Nato strebt Reform an
Die Außenminister wollen bei der neuen Ausrichtung des Verteidigungsbündnisses auch auf neue Partner zugehen.
Brüssel/berlin. Die neuen Herausforderungen für Europas Sicherheit werden die Nato verändern. Russland, China, Cybergefahren, neuartige Waffen – diesen Herausforderungen sind die Außenminister der Mitgliedsländer bei ihrer zweitägigen Video-tagung nachgegangen, die am Mittwoch endete. Von einem „ernüchternden Bild unseres künftigen Sicherheitsumfelds“spricht Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Befeuert wurde die Diskussion von der „Hirntod“-debatte über das Bündnis, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron 2019 begonnen hatte.
Von dieser Diagnose wollten die Minister bei ihrem Videotreffen aber nichts mehr wissen. Ihren künftigen Kurs soll ein Vorschlagspapier abstecken. Es wurde unter der Leitung des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière (CDU) und des Ex-europa-koordinators des Us-außenministeriums, Wess Mitchell, ausgearbeitet. In 138 Punkten erkennt deren Kommission Reformbedarf für die Nato-strategie. Die bislang gültige stammt von 2010, als Themen wie China und Cybersicherheit nur eine kleine Rolle spielten.
„Abschreckung und Dialog“
Vordringliche Aufgaben sieht die Kommission in der Definition der absehbaren Gefahren für die Nato – allen voran Russland und China. „Russland ist sicherheitspolitisch eine Bedrohung und fordert uns mit neuesten Waffensystemen heraus“, erklärte de Maizière in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Moskau gegenüber müsse daher der Ansatz „Abschreckung und Dialog“gültig bleiben.
Auch China könne sich zu einer Bedrohung entwickeln, nicht nur wegen seines Rüstungsprogramms, sondern als „systemischer Rivale“mit einem weltweiten Führungsanspruch. Es sei deshalb wichtig, dass die Nato geeint auftrete. Streitigkeiten innerhalb des Bündnisses, wie jüngst zwischen der Türkei und Griechenland, sollten schneller auf Ministerebene beraten werden.
Da strategische Bedrohungen nicht auf Europas Nachbarschaft beschränkt sind, will die Nato auf Partner in anderen Regionen zugehen, auch wenn das Bündnisgebiet – Nordamerika und Europa – erhalten bleiben soll. Demokratische Staaten im pazifischen Raum wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland kommen dafür in Betracht, im Falle von Cyberbedrohungen genauso wie bei der Freihaltung von Schiffswegen oder Herausforderungen durch wachsende Mächte.
In der Nato müsse Europa stärkeres eigenes Gewicht aufbauen, mahnten Minister Maas und sein französischer Amtskollege Jeanyves Ledrian an. „Wir Europäer fragen nicht mehr nur, was Amerika für uns tun kann, sondern was wir selbst tun sollten, um unsere eigene Sicherheit zu stärken und die transatlantische Partnerschaft ausgewogener zu gestalten“, erklärten sie.