet mit Assistenten
tigsten Falle für so viel Power, dass das Auto 62 Kilometer rein elektrisch bewegt werden kann.
Ähnlich wie der angegebene Kombiverbrauch von 1,4 Litern Benzin auf 100 Kilometer, ist diese Reichweite im Alltagsgebrauch utopisch. Die energetische Bilanz zweier Testwochen fällt deshalb ernüchternd aus: Der Spareffekt des Plug-in-Hybriden ist bei kombinierter Fahrweise marginal. Wer den Kombi vorwie- gend auf mittleren und langen Strecken nutzt, auf der Autobahn auch mal mehr als 130 Sachen fährt und nicht alle 50 Kilometer an die Steckdose will/kann, der muss mit einem Verbrauch von acht und mehr Litern rechnen. Drunter kommt nur, wer vorwiegend auf Kurzstrecken unterwegs ist, gemächlich fährt und den Akku möglichst oft ans Netz hängt.
Doch da beginnt schon das Manko. An der Steckdose in der heimischen Garage funktioniert das Laden ganz ordentlich. Dank Rückfahrkamera und 360-Grad-Rundumsicht gelingt auch das Rangieren in die Tiefgaragenbox ganz passabel. Hektik und Eile sind hier ebenso fehl am Platz wie beim Stromnachtanken: Erst nach fünf Stunden ist der Akku voll. Elf Kilowattstunden hat die Batterie aus der Leitung gezogen. Bei 0,25 Euro/kWh wären das 2,75 Euro für eine Füllung. Das Display gibt jetzt eine Reichweite von 57 elektrischen Kilometern an. Vollgeladen spult der Kia im EV-Modus (Elektro Vehikel) dann auch etwa 50 Kilometer lautlos ab – vorausgesetzt, das Gaspedal wird nur mit der Zehenspitze gestreichelt.
Elektromotor als Generator
Bei zügiger Beschleunigung beziehungsweise ab 120 km/h springt der Benzinmotor bei. Im HEV-Modus (Hybrid EV) dient der Elektromotor gleichzeitig als Generator, das heißt, die Akkus werden während der Fahrt nachgeladen, was den Ladezustand fast konstant hält.
Das Laden an öffentlichen Stromtankstellen funktioniert zwar zügiger, doch schon die erste Säule streikt. „Dieser Ladepunkt ist belegt“, steht auf dem Display der Fast-e Station auf dem Parkplatz des Friedrichshafener Bodensee-Centers. Weit und breit ist dort aber kein E-Mobil zu sehen. Der Versuch, die Servicenummer anzurufen, endet im Nirwana: „Diese Rufnummer ist uns nicht bekannt“. So viel zu einem, wie es in großen Lettern auf der Ladesäule heißt, „von der EU kofinanzierten“Zukunftsprojekt. Die Emma-Lade- säulen des Stadtwerk am See haben uns zwar noch nie im Stich gelassen, doch mangels passendem Kabel können wir sie für den Kia nicht nutzen.
Kurz beunruhigt hat uns die Anzeige im Display: „Tanken, um Batterieschaden zu vermeiden“. Man sollte sich also nicht auf die paar Restkilometer aus dem Akku verlassen.
Laden der Batterie aufwendig, elektrische Reichweite gering, schwammige Lenkung, träger Motor, Materialien teilweise sehr einfach
Trotz seiner fast fünf Meter lässt sich der Kia Optima leicht manövrieren. In Kurven fühlt sich die Lenkung allerdings etwas schwammig an. Die Federung ist eher auf Komfort abgestimmt, was zu einem Kombi dieser Größe passt. Schlaglöcher werden gut ausgebügelt, dringen aber akustisch voll durch. Die Automatik schaltet eher gemächlich, und selbst mit durchgetretenem Gaspedal kom- men die Pferdchen erst nach und nach auf Trab. Dann aber sprinten sie leichtfüßig weiter und machen bei 200 km/h noch nicht Halt.
Die Ledersitze lassen sich beheizen und belüften, was winters unentbehrlich und sommers angenehm ist. Die Bedienung von Infotainment, Assistenten, Klima und Navi gibt keine Rätsel auf. Alles ist einfach zu handhaben und logisch angeordnet. Es fehlt nichts von dem, was der Chauffeur eines modernen Mittelklassewagens erwartet: autonomer Notbremsassistent, adaptive Geschwindigkeitsregelanlage, Spurhalteassistent mit Lenkeingriff, Spurwechselassistent und zahlreiche weitere Helfer stehen bereit. Ideal positioniert ist der im Armaturenbrett integrierte Touchscreen. Zu diesem technologisch hohen Niveau wollen das dunkelgraue Plastik der Türverkleidung und der dünne Filz im Gepäckraum nicht recht passen.
Die Batterie im Gepäckraumboden schluckt circa 100 Liter Volumen, die verbleibenden 440 Liter sind jedoch für jeden Familienausflug ausreichend. Nach Umlegen der Rücksitzlehnen steigt die Ladekapazität auf 1574 Liter. Die Heckklappe öffnet und schließt elektrisch.
Fazit der zweiwöchigen Testfahrten: Ein solches Schiff als Plug-inHybrid durch die Lande zu bewegen, macht durchaus Laune, aber meist wenig Sinn – und ist außerdem mit Arbeit verbunden. Der Kia Optima Sportswagon ist ein idealer Reisewagen, der seine Vorzüge als Packesel und auf langen Strecken ausspielen kann. Aber gerade hier kommt der zusätzliche Elektroantrieb an seine Grenzen. Selbst bei optimaler Nutzung und nach Inanspruchnahme des Umweltbonus in Höhe von 3000 Euro lässt sich der Mehrpreis von mindestens 10 000 Euro für den Plug-in-Hybriden nie und nimmer hereinfahren. Für umweltbewusste Pendler hingegen, die komfortabel zur Arbeit kommen wollen, nachts Strom tanken können und selten Langstrecken fahren, könnte der Kia genau der Richtige sein.