Heidenheimer Zeitung

Stuttgarte­r Herbstblue­s nach Pleite gegen Bielefeld

Der VFB ist in einer prekären Lage. Die große Frage lautet: Hat das junge Team das Rüstzeug für den Kampf gegen den Abstieg?

- Von Marco Seliger

Der Gang in Richtung Fankurve gehört zu den schönsten Dingen, die ein Fußballpro­fi erleben kann. Nach Siegen feiern und sich feiern lassen, mit den Anhängern singen, springen, tanzen und das Glücksgefü­hl teilen – das ist das, wofür sich die Schufterei vorher gelohnt hat. Nach Niederlage­n sieht die Sache anders aus. Und hört sich auch anders an.

Die Stimmung am Samstag um kurz vor halb sechs ist gereizt in der Stuttgarte­r Arena nach der ernüchtern­den 0:1-Heimnieder­lage des VFB gegen das Kellerkind Arminia Bielefeld. Schon Mitte der zweiten Hälfte hat es Pfiffe gegeben bei so manchem Rückpass des einfallslo­s auftretend­en VFB. Nach dem Spiel konzentrie­rt sich alles auf die Cannstatte­r Kurve. Auch hier gibt es Pfiffe, als die Vfb-profis geschlosse­n vor dem Fanblock ankommen. Am Ende dann steht die Kurve zusammen, oder besser, sie schreit zusammen. Der Chor gibt der Mannschaft des VFB in seiner letzten Intonation des Tages den Takt vor: „Auf geht’s Stuttgart, kämpfen und siegen!“

Darum geht es nun, ums Kämpfen und ums Siegen. Drin sei der VFB nun im Kampf gegen den Abstieg, das betont der Sportdirek­tor Sven Mislintat später am Abend. Die große Frage aber, die sich am Ende stellt, ist die: Kann der VFB das, den Kampf gegen den Abstieg annehmen – hat er überhaupt das Rüstzeug dazu?

Klar ist, dass das so verletzung­sgebeutelt­e Team ein Dutzend Ausfälle auch gegen Arminia Bielefeld nicht mehr kompensier­en konnte. Kurzfristi­g musste auch noch Stürmer Hamadi Al Ghaddioui wegen einer Erkältung passen. Mit Blick auf die nächste Partie bei Borussia Dortmund, die nach der Länderspie­lpause am 20. November folgt, besteht nun immerhin bei den Abwehrmänn­ern Konstantin­os Mavropanos und Marc Kempf sowie den Offensivkr­äften Al Ghaddioui, Omar Marmoush und Chris Führich Hoffnung auf eine Rückkehr. Obendrein könnte Silas Katompa Mvumpa nach seinem Kreuzbandr­iss beim BVB zu einem ersten Kurzeinsat­z kommen. „Je mehr Spieler zurück sind, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass wir unsere Ziele erreichen“, sagt Mislinat und versichert, „dass wir einen anderen VFB sehen werden, wenn wir wieder eine volle Kapelle haben“.

Wie sehr dieser VFB der Musik hinterherl­äuft, zeigte sich gegen Bielefeld und vorher beim 1:4 in Augsburg – beide Auftritte werfen die Frage nach der Wettbewerb­shärte dieser jungen Mannschaft auf. Denn noch immer ist der Stuttgarte­r Kader trotz aller Verletzten zumindest nicht schlechter besetzt als jener von Bielefeld und Augsburg – das Team von Trainer Pellegrino Matarazzo

ließ sich aber niederring­en (in Augsburg) und nun teils sogar spielerisc­h dominieren (gegen das biedere Bielefeld). Es war also nicht da, als es darauf ankam in den beiden Schlüsselp­artien. „Wir haben gerade zu viele junge Spieler, die zu viel Verantwort­ung für ihr Alter übernehmen müssen“, sagt Sven Mislintat.

Nach dem Wiederaufs­tieg 2020 und der sorgenfrei­en Vorsaison voller Unbekümmer­theit und einem spielerisc­hen Lauf machen nun also fast alle jungen Profis des VFB eine neue Erfahrung: im Tabellenke­ller gegen Widerständ­e und einen Negativlau­f ankämpfen zu müssen.

Ob die Vfb-profis der Drucksitua­tion mental gewachsen sind, bleibt offen. Klar ist auch, dass die Rückkehr der Verletzten keine Garantie für bessere Zeiten sein wird. So haben die beiden Torjäger Silas und Sasa Kalajdzic, der spätestens Anfang Januar wieder am Ball sein soll, noch keine Erfahrunge­n im Kampf gegen den Abstieg gesammelt. Offen ist auch, wie lange sie brauchen, um nach ihren langen Pausen wieder zur alten Form zu finden.

Konkrete Antworten darauf wird es erst im Winter geben – bis dahin droht ein trister Herbst in Stuttgart-bad Cannstatt.

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Dortmunds Kapitän Marco Reus jubelt über sein Tor zum 1:1.

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