Welle an Privatinsolvenzen in der Corona-krise
Ein neues Gesetz ermöglicht es, schon nach drei Jahren wieder schuldenfrei zu sein und damit einen wirtschaftlichen Neuanfang starten zu können. Das hat erhebliche Auswirkungen.
Landkreis. Ein neues Gesetz ermöglicht es, bereits nach drei Jahren wieder schuldenfrei zu sein.
Private Insolvenz: für manche Menschen der letzte Ausweg, um einen Berg an Schulden jemals zu überwinden. Derzeit schwappt eine regelrechte Welle auf die zuständigen Gerichte herein. Sieht man sich die Liste der Verfahren an, dann wurden allein seit Januar im Kreis Heidenheim rund 75 Privatinsolvenzen beantragt, und täglich kommen neue hinzu. Zum Vergleich: Laut Statistischem Landesamt lag die Zahl der privaten Insolvenzen im gesamten Jahr 2019 bei 108.
Künftig schneller schuldenfrei
Aber woran liegt das? Sind hier die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona zu spüren?
Am zuständigen Amtsgericht in Aalen hat man keinen Einblick, was letztendlich die Schuldner zu diesem Schritt führt. Die Vermutung liege aber nahe, dass das zum 1. Januar 2021 geänderte Insolvenzgesetz zu einer Welle an Anträgen geführt habe. Wer bisher in der Regel sechs Jahre warten musste, bis eine Restschuldbefreiung möglich war, kann diese nun bereits nach drei Jahren erhalten.
Viele haben Gesetz abgewartet
Elke Keck, Schuldnerberaterin beim Diakonischen Werk, hat das Verfahren des neuen Gesetzes genau verfolgt. Sie hatte ihren Klienten geraten, mit der Beantragung der Insolvenz abzuwarten, bis die Details des Gesetzes klar sind. Das hätten andere Beratungsstellen und Rechtsanwälte sicher ebenso gehandhabt, und deshalb sei die hohe Zahl an Privatinsolvenzen in den ersten Wochen des neuen Jahres nicht unbedingt repräsentativ.
Einen generellen Anstieg an Beratungsbedarf stellen sie und ihre beiden Kolleginnen Yvonne Viceconte und Monika Bürk durch die Pandemie bisher nicht fest. Das liege aber mit daran, dass die Beratungsstelle generell gut ausgelastet sei.
Möglichst früh Hilfe suchen
Die Begleitung eines Insolvenzverfahrens sei umfangreich und nicht von heute auf morgen auf die Beine zu stellen. Dazu kämen immer wieder Klienten mit akutem Hilfsbedarf, weil die Kontopfändung droht oder der Strom abgeschaltet werden soll. In solchen Fällen versuche man natürlich so schnell wie möglich zu helfen, erklärt Keck. Sie wünsche sich allerdings auch, dass die Menschen früher die Hilfe der Beratungsstelle suchen würden. Da würde sich so manches besser regeln lassen, erklärt Keck. Doch die Beraterin weiß auch, dass das nicht immer einfach ist. In vielen Fällen sei es ein unvorhersehbarer Schicksalsschlag, der zu einer wirtschaftlichen Schieflage führe. „Das kann jedem passieren“, warnt Keck. Krankheit, Arbeitslosigkeit oder eine Scheidung seien oftmals Auslöser des finanziellen Fiaskos.
Schulden sind ein Tabu-thema
Hans-peter Wagner, Schuldnerberater beim Landkreis Heidenheim, sieht das genauso. Die Beratungsstelle sei nicht selten der allerletzte Ausweg. Sich selbst einzugestehen, dass man mit den Schulden allein nicht mehr klarkomme, sei ein schwerer Schritt. Schulden seien ein absolutes Tabu-thema.
Über jede Krankheit werde am Stammtisch geredet, aber niemals über Schulden.
Auch Wagner hat seinen Klienten geraten, das neue Gesetz mit der geringeren Laufzeit bis zu einer möglichen Restschuldbefreiung abzuwarten. Generell verzeichne er aber bisher keinen verstärkten Beratungsbedarf durch die Pandemie. Die unsichere wirtschaftliche Lage würde die Arbeit derzeit erschweren, erklärt Wagner. Um einen vernünftigen Weg aus der Schuldenfalle aufzuzeigen, sei es hilfreich, das Einkommen der nächsten Jahre zu kennen, aber das sei derzeit oftmals noch weniger absehbar als bisher.