Britisches Gefängnissystem ist akut überlastet
Der Fall von James Ward sorgt gerade für Debatten in Großbritannien. Elf Jahre nach einer Verurteilung zu zwölf Monaten steckt der psychisch kranke Engländer noch immer im Gefängnis – aufgrund eines Gesetzes, welches das Oberste Gericht 2007 für illegal erklärt hat und das vom Parlament vor fünf Jahren abgeschafft wurde.
3300 britische Strafgefangene sitzen wegen Gefährdung der Öffentlichkeit, einer Art Sicherheitsverwahrung, hinter Gittern, obwohl ihre eigentlichen Strafen längst abgelaufen sind. „Die zuständigen Minister müssen dringend Abhilfe schaffen“, sagte Nick Hardwick, Chef der zuständigen Bewährungskommission.
Mitte August waren 86 368 Menschen in England und Wales inhaftiert. 4,6 Prozent davon waren Frauen. Kein anderes Land Westeuropas verurteilt so viele seiner Bürger zu Haftstrafen wie das Inselkönigreich. Die Gefängnisse leiden an Überfüllung, gewalttätige Unruhen sowie eine zunehmende Zahl von Selbstverletzungen und Suiziden ist die Folge. Angriffe auf das Aufsichtspersonal sind an der Tagesordnung.
Die Vereinigung der Gefängnisdirektoren PGA führt dies auf die Personalkürzungen durch die konservative Sparpolitik der vergangenen Jahre zurück. Waren bei Amtsantritt der konservativ-liberalen Koalitionsregierung 2010 noch rund 25 000 Angestellte mit der Haftaufsicht beschäftigt, sank ihre Zahl bis 2015 auf rund 18 000. Seither haben die nunmehr allein regierenden Torys zwar neue Investitionen angekündigt, mit denen die Gehälter für 2500 zusätzliche Angestellte finanziert werden sollen. Einstweilen gebe es aber Probleme, das Personal zu halten und aufzustocken.
Elf der 131 „Gefängnisse Ihrer Majestät“werden von Privatfirmen betrieben. Dies ist die Folge der konservativen Privatisierungspolitik der 1990er-Jahre, die auch von LabourRegierungen beibehalten wurde. Sein rigides Sparprogramm begründete der damalige Justizminister Chris Grayling 2012 damit, dass die staatlichen Gefängnisse den Effizienzgrad privater Anstalten erreichen müssten. Eine Milchmädchenrechnung: Während einige staatliche Gefängnisse noch aus dem 19. Jahrhundert stammen, wurden die privaten Einrichtungen nach modernen Anforderungen und für riesige Gefangenenzahlen errichtet. Dadurch können sie mit viel weniger Personal auskommen.
Dass privat nicht immer gut ist, stellt sich allerdings in regelmäßigen Abständen heraus, wenn es in den Supergefängnissen mit bis zu 1600 Gefangenen zu Unruhen kommt. Experten wie Nick Hardwick treten deswegen schon seit längerem für eine rasche Reduzierung der Gefangenenzahlen ein. Bei der Regierung stoßen sie bisher auf taube Ohren. Die bis Juni amtierende Justizministerin Elizabeth Truss setzte stattdessen auf bessere Rehabilitierung und die Bekämpfung des Drogenkonsums hinter Gittern. Ihr Nachfolger David Lidington hält sich bedeckt.
Für Fälle wie die von James Ward hat das Justizministerium jetzt rasche Klärung angekündigt – keinen Moment zu früh, schließlich wurde die Verwahrung zum „Schutz der Öffentlichkeit“bereits 2012 gesetzlich abgeschafft. Im vergangenen Jahr seien 900 Sträflinge, die noch immer aufgrund der obsoleten Gesetzeslage einsaßen, entlassen worden, heißt es.