Sorgsamer Umgang mit der Freiheit
Autorin Anne Weber hält in Marbach die Schillerrede und wird als Brückenbauerin gewürdigt.
Marbach. Für einen überlegten Umgang mit Freiheit und Idealen wirbt die Schriftstellerin Anne Weber. „Wir sollten uns vor unseren Idealen hüten und dem Idealismus“, warnte sie bei ihrer Schillerrede am Sonntag im Deutschen Literaturarchiv (DLA) in Marbach. Der Idealist müsse aufpassen, dass er sich keinem falschen Ideal verschreibe, und beachten, dass über jedem Ideal der einzelne Mensch stehe. Moralische Forderungen seien angreifbar, wenn sie konkret würden, mahnte die Autorin in Friedrich Schillers Geburtsstadt.
Frankreichs Botschafterin Anne-marie Descotes nannte Weber in ihrem Grußwort eine „Brückenbauerin zwischen Frankreich und Deutschland“. Die in Paris lebende Autorin publiziere auf Deutsch und Französisch und arbeite als Übersetzerin. Descotes würdigte das DLA als bedeutenden Ort des kulturellen Erbes und eines der herausragendsten Archive Europas.
Zugleich bezeichnete die Diplomatin Kultur als bedeutsam für das Projekt Europa. Kultur sei Schlüsselthema der französischen Eu-ratspräsidentschaft, die am 1. Januar beginnt. Descotes erinnerte daran, dass das Rechtsstaatsprinzip und die Demokratie das Fundament der EU bildeten. Alle Mitglieder müssten sich dem Gemeinschaftsrecht unterwerfen.
Preisgekrönte Autorin
Weber erhielt für ihre Werke zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2020 den Deutschen Buchpreis für ihren Roman „Annette, ein Heldinnenepos“. Für ihre Übersetzungen wurde sie 2008 mit dem Europäischen Übersetzerpreis und 2016 mit dem Johann-heinrich-voß-preis prämiert. Als Schillerrednerin folgt Weber auf den Virologen Christian Drosten, der 2020 die Rede in Erinnerung an den Geburtstag Schillers (1759-1805) am 10. November hielt. Weitere Sprecher der 1999 begründeten Rede waren der ehemaliger Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der Grünen-politiker Cem Özdemir und Ex-bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).
Die Schillerrede bildete in Marbach den Auftakt zum Schillersonntag, dem Tag der offenen Tür im DLA, an dem auch die überarbeitete Dauerausstellung „Die Seele 2“und als deren Ergänzung die neue Schau „punktpunktkommastrich. Zeichensysteme im Literaturarchiv“eröffnet wurden.