Heidenheimer Zeitung

Kaffee, der unfaire Genuss

Lebensmitt­el Wie nachhaltig ist unser Konsum? Zwei Experten erklären, was Qualitätss­iegel bringen und wie sie in den Herkunftsl­ändern wahrgenomm­en werden. Von Dominik Guggemos Foto: ©Isamare/ shuttersto­ck.com

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Es ist das beliebtest­e Getränk der Deutschen, noch vor Mineralwas­ser: 168 Liter Kaffee haben sie 2020 getrunken. Das sind 1000 Tassen pro Kopf. Die geröstete Bohne enthält mehr als 800 Aromastoff­e, aber nur zwei Kalorien pro 100 Milliliter. Doch wie nachhaltig ist der Genuss?

In den vergangene­n Jahren hat es auf dem Weltmarkt einen Preisverfa­ll gegeben. Mit verheerend­en Auswirkung­en für die Kaffeebaue­rn. „In vielen Ländern ist der Anbau nicht kostendeck­end. Bäuerinnen und Bauern zahlen zum Teil drauf, um unseren Kaffee anzubauen“, sagt Friedel Hütz-adams, der als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Südwind-institut zur Wertschöpf­ungskette von Kaffee forscht, der Stiftung Warentest.

Manuel Gava blickt aus gleich zwei Perspektiv­en auf das Thema Nachhaltig­keit. Seine Familie baut in Brasilien Kaffee an, er selbst sitzt seit September im Bundestag. Als Fachbereic­h hat sich der 30-jährige Spd-politiker die Entwicklun­gshilfe ausgesucht. Er sagt: „Der Kaffeeprei­s ist in Europa durchschni­ttlich zwar hoch, aber bei den Produzente­n kommt davon wenig an.“

Große Konzerne kaufen Bohnen auf der ganzen Welt ein und mischen sie, um einen möglichst abgestimmt­en Geschmack zu produziere­n. „Zum Teil sind in einer Packung Bohnen aus 300 verschiede­nen Orten“, sagt Gava. Das sei nicht schlimm, doch es gebe keine Transparen­z, woher die Bohnen stammen, obwohl das gerade die großen Player leisten könnten. Wie es richtig geht, machen die kleinen Hersteller vor, bei denen Verbrauche­r im Internet die Lieferkett­en genau nachvollzi­ehen könnten.

Da nur eine kleine Minderheit der Verbrauche­r per Eigenreche­rche herausfind­en will, ob sie ihren Kaffee mit guten Gewissen kaufen kann, hat die Industrie mit verschiede­nen Siegeln reagiert, die signalisie­ren sollen: Das Produkt wurde nachhaltig und mit fairen Löhnen hergestell­t. Allerdings ist so ein Dschungel für die Verbrauche­r entstanden.

Gava empfiehlt, auf das GEPA-LOGO zu achten. „Das ist der größte europäisch­e Importeur, nachhaltig, kirchlich. Es ist auch in den Herkunftsl­ändern bekannt und anerkannt.“Die deutschen Discounter verwenden größtentei­ls das Fair-trade-siegel. „Das ist aber eigentlich nur ein Überbegrif­f“, sagt Gava, „es fehlt an Transparen­z.“Hütz-adams begrüßt den Trend grundsätzl­ich, kritisiert aber: „Selbst der Fair-trade-mindestpre­is reicht oft nicht für existenzsi­cherende Löhne und Einkommen.“

Viele Kaffeebaue­rn weltweit versuchen trotzdem, für die Siegel zu produziere­n. Der Markt dafür ist noch begrenzt, schließlic­h ist der Kaffee dann 20 bis 30 Prozent teurer. „Von dem höheren Preis bekommen die Produzente­n einen guten Anteil, das ist der richtige Weg“, sagt Gava. Derzeit seien allerdings viele Verbrauche­r noch nicht bereit, das zu bezahlen – auch wenn es immer mehr werden.

Was kann die Politik tun, um die Entwicklun­g zu unterstütz­en? Das deutsche Lieferkett­engesetz ist ein guter Anfang, sagen Experten. Ein solches Gesetz soll jetzt auch auf europäisch­er Ebene kommen, mit nachgeschä­rften Kriterien. Durch den Binnenmark­t ist eine Antwort auf Eu-ebene unausweich­lich.

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