Gegen Versagensängste und Mutlosigkeit
Die Pandemie führt bei Kindern zu zusätzlichen seelischen Belastungen. Die beiden Schulsozialarbeiter am Bibris-schulzentrum sind dadurch mehr gefragt und gefordert.
Gerade in Zeiten der Corona-pandemie spielt die Schulsozialarbeit eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Die Schulen zu und trotzdem Schulsozialarbeit? „Die Schüler haben wir weiterhin und alle Sorgenkinder“, sagt Anja Kroll, die seit dem Schuljahr 2014/15 am Buigen-gymnasium als Schulsozialarbeiterin tätig ist. „Und auch alle Probleme, und davon sogar noch mehr“, berichtet Hans-jürgen Schilk, der bereits seit 2010 diese Aufgabe in der Bibris-gemeinschaftsschule übernommen hat. Der vermehrte Hilfebedarf lässt sich in Zahlen fassen. Bereits im ersten Schulhalbjahr haben die Schulsozialarbeiter so viele Beratungsanliegen gehabt wie im ganzen Schuljahr zuvor. Und das könnte erst die Spitze eines Eisbergs sein, befürchtet Kroll.
Feste Struktur fehlt
Mit dem Schließen der Schulen sei für viele Schüler eine feste Struktur ihres Lebens weggebrochen. „Schule ist eben nicht nur Lernen. Es sind auch die Freunde, die Pausen, die Verabredungen und alles, was Spaß macht“, sagt Kroll.
Am intensivsten sei dies in der ersten Phase der Schließungen zu spüren gewesen, als die Schulen selbst erst für den Fernunterricht digitale Zugänge zu den Schülern und Klassen aufbauen mussten. Davon, dass diese Verbindungen jetzt stehen, profitieren auch die Schulsozialarbeiter. Mit dem Schließen der Schule war auch ihre Präventivarbeit mit Gruppen und Klassen in den Jahrgangsstufen 5 und 6 nicht mehr möglich, das eigentliche Eingangstor für gegenseitiges Kennenlernen und Vertrauen. Heute nützen auch Kroll und Schilk die an beiden Schulen aufgebauten Kommunkationskanäle,
um Kontakte aufzubauen. „Wir sind erreichbar geblieben“, betont Schilk, aber man müsse „mehr bohren, mehr nachfragen“, haben beide die Erfahrung gemacht, die Schüler kapselten sich ab.
Psychische Probleme verdrängt
Nicht anders als Erwachsene wollten Schüler zeigen, dass sie funktionierten, dass sie ihre Aufgaben schafften. Sie wollten nicht als Versager dastehen. Psychische Probleme, so Kroll, würden verdrängt.
Und davon haben die beiden
Schulsozialarbeiter in den vergangenen Wochen über Videochats oder auch übers Telefon viele kennengelernt. Sie sprechen von Versagensängsten, wenn die Schule wieder für alle Klassen losgeht, von Lustlosigkeit, Niedergeschlagenheit und Zweifeln am Sinn des Lernens, von Schlafproblemen und von Gefühlen der Überforderung, allein selbstständig arbeiten zu müssen. „Online passt nicht für alle“, sagt Kroll. Schüler litten natürlich auch darunter, sich nicht mehr mit Freunden treffen zu können. Dazu kämen Konflikte in den häuslichen
Gemeinschaften. Schilk und Kroll erleben auch, wie alte Süchte wieder auftauchen wie Alkohol, Rauchen oder Cannabis. Wie tief die Jugendlichen in virtuelle Welten eintauchen, bei täglich durchgängig geöffneten Bildschirmen an Laptops, Tablets oder Smartphones, lasse sich gar nicht mehr einschätzen.
Zuhören und beraten
Die Aufgaben, die sich für die Schulsozialarbeiter ableiten, reichen vom Zuhören über das Motivieren bis hin zu Beratungshilfe, wenn Schüler in eine Therapie
übergeleitet werden sollten. Die Ängste der Schüler müssten ernst genommen werden, damit man sie überwinden könne.
Kirstin Bosch, die Fachbereichsleiterin für Schulen, Sport und Kultur im Rathaus ist froh, dass die Stadt sich vor vier Jahren entschieden hat, Schulsozialarbeit zu finanzieren. Angestellt sind Schilk und Kroll bei der Eva Heidenheim, auf deren Expertise die Stadt vertraue. „Es ist wichtig, dass die Kinder jemand haben, an den sie sich wenden können.“Wie Schilk berichtet, sehen das nicht alle Kommunen so. Er hat von Fällen gehört, bei denen man mit dem Schließen der Schulen die Schulsozialarbeiter in die Kurzarbeit geschickt habe. „Das ist nicht erklärbar“, sagt Matthias Linder, der Geschäftsführer der Eva Heidenheim. Corona zeige wie ein Brennglas die Probleme der Schüler.