Stuttgarter Herbstblues nach Pleite gegen Bielefeld
Der VFB ist in einer prekären Lage. Die große Frage lautet: Hat das junge Team das Rüstzeug für den Kampf gegen den Abstieg?
Der Gang in Richtung Fankurve gehört zu den schönsten Dingen, die ein Fußballprofi erleben kann. Nach Siegen feiern und sich feiern lassen, mit den Anhängern singen, springen, tanzen und das Glücksgefühl teilen – das ist das, wofür sich die Schufterei vorher gelohnt hat. Nach Niederlagen sieht die Sache anders aus. Und hört sich auch anders an.
Die Stimmung am Samstag um kurz vor halb sechs ist gereizt in der Stuttgarter Arena nach der ernüchternden 0:1-Heimniederlage des VFB gegen das Kellerkind Arminia Bielefeld. Schon Mitte der zweiten Hälfte hat es Pfiffe gegeben bei so manchem Rückpass des einfallslos auftretenden VFB. Nach dem Spiel konzentriert sich alles auf die Cannstatter Kurve. Auch hier gibt es Pfiffe, als die Vfb-profis geschlossen vor dem Fanblock ankommen. Am Ende dann steht die Kurve zusammen, oder besser, sie schreit zusammen. Der Chor gibt der Mannschaft des VFB in seiner letzten Intonation des Tages den Takt vor: „Auf geht’s Stuttgart, kämpfen und siegen!“
Darum geht es nun, ums Kämpfen und ums Siegen. Drin sei der VFB nun im Kampf gegen den Abstieg, das betont der Sportdirektor Sven Mislintat später am Abend. Die große Frage aber, die sich am Ende stellt, ist die: Kann der VFB das, den Kampf gegen den Abstieg annehmen – hat er überhaupt das Rüstzeug dazu?
Klar ist, dass das so verletzungsgebeutelte Team ein Dutzend Ausfälle auch gegen Arminia Bielefeld nicht mehr kompensieren konnte. Kurzfristig musste auch noch Stürmer Hamadi Al Ghaddioui wegen einer Erkältung passen. Mit Blick auf die nächste Partie bei Borussia Dortmund, die nach der Länderspielpause am 20. November folgt, besteht nun immerhin bei den Abwehrmännern Konstantinos Mavropanos und Marc Kempf sowie den Offensivkräften Al Ghaddioui, Omar Marmoush und Chris Führich Hoffnung auf eine Rückkehr. Obendrein könnte Silas Katompa Mvumpa nach seinem Kreuzbandriss beim BVB zu einem ersten Kurzeinsatz kommen. „Je mehr Spieler zurück sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir unsere Ziele erreichen“, sagt Mislinat und versichert, „dass wir einen anderen VFB sehen werden, wenn wir wieder eine volle Kapelle haben“.
Wie sehr dieser VFB der Musik hinterherläuft, zeigte sich gegen Bielefeld und vorher beim 1:4 in Augsburg – beide Auftritte werfen die Frage nach der Wettbewerbshärte dieser jungen Mannschaft auf. Denn noch immer ist der Stuttgarter Kader trotz aller Verletzten zumindest nicht schlechter besetzt als jener von Bielefeld und Augsburg – das Team von Trainer Pellegrino Matarazzo
ließ sich aber niederringen (in Augsburg) und nun teils sogar spielerisch dominieren (gegen das biedere Bielefeld). Es war also nicht da, als es darauf ankam in den beiden Schlüsselpartien. „Wir haben gerade zu viele junge Spieler, die zu viel Verantwortung für ihr Alter übernehmen müssen“, sagt Sven Mislintat.
Nach dem Wiederaufstieg 2020 und der sorgenfreien Vorsaison voller Unbekümmertheit und einem spielerischen Lauf machen nun also fast alle jungen Profis des VFB eine neue Erfahrung: im Tabellenkeller gegen Widerstände und einen Negativlauf ankämpfen zu müssen.
Ob die Vfb-profis der Drucksituation mental gewachsen sind, bleibt offen. Klar ist auch, dass die Rückkehr der Verletzten keine Garantie für bessere Zeiten sein wird. So haben die beiden Torjäger Silas und Sasa Kalajdzic, der spätestens Anfang Januar wieder am Ball sein soll, noch keine Erfahrungen im Kampf gegen den Abstieg gesammelt. Offen ist auch, wie lange sie brauchen, um nach ihren langen Pausen wieder zur alten Form zu finden.
Konkrete Antworten darauf wird es erst im Winter geben – bis dahin droht ein trister Herbst in Stuttgart-bad Cannstatt.