Erst entlastet, dann belastet
Eltern von mehreren Kindern zahlen neuerdings etwas mehr Lohnsteuer. Doch weil ihr Beitrag zur Pflegeversicherung gesenkt wurde, haben sie unterm Strich mehr.
Ausgerechnet Eltern mit mehreren Kindern bekommen neuerdings mehr Lohnsteuer vom Gehalt abgezogen. Manche Personalabteilung begründet das mit dem Wachstumschancengesetz, obwohl das eigentlich nach Entlastungen klingt. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Sie ist ein Musterbeispiel für die Kompliziertheit deutscher Steuergesetze – und für die Bürokratie hierzulande.
Alles begann mit einem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April 2022 zur gesetzlichen Pflegeversicherung: Die obersten Richter verlangten, dass die Zahl der Kinder stärker bei den Beiträgen ihrer Eltern berücksichtigt werden muss. Für die Reform gaben sie nur gut ein Jahr Zeit. Tatsächlich trat sie am 1. Juli 2023 in Kraft.
Da der gesetzlichen Pflegeversicherung ein großes Defizit drohte, nutzte dies die Bundesregierung gleich für eine Beitragserhöhung: Der allgemeine Beitragssatz stieg von 3,05 auf 3,4 Prozent vom Gehalt. Davon muss der Arbeitgeber die Hälfte tragen. Beschäftigte ohne Kinder mussten schon seit 2005 einen Zuschlag zahlen, an dem sich der Arbeitgeber nicht beteiligt. Dieser stieg Mitte 2023 auf 0,6 Prozentpunkte.
Der normale Beitragssatz gilt nur noch für Eltern mit einem
Kind oder wenn der Nachwuchs mindestens 25 Jahre alt ist. Sie bezahlen also 1,7 Prozent. Für die Eltern von mindestens zwei Kindern unter 25 wurde der Beitragssatz gesenkt: bei zwei Kindern auf 1,45 Prozent, bei drei auf 1,2 Prozent, bei vier auf 0,95 Prozent und ab fünf Kindern auf 0,7 Prozent.
Ein Arbeitnehmer mit drei Kindern und 3500 Euro Monatsgehalt beispielsweise zahlt jetzt 42 Euro für die Pflegeversicherung im Monat, ein Kinderloser 80,50 Euro. Der Arbeitgeberanteil beträgt dagegen immer 1,7 Prozent.
Schon die Umsetzung dieser Regelung war eine Zumutung, klagt der Präsident der Steuerberaterkammer Nordbaden, Johannes Hurst. Im Grunde sei dies nicht falsch gewesen. Aber die Gesetzgebung sei im Mai/juni 2023 „im Schweinsgalopp“durch Bundestag und Bundesrat gebracht worden, sagte Hurst dieser Zeitung. Die Steuerberater hätten sich bei der Lohnabrechnung für ihre Mandanten mit dem Nachweis der Elternschaft herumschlagen müssen, was nicht so einfach möglich war, wie es sich der Gesetzgeber vorgestellt hatte.
Nun haben die Beiträge zur Pflegeversicherung auch Auswirkungen auf die Höhe der Lohnsteuer, und damit sind wir bei dem, was seit Anfang des Jahres abgezogen wird. Die Pflegebeiträge sen sie etwas mehr Lohnsteuer werden über die Vorsorgepaun- dzahlen. schale schon im Laufe des Jahres Um den Abschlag für mehrere beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt, Kinder schon beim Lohnsteuerabzug erklärt Jana Bauer, stellvertretende zu berücksichtigten, Geschäftsführerin brauchte es allerdings eine Gesetzesregelung. Die sollte eigentlich im Wachstumschancengesetz erfolgen, obwohl dies keine geringere Belastung bedeutet hätte. Doch das Gesetz blieb über Monate im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hängen, weil sich die Ampelkoalition und die Union nicht einigen konnten. des Bundesverbands Lohnsteuerhilfevereine (BVL). Bei Eltern mit mehreren Kindern wiederum werden neuerdings wegen der geringeren Abzüge für die Pflegeversicherung weniger Sonderausgaben berücksichtigt. Daher müs
Bürokratischer Kraftakt
Daher wurde die Regelung ins Kreditzweitmarktförderungsgesetz verschoben, erläutert Bauer. Inhaltlich hat es damit zwar überhaupt nichts zu tun. Aber dieses Verfahren wird gern genutzt, um eilige Regelungen schneller durchs Parlament zu bekommen. Erfolg: Die Vorschrift konnte noch Ende 2023 beschlossen werden.
Die nötigen Regeln für die praktische Umsetzung legte das Bundesfinanzministerium allerdings erst Ende Januar 2024 fest. Folge: Die neue, höhere Lohnsteuer konnte meist erst bei der Gehaltsabrechnung für den März berücksichtigt werden. Gleichzeitig musste eine Korrektur für die Monate Januar und Februar vorgenommen werden. Daher fiel das Minus im März besonders hoch aus.
In der Regel geht es nur um geringe Beträge, bei zwei und drei Kindern im ein- bis zweistelligen Euro-bereich, so die Erfahrung von Bauer. Dem steht eine sehr viel höhere Entlastung bei der Pflegeversicherung gegenüber. Nur ist die schon Mitte 2023 erfolgt; viele haben sie nicht mehr auf dem Schirm. Alles logisch, aber für die Arbeitgeber ein bürokratischer Kraftakt.
Einen weiteren kleinen Vorteil haben die Eltern mehrerer Kinder: Für das zweite Halbjahr 2023, in dem sie bereits weniger Pflegebeitrag hatten, gibt es keine Nachberechnung der Lohnsteuer. Anders sieht das für alle aus, die eine Steuererklärung abgeben müssen oder die dies freiwillig tun, weil sie sich eine Steuerrückzahlung erhoffen. Denn dann berücksichtigt das Finanzamt die tatsächlich bezahlten Beiträge.
Die Gesetzgebung ist im Schweinsgalopp durchgebracht worden. Johannes Hurst Steuerberaterkammer Nordbaden