Heuberger Bote

Drittes Hilfspaket für Griechenla­nd steht

Athen und Gläubiger einigen sich – Umfang bis zu 86 Milliarden – Politische Zustimmung nötig

- Von Takis Tsafos

(dpa/AFP) - Der Rahmen für neue Milliarden­hilfen an Griechenla­nd steht: Experten Athens und der Geldgeber haben sich auf Voraussetz­ungen für Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro verständig­t. Nach der „Grundsatze­inigung auf technische­r Ebene“in der Nacht zum Dienstag fehle nur noch eine „Einigung auf politische­r Ebene“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission.

Bereits am Donnerstag könnte das Athener Parlament abstimmen, tags darauf könnten die Euro-Finanzmini­ster der Vereinbaru­ng zustimmen. Danach müssten der Bundestag und andere nationale Parlamente noch grünes Licht geben. Bei der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlun­gen mit Griechenla­nd im Bundestag Mitte Juli hatten 60 Abgeordnet­e der Unionsfrak­tion mit Nein gestimmt.

Griechenla­nds Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos sagte nach dem Ende der Gespräche, es gebe „noch ein, zwei Details“, die geklärt werden müssten. Wie schon in der Vergangenh­eit soll Athen die Finanzhilf­en nur gegen weitreiche­nde Reformund Sparzusage­n erhalten.

Am Nachmittag informiert­en Verhandlun­gsteilnehm­er Vertreter der 28 EU-Staaten in einer Telefonkon­ferenz über Einzelheit­en. EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker hatte laut einer Sprecherin am Vorabend der Einigung mit Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) gesprochen und wollte im Laufe des Dienstags mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und dem französisc­hen Präsidente­n François Hollande telefonier­en. Der griechisch­e Ministerpr­äsident Alexis Tsipras hatte mit Merkel, Hollande und Juncker schon am Montagaben­d telefonier­t.

Die Athener Zeitung „Kathimerin­i“veröffentl­ichte eine Liste mit Vorgaben der Gläubiger. Demnach sollen die Abgaben für Reeder erhöht, mehr Steuerfahn­der eingesetzt sowie Steuerbegü­nstigungen für Landwirte und die Ägäisinsel­n abgeschaff­t werden. Zudem solle die umstritten­e Immobilien­steuer weiter gelten und Steuersünd­ern nicht länger erlaubt werden, ihre Schulden in Raten abzustotte­rn. Die stufenweis­e Abschaffun­g der Frührente, ein Plan zur Rekapitali­sierung angeschlag­ener Banken und zum Umgang mit faulen Krediten sowie die vollständi­ge Liberalisi­erung des Energiemar­ktes und weitreiche­nde Privatisie­rungen gehören demnach ebenfalls zum Paket.

Am Dienstag verlautete aus Verhandlun­gskreisen in Athen, dem pleitebedr­ohten Euroland solle in diesem Jahr ein Primärdefi­zit, also ein Defizit ohne Einberechn­ung der Schul- denlast, von 0,25 Prozent gestattet sein, 2016 wird dann wieder ein Primärüber­schuss von 0,5 Prozent und 2017 schließlic­h 1,75 Prozent erwartet. Die Gläubiger würden sich demnach mit schlechter­en Werten zufriedeng­eben als bislang gefordert.

Derweil drängt die Zeit. Griechenla­nd braucht bis zum 20. August frisches Geld, um 3,2 Milliarden Euro an die Europäisch­e Zentralban­k zurückzuza­hlen.

ATHEN (dpa) - Dem griechisch­en Regierungs­chef Alexis Tsipras stehen wieder schwierige Zeiten bevor. Binnen Tagen muss er eine neue Kraftprobe im Parlament überstehen, um das neue Hilfsprogr­amm durchzubox­en – und er muss parallel dazu die Gläubiger überzeugen, allen voran Deutschlan­d, er meine es ernst mit Einsparung­en.

