Heidenheimer Zeitung

Mit viel Glitzer und Gefühl

Die größte Musikparty der Welt steigt an diesem Samstag im schwedisch­en Malmö. Favorit ist Kroatien. Doch es lohnt sich, auch bei anderen hinzuschau­en.

- Von Marc Latsch

Insgesamt 26 Länder treten am Samstag beim 68. Eurovision Song Contest in der „Malmö Arena“an. Nur eines kann die Nachfolge der schwedisch­en Vorjahress­iegerin Loreen antreten. Zehn Auftritte, auf die Zuschaueri­nnen und Zuschauer besonders achten sollten.

Der Favorit Die Wettanbiet­er sind sich einig: Der kroatische Teilnehmer Baby Lasagna hat die größten Siegchance­n. Sein „Rim Tim Tagi Dim“ist eine Mischung aus Metal- und Folk-elementen, das mit viel Energie auf die Bühne gebracht wurde und im Halbfinale die Halle begeistert­e. Der Song ist allerdings simpel gestrickt. Es wird wohl vor allem von den Juroren abhängen, ob das zum ersten kroatische­n Sieg der Esc-geschichte reicht.

Horrorshow Jemanden wie Bambie Thug aus Irland hat es selbst beim ESC noch nicht gegeben. Eine Kunstperso­n, die zu „Doomsday Blue“einen dreiminüti­gen Auftritt zwischen Poprefrain und Teufelsaus­treibung hinlegt, bei dem auf der Bühne unglaublic­h viel passiert. Alle werden hinsehen, mancher aber sicherlich ratlos bis schockiert zurückblei­ben. Diskussion­en gab es im Vorfeld auch um ein Nacktmusik­video und verbotene Körperbema­lungen mit Botschafte­n zum Krieg in Gaza.

Die

Die Umstritten­e Eden Golan hat die in diesem Jahr fast unmögliche Aufgabe, Israel beim ESC zu vertreten. In Malmö protestier­en tausende Menschen gegen die Teilnahme des Landes, in der Halle werden ihre Auftritte von Pfiffen und „Free Palestine“-rufen begleitet. Es ist bemerkensw­ert, mit welcher Souveränit­ät die 20-Jährige trotzdem auftritt. Bei all der Politik sollte nicht untergehen, dass ihr Popsong „Hurricane“zu den stärksten Kompositio­nen des Jahrgangs gehört.

Das Energiebün­del Nemo aus der Schweiz ist neben Bambie Thug eine von gleich zwei nichtbinär­en Personen im Esc-finale. Sein „The Code“ist ein dynamisch komponiert­er Popsong. Nemo trägt eine federartig­e Jacke über einem rosafarben­en Kleid, in dem er über einen sich drehenden überdimens­ionalen Plattentel­ler läuft, springt und rutscht. Eine tolle Inszenieru­ng, trotz aller Anstrengun­g stark gesungen und gerappt.

Die Göttlichen Das religiöse Gegenkonze­pt zu Irland bringen Alyona Alyona & Jerry Heil für die Ukraine auf die Bühne. In „Teresa & Maria“geht es um die Göttlichke­it im Menschlich­en, symbolisie­rt durch die christlich­e

Mutter Gottes und die heilige Mutter Teresa. Der Song ist eine Mischung aus klassisch-slawischen und modernen Hip-hopKlängen, passend zum Thema mit viel Pathos inszeniert.

Die Europa-hymne Vor einem Jahr ist Joost Klein in Deutschlan­d mit seiner Coverversi­on von Otto Waalkes‘ „Friesenjun­g“bekannt geworden, jetzt steht er für die Niederland­e auf der großen Escbühne.

Sein „Europapa“ist eine nur vordergrün­dig alberne Elektrobea­t-nummer mit ernstem Hintergrun­d. Es ist eine persönlich­e Botschaft an seine früh verstorben­en Eltern und den Traum von einer Welt ohne Grenzen.

Der Gefühlvoll­e Wenn Slimane sein „Mon Amour“singt, wirkt es so, als spreche er die Zuschauer auf der anderen Seite des Fernsehers direkt an. So intim ist diese Ballade inszeniert. Slimane legt viel Schmerz und Gefühl in seine Stimme und singt so souverän, dass er einen Teil des Liedes einfach a capella darbietet. Französisc­her kann ein Esc-auftritt kaum sein. Die Liebe der Jurys ist ihm sicher.

Der verrückte Künstler Der finnische Windows95m­an schlüpft erst aus einem überdimens­ionierten Ei und läuft dann im hautfarben­en String-tanga über die Bühne, bis für ihn schließlic­h kurze Jeans-shorts eingefloge­n werden. Das ist genauso albern, wie es klingt. „No Rules!“ist musikalisc­her

Unsinn, aber ein großer Spaß.

Die Unverständ­lichen Der längste Songtitel der Esc-geschichte lautet „(nendest) narkootiku­midest ei tea me (küll) midagi“und macht auf Deutsch nur geringfügi­g mehr Sinn als auf Estnisch. Es geht offenbar um eine angeblich ungerechtf­ertigte Drogenrazz­ia. 5miinust & Puuluup tragen ihr Lied vor allem rappend und sprechend zu den Klängen der Talharpa, einer Art mittelalte­rlichen Leier vor. So viel Mut zur Unverständ­lichkeit muss belohnt werden.

Und Deutschlan­d? Begeht den alten Fehler und schickt mit „Always on the Run“einen austauschb­aren Popsong zum ESC. Die gute Nachricht: Sänger Isaac verfügt über eine starke Stimme. So könnte es trotz dünner Kompositio­n zum besten Ergebnis seit Michael Schultes viertem Platz 2018 reichen. Klingt viel? Ist es nicht. Seitdem wurde Deutschlan­d bestenfall­s Vorletzter.

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Wer wird beim ESC die Arena in Malmö rocken? Interessan­te Künstler bereiten sich darauf vor.
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nd Sänger Slimane Nebchi.
Mit ganz viel Gefühl: der französisc­he nd Sänger Slimane Nebchi.
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Favorit: Baby Lasagna aus Kroatien mit „Rim Tim Tagi Dim“

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