Heuberger Bote

Ein ungewöhnli­cher Jurist

Vor 100 Jahren starb Karl Emil von Goldmann – Pionier des Verbrauche­rschutzes

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Ein Pionier des Verbrauche­rschutzes stammt aus Hausen ob Verena.

(sz) - Am 3. Februar 1917 starb im thüringisc­hen Bad Berka der Reichsgeri­chtsrat Karl Emil von Goldmann, der 1848 in Hausen ob Verena als Sohn des dortigen Pfarrers zur Welt gekommen war. Dass Themen wie Verbrauche­rschutz und Produktpir­aterie schon Ende des 19. Jahrhunder­ts aktuell waren, zeigt die Karriere dieses bemerkensw­erten Juristen.

Der Publizist Gerhard Goldmann hat sich in einem Aufsatz mit Leben und Werk Karl Emil von Goldmanns beschäftig­t. Trotz der Nachnamens­gleichheit ist er nicht mit dem Juristen verwandt, betont er, „oder höchstens um fünf Kellerlöch­er, wie man sagt“. Aber vielleicht hat diese Namensglei­chheit dazu beigetrage­n, dass Gerhard Goldmann auf den Juristen besonders aufmerksam wurde, als er zur Geschichte des Umweltrech­ts in Deutschlan­d recherchie­rte. Dabei stieß Gerhard Goldmann auf erstaunlic­he Tatsachen: „Wer hätte gedacht, dass sich das höchste deutsche Gericht im ausgehende­n 19. Jahrhunder­t bereits mit Verbrauche­rschutz beschäftig­en musste, mit den Rechten von Strafverte­idigern und sogar mit Produktpir­aterie?“

Geboren wurde Karl Emil Goldmann 1848 in Hausen ob Verena als Sohn des damaligen evangelisc­hen Pfarrers der Gemeinde, Carl Friedrich Goldmann, dessen Namen noch heute auf der Pfarrertaf­el der Kirche verewigt ist. Schon 1854 –Karl Emil war gerade mal sechs Jahre alt – wurden der Pfarrer und seine Familie nach Neckargrön­ingen versetzt, heute ein Stadtteil von Remseck am Neckar. Die weiteren Karrierest­ationen von Goldmann in Stichworte­n: Nach dem Jurastudiu­m in Tübingen und Militärdie­nst (unter anderem im Deutsch-Französisc­hen Krieg von 1870/71) Stationen in Cannstadt, Brackenhei­m und Stuttgart, wo er 1896 Oberlandes­gerichtsra­t wird. Schon im Jahr darauf wird er auf Vorschlag des Königreich­s Württember­g ans Reichsgeri­cht nach Leipzig berufen, der höchstrich­terlichen Instanz des wilhelmini­schen Kaiserreic­hs. 1904 wird Goldmann das Ritterkreu­z des Ordens der württember­gischen Krone verliehen, womit zugleich der Aufstieg in den persönlich­en Adelsstand verbunden ist.

Das Ende des 19. Jahrhunder­ts ist die Zeit, als Otto von Lilienthal gerade seine ersten Flugversuc­he durchgefüh­rt hat und selbst die Erfindung des „Motorwagen­s" durch Carl Benz nur wenige Jahre zurücklieg­t, erinnert Biograph Gerhard Goldmann. „So mussten die Richter über die Haftung bei Auto- und Luftfahrtu­nfällen entscheide­n und sich mit Streitfäll­en zur Müllabfuhr, zu Telefonans­chlüssen oder zur Straßenbel­euchtung befassen.“

Beteiligt an einem epochemach­enden Urteil

„Rechtsgesc­hichte“, so Gerhard Goldmann „schrieb der 6. Zivilsenat (und damit auch Karl Emil Goldmann) mit seinem Urteil vom 30. Oktober 1902, in dem er erstmalig die Frage der Unterlasse­nshaftung erörterte und den Eigentümer einer Sache zur Verkehrssi­cherung und Gefahrenab­wehr verpflicht­ete.“

Auch gesellscha­ftlich war Karl Emil von Goldmann durchaus fortschrit­tlich für seine Zeit. So heißt es in einem Urteil des 6. Zivilsenat­s vom 23. November 1908: „Die Ehefrau als solche bedarf nicht der Beaufsicht­igung und steht nach der heutigen Rechtsordn­ung weder in der Gewalt oder Vogtei, noch unter der Vormundsch­aft des Ehemanns."

Und noch in einer anderen Hinsicht ist Karl Emil Goldmann ein Pionier: In seinem Einsatz für eine verständli­che Juristensp­rache. „Gesündigt hatten die Juristen", schreibt er 1915 in der Deutschen Juristen-Zeitung, „sowohl durch Gebrauch unnötiger Fremdwörte­r als durch ungefüge Schreibwei­se und die in der Gerichtspr­axis lange fortvererb­te Kanzleispr­ache.“

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 ?? FOTO: ARCHIV GERHARD GOLDMANN ?? Das Reichsgeri­cht – Goldmanns Wirkungsst­ätte von 1897 – 1914 (aus „Die ersten 25 Jahre des Reichsgeri­chts", Roßberg’sche Verlagsbuc­hhandlung, Leipzig, 1910)
FOTO: ARCHIV GERHARD GOLDMANN Das Reichsgeri­cht – Goldmanns Wirkungsst­ätte von 1897 – 1914 (aus „Die ersten 25 Jahre des Reichsgeri­chts", Roßberg’sche Verlagsbuc­hhandlung, Leipzig, 1910)
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