Für immer immun?
Für viele Krankheiten gilt: Hat man sie einmal überstanden, bekommt man sie nicht wieder. Inwiefern das für Covid-19 gilt, ist ungewiss.
Auf der anderen Seite gibt es Zweifel, ob ein Impfstoff überhaupt lange genug wirkt, um effektiv zu sein. Denn im Blut von Genesenen lassen sich zwar spezielle Abwehrmoleküle, Antikörper, gegen das Virus nachweisen. Wie sich herausstellte, nahm deren Konzentration aber bei vielen Menschen schnell wieder ab. Schon acht Wochen nach überstandener Infektion, berichten chinesische Forscher im Fachblatt „Nature Medicine“, sind bei 40 Prozent der Personen keine virusspezifischen Antikörper mehr nachweisbar. Zumindest bei jenen, die keine Symptome hatten. Bei den symptomatisch Erkrankten hatten rund 13 Prozent keine Antikörper mehr. Zwar hatten die Forscher nur rund 70 Menschen untersucht. Andere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Und schon bald gab es neue Hiobsbotschaften: Offenbar kann man sich ein zweites Mal mit Sarscov-2 infizieren. Bis heute sind fünf solcher Fälle bekannt. Das sei, gemessen an der Zahl der Menschen, die sich bislang infiziert haben, verschwindend gering, sagt die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek im Ndr-podcast „Coronavirusupdate“vom 3. November. Einzelfälle mögen nicht viel aussagen. Experten kamen in einem „Press Briefing“des Science Media Centers zum Fazit: Wir wissen nicht, wer wie lange immun ist. Klar ist aber: Es kommt nicht nur auf die Antikörper an.
„T-zellen erkennen virusinfizierte Zellen und töten diese gezielt. Sie spielen also eine ganz, ganz wichtige Rolle in der Virusabwehr“, sagt Robert Thimme, Direktor der Klinik für Innere Medizin an der Uniklinik Freiburg. In einer Studie, die im „Nature Medicine“veröffentlicht wurde , zeigt er und sein Team, dass Patienten unmittelbar nach einer Infektion mit SARS-COV-2 eine starke T-zell-antwort haben. Und: Sie bleibt ihnen offenbar langfristig erhalten. „Wir haben
Patienten verfolgt, da verschwinden die Antikörper, aber die T-zellen bleiben“, berichtet Thimme im Press Briefing. Und: „Das zeigen gerade viele Studien weltweit in unterschiedlichen Kohorten.“Auch bei Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, das 2002/2003 die Sars-epidemie ausgelöst hat, seien 10 Jahre danach T-zellen nachweisbar gewesen, sagt Thimme. Das stimme ihn optimistisch. Vielleicht können wir doch immun gegen das Virus werden – durch eine Infektion oder einen Impfstoff.
Auch Leif-erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité ist optimistisch. „Die bisherigen Daten zeigen, dass Impfungen eine gute Immunantwort auslösen.“Sie induzierten sowohl die Bildung von Antikörpern, als auch, soweit bekannt, relativ gute T-zellen-antworten. Das Problem: Nicht bei allen Menschen funktioniert das gleich gut.
Das Immunsystem älterer Menschen lernt nicht Das Immunsystem altert mehr so gut. Sie haben weniger T-zellen, die sich an einen neuen Erreger anpassen und ihn beseitigen können. „Impfungen funktionieren bei einem Drittel der alten Menschen fast gar nicht mehr“, sagt Hartmut Geiger von der Uni Ulm. Er erforscht, wie Zellen – auch unser Immunsystem – altern. In den laufenden Impfstoffstudien werden vor allem junge Menschen geimpft. „Man müsste die Impfstoffe auch an Älteren testen“, sagt Geiger. Diese Altersgruppe ist schließlich besonders gefährdet – und soll den Impfstoff möglicherweise zuerst bekommen. Momentan gebe es da einen Unsicherheitsfaktor, sagt Geiger. Sprich: Man weiß noch nicht genau, wie gut die neuen Impfstoffe die Älteren schützen.
Eine weitere Einschränkung könnte sich daraus ergeben, dass man Impfstoffe üblicherweise in den Muskel spritzt. Von dort aus erzeugen sie eine systemische Immunreaktion: Im Blut werden T-zellen aktiviert und Antikörper produziert. Das Corona-virus aber befällt zuerst die Schleimhäute der Atemwege. Bis die Viren ins Blut gelangen, wo der Impfschutz ansetzt, können sie sich eine Weile ungehindert vermehrten. Die Krankheit könnte also ausbrechen, auch wenn sie vielleicht milder verläuft. Ein Trost: Einige Forschergruppen arbeiten bereits an Impfstoffen, die durch die Nase, etwa als Spray, verabreicht werden. Aber bis sie marktreif sind, wird es wohl noch dauern.
„Es ist ein saisonales Virus, das wiederkommen wird“, sagt Robert Thimme. Die Experten vermuten, dass wir uns auch nach überstandener Infektion irgendwann wieder anstecken können. „Aber die Botschaft ist: die Immunantwort bleibt“, ergänzt er. Das könnte verhindern, dass wir (erneut) schwer erkranken. Zudem scheint es eine gewisse Kreuz-reaktivität zu geben. Das bedeutet: Das Immunsystem von Menschen, die sich schon einmal mit einem Coronavirus infiziert haben – es gibt vier, die vor allem in den Wintermonaten zirkulieren und gewöhnliche Erkältungen verursachen –, erinnert sich daran. Ob man deshalb milder oder gar nicht an Covid-19 erkrankt, versuchen Forscher derzeit herauszufinden.