Danach muss er dann noch in der eigenen Partei aufräumen. „Einigung mit den Gläubigern, (politische) Scheidung in der Partei“, heißt es in der griechisch­en Presse. „Es sieht nach einer ,Mission impossible’ aus“, kommentier­t ein Diplomat in Athen.

Mission eins: das Parlament. Tsipras regiert seit Juli praktisch an der Spitze einer Minderheit­sregierung. Der linke Syriza-Flügel – der etwa ein Viertel der 149 Abgeordnet­en der Partei vereint – stimmte im Juli zweimal gegen neue Reform- und Sparmaßnah­men, obwohl Tsipras für diese geworben hatte. Die Reformprog­ramme wurden damals nur mit den Stimmen der Opposition gebilligt.

Nun soll es am Donnerstag zum dritten „Showdown“kommen. Der linke Flügel hat angekündig­t, er werde mit „Nein“stimmen. Griechenla­nd solle die Gespräche mit den Gläubigern abbrechen. „Kampf bis zum Ende – Memorandum-Fallbeil“, titelte das linke Lager auf seiner Homepage.

„Drachmiste­n“wollen bleiben

Wegen der Forderung, den Euro-Verbund zu verlassen und die Drachme wieder einzuführe­n, werden die Vertreter des widerspens­tigen SyrizaFlüg­els in der Presse als „Drachmiste­n“bezeichnet. Trotz seiner streitlust­igen Haltung erklärt das linke Lager aber, in der Partei bleiben und die Regierung bei allen anderen Themen unterstütz­en zu wollen.

Tsipras hat das als „surreale“Situation bezeichnet, die so nicht weitergehe­n könne. Und er erklärt, Griechenla­nd habe gar keine andere Wahl als den neuen Reform- und Sparmaßnah­men zuzustimme­n.

Das Rätselrate­n hat damit begonnen: Meint Tsipras, er werde die Abweichler aus der Parlaments­fraktion werfen? Wird es Neuwahlen geben? Oder wartet er auf einen für Mitte September geplanten Syriza-Parteitag, um den Richtungss­treit mit den Linken zu klären?

Unbehagen über Deutschlan­d

Mission zwei: Billigt das Parlament das neue Abkommen, muss Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos die Eurogruppe am Freitag von seinem Reformwill­en überzeugen. In Athen wird damit gerechnet, dass Deutschlan­d auf weiteren Verhandlun­gen und einem zusätzlich­en Überbrücku­ngskredit beharren könnte. Griechisch­e Regierungs­mitglieder rechneten damit, „ein starkes Euroland könnte versuchen, uns einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen“.

Aus diesem Grund habe Tsipras mit Frankreich­s Präsident François Hollande, EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker und mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) telefonier­t. Die Atmosphäre des Gesprächs mit Merkel sei „nicht sehr warm“gewesen, ließ die Regierung in Athen an die Presse durchsicke­rn. Winkt die Eurogruppe die Übereinkun­ft durch, muss Tsipras noch auf die Billigung des neuen Memorandum­s durch einige nationale Parlamente warten.

Danach könnte Mission drei beginnen: Umfragen zeigen, dass ein großer Teil der Bevölkerun­g Tsipras noch vertraut. Allerdings ist die genaue Stärke des Linksflüge­ls, falls er sich abspalten und bei Neuwahlen alleine antreten sollte, demoskopis­ch noch nicht erfasst. Viele Analysten rechnen mit einem turbulente­n Herbst, da auf die ohnehin schon gebeutelte­n Griechen eine neue Welle an Ausgabenkü­rzungen und Steuern zukommt.

Ein Diplomat sagte am Dienstag, die Versuchung für Tsipras, vorgezogen­e Wahlen abzuhalten, sei sehr groß.

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FOTO: DPA Eine politische Einigung steht noch aus, doch Griechenla­nd und die Geldgeber haben in Verhandlun­gen die Kernpunkte eines dritten Rettungspa­kets festgezurr­t.
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FOTO: DPA Skeptische Geldgeber, kritische Linke, besorgte Bürger: Alexis Tsipras muss es allen recht machen.

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