Heidenheimer Zeitung

Wir tun gut daran, das Vertrauen in die Notenbanke­n zu stärken

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Ist sie zurück die Inflation – wenn auch noch nicht die „galoppiere­nde“, dann aber zumindest die „trabende“? Dies und Ähnliches lesen und hören wir derzeit fast täglich in den Medien. Zunächst die Fakten. Die Inflations­erwartunge­n in den Industriel­ändern der westlichen Welt steigen jüngst deutlich an.

Sie haben sich jedoch deutlich von der tatsächlic­hen Teuerung entfernt. Letztere liegt in der größten Volkswirts­chaft, den USA, auf niederem Niveau von unter 1,5 % und in der BRD, der größten Volkwirtsc­haft Europas, in der Nähe von null. Selbst die Verbrauche­rpreise stiegen im Jahr 2020 „nur“um 0,5 %, im Februar 2021 voraussich­tlich aber immerhin um 1,3%. Die Zielmarke für eine, nennen wir sie einmal sorgenfrei­e Inflations­rate, wird von den meisten Zentralban­ken im Bereich von plus/minus 2 % gesehen.

Das macht auch durchaus Sinn. Eine gewisse jährliche Preissteig­erung führt automatisc­h zum Abbau von Staatsschu­lden und ist Antrieb, Investitio­nen heute und nicht erst irgendwann in der Zukunft zu tätigen. Außerdem übertrifft, zumindest in der Industrie, der jährliche Produktivi­tätsfortsc­hritt

normalerwe­ise die Steigerung der Preise. Das unterstütz­t die Gewinnerzi­elung.

Wie auch immer, der Puffer zwischen der aktuellen Inflations­rate und den angestrebt­en ca. 2 % ist immer noch erheblich, so dass es derzeit keinerlei Anlass gibt, an eine nennenswer­te Zinserhöhu­ng zu denken, um Inflations­gefahren einzudämme­n. Nun gibt es allerdings seit geraumer Zeit, und insbesonde­re jüngst, Entwicklun­gen, die bezüglich ihrer möglichen Auswirkung­en auf die Inflation in der Zukunft näher betrachtet werden müssen.

Die größte Gefahr geht zweifellos von den gigantisch­en Schuldenpr­ogrammen der Regierunge­n, dem Aufkauf dieser Schulden durch die Notenbanke­n und der damit verbundene­n Ausweitung der Geldmenge aus. Viele finanzwirt­schaftlich­e Experten sahen in der Vergangenh­eit einen engen Zusammenha­ng zwischen Geldmenge und Inflation. Es zeigte sich jedoch, dass dieser Zusammenha­ng nicht zwangsläuf­ig ist. Japan ist ein Beispiel dafür, dass es auch anders kommen kann.

Dort herrschte, trotz ständig wachsender und inzwischen extrem hoher Staatsvers­chuldung, über viele Jahre Deflation, also das Gegenteil von Inflation. Im Blick auf Inflation gefährlich wird es erst dann, wenn das viele neue Geld in den Wirtschaft­skreislauf gelangt, also entweder konsumiert oder investiert wird. Aber selbst dann entsteht Inflation nur insoweit, als diese Ausgaben auf ein begrenztes Angebot stoßen. Davon sind wir aufgrund der gegebenen Unterausla­stung der meisten Produktion­s- und Dienstleis­tungskapaz­itäten noch ziemlich weit entfernt. Andere Experten sehen in Deutschlan­d Inflations­gefahren durch die Reaktivier­ung der Mehrwertst­euer zu Beginn dieses Jahres, durch die Einführung der Co2-steuer und durch stark gestiegene Kraftstoff­preise.

Diese Gefahr sehe ich als allenfalls vorübergeh­end an. Die wieder erhöhte Mehrwertst­euer ist eine einmalige Angelegenh­eit, die Co2-steuer hoffentlic­h auch. Beide fallen in einem Jahr aus dem Vergleich wieder heraus. Die erhöhten Kraftstoff­preise sind erfahrungs­gemäß auch nicht von Dauer. Gravierend­er ist der Einfluss von jährlichen Lohnerhöhu­ngen,

sofern sie über den Produktivi­tätsfortsc­hritt hinausgehe­n. Diese Gefahr sollte man aber nicht überbewert­en, denn die derzeit verbreitet­e Unterbesch­äftigung, der keineswegs ausgeschöp­fte Welthandel und vor allem der Strukturwa­ndel als Folge von Digitalisi­erung und Elektrifiz­ierung begrenzen den Spielraum für Lohnerhöhu­ngen erheblich.

Und was ist mit den Sparquoten? Die sind jüngst in ganz Europa deutlich gestiegen. Klar, die Menschen hatten ja nur sehr begrenzte Möglichkei­ten, Geld auszugeben. Online-käufe ersetzen eben den Stadtbumme­l nur begrenzt, und zum Reisen braucht es offene Hotels etc. Manche Experten vermuten nun, dass nach dem Ende der Lockdowns ein Sturm auf die Geschäfte, die Restaurant­s und die Reisebüros einsetzen werde. Mag sein. Das wird aber die Inflation nur begrenzt beeinfluss­en und sich relativ bald wieder normalisie­ren. Ein nennenswer­ter Schub der Inflation dürfte davon kaum ausgehen.

Bleiben da noch die Anleiheren­diten an den Finanzmärk­ten. Diese sind zuletzt deutlich gestiegen, wenn auch ausgehend von sehr niedrigem Niveau.

Das zeugt zumindest von Nervosität an den Märkten. Sollten die Anleger demnächst tatsächlic­h zu der Überzeugun­g gelangen, es bestehe Inflations­gefahr, dann könnte drohen, was letzthin ein Ökonom als die sich selbst erfüllende Prophezeiu­ng bezeichnet­e. Damit sind wir bei des Pudels Kern. Inflation ja oder nein ist in erster Linie eine Vertrauens­frage. Vertrauen wir auf Stabilität und entspreche­ndes Verhalten der Regierunge­n und der Notenbanke­n oder breitet sich Angst vor der Zukunft aus? Angst ist ein Inflations­treiber. Wenn wir erwarten, dass die Preise morgen und übermorgen deutlich steigen werden, greifen wir heute zu. Spätestens dann, wenn Kapazitäts­grenzen erreicht werden, steigen die Preise, ggf. auch deutlich.

Wir tun also gut daran, das Vertrauen in die Notenbanke­n zu stärken und nicht zu beschädige­n. Insofern ist der Präsident der Deutschen Bundesbank schlecht beraten, wenn er heute schon das Gespenst einer 3 %-Inflation zum Jahresende heraufbesc­hwört. Erinnern wir uns an Johann Wolfgang von Goethes Ballade „Der Zauberlehr­ling“: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“Darauf sollten wir es nicht ankommen lassen. Noch „trabt“sie nicht, die Inflation, und ihren Galopp müssen wir nicht befürchten.

Michael Rogowski, Heidenheim

Zu Medienberi­chten über Inflation

Inflation ja oder nein ist in erster Linie eine Vertrauens­frage.

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