Ungleiches Tempo
War Glasgow nun ein Erfolg oder doch nur Blabla, wie Klimaaktivistinnen behaupten? Zu Redaktionsschluss dieser Zeitung stand noch nicht fest, ob die Weltklimakonferenz wie geplant Freitagabend zu Ende gegangen ist, oder ob die Diplomaten mehr Zeit benötigten, um den Vertragstext zu Ende zu verhandeln. Was man allerdings schon jetzt sagen kann, ist, dass es ein Klimagipfel der zwei Geschwindigkeiten war.
So entstanden die meisten der hervorzuhebenden Entscheidungen nicht im mühsamen Un-prozess, bei dem selbst Kleinigkeiten der Zustimmung aller 197 Vertragsstaaten bedürfen. Stattdessen taten sich bei den Projekten jeweils unterschiedlich besetzte Allianzen der Willigen zusammen.
So haben sich mehr als 100 Staaten einer Initiative von EU und den USA angeschlossen, den Ausstoß von Methan zu reduzieren. Ebenfalls über 100 Länder erklärten, bis 2030 die Zerstörung von Wäldern stoppen zu wollen, darunter Kanada, Russland und Brasilien. 33 Länder wollen aus dem Verbrennungsmotor aussteigen. Und rund ein Dutzend Staaten taten sich zusammen, darunter Frankreich und Italien, um ein Ausstiegsdatum für
Gas und Öl zu finden. Das alles ist anders als bei unter dem Un-mantel beschlossenen Abkommen zwar völkerrechtlich nicht bindend, politisch erzeugt es dennoch Handlungsdruck.
Am wichtigsten von alldem war bisher vielleicht das Abkommen der zwei weltweit größten Co2-emittenten USA und China, die vereinbart haben, enger beim Klimaschutz zusammenzuarbeiten. Eine Übereinkunft der beiden Big Player hat schon 2015 das wegweisende Klimaabkommen von Paris überhaupt erst möglich gemacht. Damals hat die Staatengemeinschaft einhellig beschlossen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Allianzen wie diese werden in Zukunft noch wichtiger werden. Gelingt es, in Glasgow das Regelbuch des Pariser Abkommens zu Ende zu verhandeln, in dem die Mechanismen geklärt werden, wie das 1,5-Grad-ziel erreicht werden soll, kann es ab der nächsten Klimakonferenz, die 2022 in Ägypten stattfinden soll, endlich verstärkt um konkrete Maßnahmen im Verkehrs-, Gebäude- oder Energiebereich gehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es auch dann unterschiedliche Geschwindigkeiten geben wird. Und auch die Idee eines Klimaclubs, also einer Koalition verschiedener Staaten mit ähnlichem Co2-preis, die deswegen auf die momentan diskutierten Klimazölle verzichten, entspräche dieser Logik.
Insofern muss man den Briten ein Lob für ihre Konferenzführung aussprechen. Es ist bezeichnend, dass gerade sie es sind, die diese Art der Diplomatie vorantreiben, war es ja eines der Ansinnen des Brexit, flexibler agieren zu können und nicht immer Rücksicht auf den Eu-tanker nehmen zu müssen. Brüssel sollte sich die Konferenz in Glasgow genau anschauen. Vielleicht wäre auch ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, in dem bestimmte Länder die Eu-integration schneller vorantreiben als andere, ein wirksames Mittel gegen die gegenwärtige Krise.
Statt kaum zu erreichender Einstimmigkeit werden Allianzen der Willigen wichtiger.