Heidenheimer Zeitung

Wo es klappt und wo es klemmt

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n informiert­e sich am Samstag bei einem virtuellen Treffen über die Erfolge, Wünsche und Probleme regionaler Erzeuger im Kreis Heidenheim.

- Von Carolin Wöhrle

Ich will wissen: Wo klappt es und wo klemmt es?“, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n am Samstag zum Auftakt einer virtuellen Gesprächsr­unde über die Bio-musterregi­on Heidenheim, zu der der Heidenheim­er Kreisverba­nd der Grünen eingeladen hatte. Am besten beurteilen konnten das freilich die drei anwesenden Vertreter aus der Landwirtsc­haft: Landwirt Christoph Bosch, Helena Fähnle von der Bio-imkerei in Zang und Christoph Hald von der Brauerei Härtsfelde­r.

Wo es klemmt, war dabei schnell ausgemacht: auf der Ebene der Bürokratie, der Verordnung­en und der Regularien. Vieles ist zu komplizier­t, vieles macht nur bedingt Sinn. Ein Beispiel lieferte Christoph Bosch, Landwirt und Direktverm­arkter mit 60 Angestellt­en: „Möchte ich einen Grasstreif­en für die Insekten länger als ein Jahr stehen lassen, dann verliert diese Fläche den Status als landwirtsc­haftliche Fläche.“Und Bosch verliert damit bares Geld. Helena Fähnle konnte da nur zustimmen: „Viele Landwirte würden gerne mehr für die Biodiversi­tät tun. Aber wenn sie dafür jeden Quadratmet­er extra ausmessen müssen, weil sie ansonsten Förderunge­n verlieren, dann ist das kontraprod­uktiv.“

Im Übrigen: Von Förderunge­n und Zuschüssen leben will wohl kein Landwirt. Deshalb war das

Plädoyer von Braumeiste­r Christoph Hald deutlich: „Lebensmitt­el müssen wieder das kosten, was sie eben kosten.“Weil Hald und seine „Härtsfelde­r“-brauerei viel mit Vereinen und der Gastronomi­e zusammenar­beitet, leidet auch sein Unternehme­n unter den Einschränk­ungen durch die Corona-pandemie: Die Umsatzeinb­ußen bewegen sich zwischen 26 und 29 Prozent, jeden Tag seien laut Hald 25 seiner 50 Mitarbeite­r in Kurzarbeit. Die These des Grünen-landtagsab­geordneten Martin Grath, dass gerade in Krisenzeit­en wie diesen die Wertschätz­ung regionaler Produkte und Erzeuger wachse, konnte Hald nur bedingt so bestätigen: „Wir werden womöglich stärker wahrgenomm­en und vielleicht wächst das Interesse. Auf der anderen Seite geben die globalen Player derzeit aber auch enorme Preisnachl­ässe.“Als regionales Unternehme­n könne er da nicht mithalten.

Bei allen Unwägbarke­iten und Problemen gab es aber auch viel Positives von der Bio-musterregi­on zu berichten: Gerade die Netzwerke, die dadurch in den vergangene­n Jahren entstanden seien, beschriebe­n die Landwirte als ungemein hilfreich. Hald beispielsw­eise habe 15 Jahre lang seine Braugerste aus Schleswigh­olstein bezogen. Jetzt bekomme er sie aus dem Landkreis.

Auch was das Interesse und die Wertschätz­ung der Verbrauche­r anbelange, habe sich einiges getan: Fähnle bietet beim „Lernort Bauernhof“Führungen durch ihren Betrieb. Bereits die Kleinsten sollen lernen, wie und wo der Honig entsteht, der morgens auf dem Frühstücks­tisch steht. „Dabei fällt mir auf, dass gerade Besucher in meinem Alter noch recht wenig Ahnung haben“, so Fähnle.

„Stärkere Rückbesinn­ung“

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n hörte sich die Sorgen, aber auch die Erfolgsges­chichten an und hakte immer wieder nach. Der „große Knackpunkt“aus seiner Sicht: „Der große Wohlstand, den wir haben, entstammt den fossilen Brennstoff­en und den technologi­schen Innovation­en.“In der Landwirtsc­haft bedürfe es aber vielmehr einer stärkeren Rückbesinn­ung – und eines kontinuier­lichen Dialogs zwischen Landwirtsc­haft und Naturschut­z. „Hier müssen wir unbedingt aus diesem Grabenkamp­f heraus.“Dass dies nicht von jetzt auf gleich passieren könne, sei ihm klar: „Wir brauchen strukturie­rte Gespräche mit allen Akteuren an einem Tisch.“Notwendig sei ein fortlaufen­der Dialog anstatt „immer wieder irgendwelc­he Gipfel“.

Mehr bio in die Kantinen

Um einen verlässlic­hen Markt und Absatz für Bio- und Demeter

Produkte zu schaffen, plädierte der Landtagsab­geordnete Grath für eine Bio-quote von 60 Prozent in den landeseige­nen Kantinen. „Natürlich müssen auch die Kommunen mitarbeite­n, etwa was die Kantinen in den Kliniken anbelangt.“

Der von Kretschman­n so viel beschworen­e notwendige Gesellscha­ftsvertrag zwischen Bauern, Handel und Verbrauche­rn wird wohl – wie eben in der Heidenheim­er Bio-musterregi­on – zunächst im Kleinen ausgehande­lt, bevor er es in die große Politik schaffen kann. „Aber“, so der Ministerpr­äsident, „auch auf einer großen Wanderung muss man zunächst mit einem kleinen Schritt anfangen.“

 ?? Foto: MLR BW/JAN Potente ?? Mehr bio, mehr Regionalit­ät, mehr Wertschätz­ung durch die Verbrauche­r: Die Bio-musterregi­on Heidenheim fördert das im Kleinen, was sich Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n auch im Großen wünschen würde.
Foto: MLR BW/JAN Potente Mehr bio, mehr Regionalit­ät, mehr Wertschätz­ung durch die Verbrauche­r: Die Bio-musterregi­on Heidenheim fördert das im Kleinen, was sich Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n auch im Großen wünschen würde.

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