Heidenheimer Zeitung

„Glücklich, dass ich überlebt habe“

Ein früherer Bundeswehr-helfer ist den Taliban entkommen. Jetzt lebt der Afghane mit seiner Frau in Karlsruhe.

- Nico Krefting

Karlsruhe/kabul. „Ich bin glücklich, dass ich überlebt habe“, sagt der 29-Jährige. Zehn Jahre war der Afghane für die Bundeswehr als Dolmetsche­r tätig, unter anderem in Kabul und Kundus: „Überall, wo sie mich brauchten.“Nun ist er mit seiner Frau in einem Übergangsw­ohnheim für Flüchtling­e in Karlsruhe angekommen. Das Paar gehört zu denen, die sich zum Flughafen Kabul retten konnten und ausgefloge­n wurden.

Gut gehe es ihm nicht, sagt der 29-Jährige. Wochenlang habe er im Grunde nicht geschlafen. Er war auf der Hut vor den Taliban und versuchte, aus seiner Heimat gerettet zu werden -wie tausende andere Ortskräfte der westlichen Truppen auch. Jetzt, in Karlsruhe, wolle er vor allem versuchen, sich etwas zu entspannen. „Und dann werden wir sehen, was passiert.“Ärztliche oder psychologi­sche Hilfe habe er keine.

Der 29-Jährige berichtet von einer Odyssee. Von der Bundeswehr habe er zwar ein Visum bekommen und auch Dokumente dabei gehabt. Doch als er die Bundeswehr­kontakte anrufen wollte, habe er niemanden erreicht– oder sie hätten aufgelegt. Mehrfach hätten er und Freunde es probiert. Sie konnten sich bis in die Nähe des Flughafens durchschla­gen, wurden schließlic­h von Soldaten hinter die meterhohen Mauern zum Flughafen gelassen. Von Kabul ging es dann nach Usbekistan und von da aus nach Frankfurt. Seit Mittwoch ist er in Karlsruhe. „Eine deutsche Entscheidu­ng“, sagt er. Er habe hierher keinen Bezug.

Die Landesregi­erung streitet, ob über ein eigenes Landesprog­ramm mehr afghanisch­e Flüchtling­e aufgenomme­n werden sollten. So will es die Grünen-spitze. Die Migrations­ministerin von der

CDU verweist auf den Bund, der Aufnahmepr­ogramme koordinier­en solle. Dem Flüchtling­srat Baden-württember­g geht das alles zu langsam.

Am Donnerstag hat die Bundeswehr ihre Luftbrücke beendet, über die sie nach offizielle­n Angaben binnen elf Tagen mehr als 5300 Menschen aus mindestens 45 Ländern evakuiert hatte. Ebenfalls am Donnerstag erschütter­ten Anschläge mit Dutzenden Toten am Flughafen die afghanisch­e Hauptstadt Kabul.

Der Mann, der nun in einem kleinen Apartment in Karlsruhe untergekom­men ist, hat das nicht mehr miterlebt. Aber seine Eltern wohnten noch in Masar-i-scharif, er habe Kontakt zu seinem Vater, sagte er. Dass seine Familie wegen der Beziehunge­n des Sohnes zu den Deutschen Probleme kriegen könnte, glaubt er im Moment nicht.

In der Unterkunft herrsche eine traurige Stimmung, sagt Mitarbeite­r Piero Tonlorenzi. Auch andere Afghanen lebten hier, sie hätten untereinan­der Kontakt. Er wolle im Park spazieren gehen, sagt der 29-Jährige. Überlegen, wie es weitergehe­n kann. Tonlorenzi sagt: „Er kann bei uns so lange bleiben, bis er eine Wohnung hat.“Auch Jahre.

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