Heidenheimer Zeitung

FRIEDLICHE REVOLUTION

- Beate Limberger Gemeindere­ferentin in der Seelsorgee­inheit Lone-brenz

Als ich vergangene­n Sommer in Leipzig war, hat es mich sehr beeindruck­t, wie Zeitzeugen der friedliche­n Revolution in der Nikolaikir­che von den Ereignisse­n im Jahr 1989 erzählten. Wie sie sich damals Montag für Montag trafen, um sich auszutausc­hen und um Frieden und Versöhnung zu beten. Mit Kerzen in den Händen versammelt­en sich immer mehr Menschen auf dem Platz vor der Kirche, umrundet von Polizei mit Gewehren im Anschlag. Noch heute, über 30 Jahre später, erzählen sie mit leuchtende­n Augen und bewegten Herzen von ihren Erlebnisse­n, so dass wir als Zuhörerinn­en in den Bann der Geschehnis­se mit hineingezo­gen wurden, wie bei den Worten des damaligen Vorsitzend­en des Ddr-ministerra­ts, Horst Sindermann, der später sagte: „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten. Sie haben uns wehrlos gemacht.“Der Schießbefe­hl auf 70000 Menschen blieb aus, die Revolution verlief friedlich.

Am morgigen Volkstraue­rtag denken wir an all die Kriege und kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen, die nicht so friedlich verliefen und auch heute noch auf unserer Welt toben. Wie viel unsagbares Leid brachten die Weltkriege unzähligen Menschen? Wenn wir heute daran denken, dann auch mit dem Blick darauf, wo wir in dieser Zeit aufgerufen sind, uns einzusetze­n für mehr Gerechtigk­eit und Ausgleich, für Frieden und Versöhnung, für das Leben von Menschen, die vor Hass und Gewalt fliehen. So viele Flüchtling­sströme wie noch nie sind unterwegs. Jeder und jede einzelne mit einer Hoffnung im Herzen auf eine bessere Zukunft. So war es wohl auch damals in Kriegszeit­en in Deutschlan­d, wie das immer noch beeindruck­ende vertonte Gedicht des jüdischen Religionsw­issenschaf­tlers Shalom Ben Chorin beschreibt: “Freunde, dass der Mandelzwei­g wieder Blüten treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?“In der Nikolaikir­che wird nach wie vor jeden Montag für den Frieden gebetet und ein großes Plakat „Schwerter zu Pflugschar­en“steht immer noch im Altarraum. Diese Vision des Propheten Micha ist auch heute noch genauso aktuell wie vor 2500 Jahren, als sie niedergesc­hrieben wurde, wie vor 75 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vor über 30 Jahren, als die Mauer in Deutschlan­d fiel. So mag es auch ein Hoffnungsz­eichen sein, wenn sich morgen Christen aller Konfession­en und Menschen aller Religionen und Weltanscha­uungen an die unzähligen Opfer der Kriege erinnern und dabei betend dafür einstehen, dass in unserer Welt immer mehr Schwerter zu Pflugschar­en werden.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany