Ein ESC zum Vergessen
Beim Eurovision Song Contest gab es mit Nemo aus der Schweiz einen würdigen Sieger. In Erinnerung bleiben in diesem Jahr aber vor allem die Skandale.
Zunächst Ehre, wem Ehre gebührt. Nemo hat den Eurovision Song Contest 2024 verdientermaßen gewonnen. „The Code“war die stärkste Komposition des Abends. Ein dynamischer Popsong mit dem Coolness-faktor eines James-bond-films, geschrieben, um Nemo glänzen zu lassen. Und das tat Nemo – trotz schwierigen Balanceaktes auf einem überdimensionierten Metallkreisel. Ein Sieg, der noch eine besondere Note dadurch erhält, dass Nemo die erste non-binäre Person ist, die einen ESC gewinnt.
Auch für den deutschen Teilnehmer Isaak war es ein sehr erfreulicher Abend. Sein 12. Platz ist das mit Abstand beste deutsche Ergebnis, seit Michael Schulte 2018 Vierter wurde. Der Fluch der letzten und vorletzten Plätze scheint vorerst gebrochen zu sein. Isaaks eher dünner Popsong „Always on the Run“fiel zwar beim europäischen Publikum größtenteils durch, mit seiner starken Stimme konnte er dafür zahlreiche Jurys von sich begeistern. Punkte gab es aus mehr als 20 Nationen, die israelische Jury setzte ihn sogar auf Platz 2.
Doch die Musik geriet bei diesem ESC leider zur Nebensache. Die ausrichtende European Broadcast Union (EBU) stolperte tagelang vom einen in den nächsten Skandal. Dass es eine komplizierte Veranstaltung werden könnte, deutete sich angesichts die 20-jährige Sängerin Eden Golan des Krieges in Gaza schon nur unter massivem Polizeischutz Monate zuvor an, spätestens bei überhaupt ihr Hotelzimmer der Diskussion um einen zu politischen verlassen. In der Halle wurde israelischen Songtitel. sie von den Zuschauern ausgebuht, Dass es solche Chaostage werden abseits der Auftritte von würden, hatten hingegen selbst einem Teil ihrer Konkurrenten die größten Pessimisten nicht für angefeindet. Nie in der Geschichndte möglich gehalten. des ESC ist einer Teilnehmerin
Statt „United by Music“zu so viel offener Hass entgegengeschlagen sein, vereint durch die Musik, wie der Israelin. präsentierten sich die 37 europäischen Ein anderes Bild zeigte das Televoting-ergebnis Teilnehmerstaaten als politisch am Samstagabend. zerstrittener Haufen. Während Dort wurde Eden Golan in der Innenstadt von Malmö mit ihrer eingängigen Pop-ballade und direkt vor der Halle Tausende „Hurricane“starke Zweite, bekam Menschen gegen Israels auch aus Deutschland zwölf Teilnahme protestierten, konnte Punkte. Insgesamt belegte sie den fünften Platz.
Ein anderer hochgehandelter Teilnehmer durfte am Finale gar nicht teilnehmen und sorgte so für den zweiten großen Skandal dieses ESCS. Der Niederländer Joost Klein („Europapa“) wurde wegen einer bedrohlichen Bewegung in Richtung einer Kamerafrau vom Wettbewerb ausgeschlossen. Mehrere Teilnehmer protestierten offen gegen die Entscheidung. Die EBU wirkte in dieser Situation oft unbeholfen, die Kommunikation katastrophal. Statt eines Gesamtkonzepts wurden immer wieder nur kleine Feuer gelöscht.
Abgesehen von den Skandalen wird von diesem ESC nur wenig in Erinnerung bleiben. Musikalisch war es ein allenfalls durchschnittlicher Jahrgang – mit ein paar rühmlichen Ausnahmen. Bambie Thugs „Doomsday Blue“war einer der bestinszenierten Auftritte der Esc-geschichte und sicherte Irland einen verdienten sechsten Platz. Der viertplatzierte Slimane aus Frankreich („Mon Amour“) überzeugte mit viel Gefühl in der Stimme, die drittplatzierten Ukrainerinnen Alyona Alyona & Jerry Heil („Teresa & Maria“) mit großer Inszenierung.
Auch für Seriensieger Schweden war die siebte Austragung angesichts des Spagats zwischen der im Land sehr weit ausgelegten Meinungsfreiheit und den strengen Regeln der EBU die schwerste. Die Show selbst geriet da fast in den Hintergrund, lieferte aber auch nur wenige Höhepunkte. Daran änderte auch der kurze Avatar-auftritt der Band Abba zum 50-jährigen Esc-jubiläum von „Waterloo“nichts.
So verständlich die Solidaritätswelle für Eden Golan im Televoting auch war, für die Zukunft des ESCS war es wichtig, dass es nach diesen Skandaltagen von Malmö einen unpolitisch gewählten Sieger gab. Ein israelischer Sieg zwei Jahre nach dem ukrainischen Sieg hätten den Wettbewerb langsam zum puren Politikbekenntnis verkommen lassen. Und in seine wohl bislang größte Krise gestürzt. 2025 in der Schweiz hat Europa eine neue Chance, sich durch die Musik zu vereinen.