Dirigenten und andere Klassiker
Bernhard Kontarsky war schon
14, als Paul Dessaus Brecht-oper „Die Verurteilung des Lukullus“1951 in Berlin (Ost) zur Uraufführung kam. 70 Jahre später dirigiert Kontarsky dieses furiose Werk jugendlich erfrischend in der Stuttgarter Staatsoper – genau, mit 84. Kürzlich flog John Williams nach Europa und dirigierte John Williams, die Berliner Philharmoniker spielten aus „Stars Wars“und auch den „Superman“-marsch – der Supermann unter den Filmkomponisten ist vitale 89 Jahre alt.
Im Klassik-gewerbe gibt’s nun wirklich Klassiker – die Dirigenten. Und wenn sie nicht gerade im Orchestergraben sterben (wie Joseph Keilberth bei „Tristan und Isolde“oder Giuseppe Sinopoli bei „Aida“), treten sie ungern ab. Mit der Aura der lebenden Legende sorgen sie für große Musik.
Manchmal sind es auch erschütternde Auftritte im Angesicht der Vergänglichkeit. So wie jüngst bei Zubin Mehta in der Hamburger Elbphilharmonie. Der Weltstar, der einst auch mit den „Drei Tenören“begeisterte, der Chefdirigient war in
New York und an der Bayerischen Staatsoper, ist jetzt 85 Jahre alt. Und nach langer Krankheit ziemlich gebrechlich. Mühsam, wie in Zeitlupe schritt er aufs Podest oder zum Verbeugen. Und dann hatte er ausgerechnet letzte Werke ausgewählt: das Adagio aus Mahlers unvollendeter 10. Sinfonie und Bruckners ebenso unvollendete, schon todesnah dem „lieben Gott“gewidmete 9. Sinfonie. Sitzend, ohne Noten dirigierte Mehta den Bruckner, mit nur wenigen Gesten – sein altbewährtes Orchester des Maggio Musicale aus Florenz aber wusste, was zu tun war. Transzendente Musik, fast jenseitig – noch irdisch live, im wunderbar plastischen Klang der Elbphilharmonie.
Aber dann gibt’s ja noch den Schweden Herbert Blomstedt. Der kommt an diesem Sonntag mit den Bamberger Symphonikern nach Frankfurt in die Alte (!) Oper – mit märchenhaften 94 Jahren. „Mit dem Alter wird man frei“, sagt Blomstedt. Und er dirigiert nun auch keine Weltabschiedsmusik, sondern die leidenschaftsvollste Sinfonie, die sich denken lässt: Beethovens „Fünfte“. Klassiker unter sich.