Ein Film zur rechten Zeit
„Die Erfindung der Wahrheit“– Eine Frau im mühsamen Kampf gegen Amerikas Waffenlobby
obbyismus und Waffenkontrolle: „Die Erfindung der Wahrheit“spricht wichtige Themen zur richtigen Zeit an – und ist vielleicht gerade deshalb in Amerika an den Kinokassen untergegangen. Doch neben den brisanten Themen macht allein schon die kraftvolle Darstellung von Jessica Chastain den Politikthriller sehenswert, auch wenn das Drehbuch einige Schwächen aufweist.
Der etwas kryptische deutsche Titel ist wohl ein Versuch, den Film in der derzeitigen Fake-News-Kontroverse zu positionieren. Der Bezug ist sicherlich da, der Originaltitel bringt den Film aber besser auf den Punkt, lautet er doch schlicht „Miss Sloane“. Denn die von Jessica Chastain („The Help“) gespielte Lobbyistin steht klar im Mittelpunkt und man kann den Film in erster Linie als Charakterstudie einer komplexen Frauenfigur sehen.
„Warst du jemals normal?“, fragt sie an einer Stelle des Films ihr Vorgesetzter Rodolfo Schmidt (Mark Strong). Die Antwort lautet wohl nein, und Miss Sloane scheint sich auch ganz gut damit arrangiert zu haben. Sie ist eine Kämpferin, für die Erfolg und Siege an oberster Stelle stehen, und die bereit ist, dafür auf ein Privatleben weitgehend zu verzichten. Nähe sucht sie sich gelegentlich in Hotelzimmern bei Männern von einem Escortservice. Es ist durchaus erfrischend, auf der Kinoleinwand einmal eine skrupellose Frauenfigur zu sehen, bei der viele Charaktereigenschaften ohne große psychologisierende Erklärung einfach als gegeben gezeigt werden.
Zu Beginn arbeitet Elizabeth Sloane noch in der einflussreichen Lobby-Firma Cole Kravitz & Waterman und hat einen Ruf als Frau, die nie verliert. Als ihr Chef Dupont (Sam Waterson) sie allerdings zur Waffenlobby schickt, die ein Kontrollgesetz verhindern will, vollzieht sie eine Wende. Mit einem Teil ihrer Mannschaft wechselt sie zur wesentlich kleineren Firma von Schmidt, die eben dieses Gesetz vorantreibt. Aus europäischer Sicht ist dieses alles andere als weitreichend, denn der Waffenbesitz soll keineswegs verboten werden. Aber es soll künftig eine Überprüfung von Käufern und eine Wartezeit geben. Das geht der Waffenlobby zu weit, und so entfaltet sich ein mit immer härteren Geschützen geführter Kampf zwischen Miss Sloane und ihrem früheren Arbeitgeber.
Dabei nimmt die Lobbyistin keinerlei Rücksicht und erachtet so ziemlich jedes Mittel als gerechtfertigt, wie auch ihre Mitarbeiterin Esme Manucharian (Gugu MbathaRaw) lernen muss: Auch sie ist vor allem eine Schachfigur im undurchsichtigen Spiel von Miss Sloane. Tatsächlich erinnert diese an Kevin Spaceys Frank Underwood in „House of Cards“. Ganz so gestört ist Sloanes moralischer Kompass allerdings nicht, dennoch trägt das Ende hinsichtlich ihrer Rolle ein Stück weit zu dick auf.
Auch hätte dem mehr als zwei Stunden langen Film von John Madden („Best Exotic Marigold Hotel“) etwas Straffung gutgetan. Das Thema verdient aber auf jeden Fall Aufmerksamkeit, wie einer der möglichen Gründe für den Misserfolg an den Kinokassen in den USA zeigt: Als der Film kurz nach dem Wahlsieg von Donald Trump in die Kinos kam, startete die Waffenlobby eine groß angelegte Kampagne gegen die Glaubwürdigkeit des Films und rief zum Boykott auf.