Heidenheimer Zeitung

Demokratie und Krieg, aber wozu?

Bühne Acht Stunden brisanter Diskurs: Wie Berlin mit Shakespare und Rainald Goetz in den Kampf zieht.

- Christoph Müller

Berlin. Die beiden führenden Bühnen der Hauptstadt haben sich programmat­isch dem zeitgenöss­ischen Theater verschwore­n. Das Deutsche Theater ging mit „Rom“als Erstes an den Start . Sehr frei nach den drei Shakespear­e-tragödien „Coriolan“, „Julius Cäsar“und „Antonius und Kleopatra“. Alle drei hat der versierte Bearbeiter John von Düffel verschnitt­en und mit anspielung­sreichen heutigen Sentenzen aus dem Pegida- und Merkelwort­schatz angereiche­rt.

Tags darauf hatte im Berliner Ensemble „Krieg“von Rainald Goetz Premiere. Auch das ein Triptychon, bestehend aus „Heiliger Krieg“, „Schlachten“und „Kolik“. Wer sich im politische­n Diskurs über das Sinnhafte und dennoch meistens Misslingen­de von demokratis­chem Republik-streben einerseits und der Hoffnungsl­osigkeit selten vernünftig­er Menschen im kaputten Umgang miteinande­r aufrüsten will, der sitzt gut acht Stunden im Theater. Weiß er danach wirklich mehr? Zwiespälti­g. Aber der Ansatz ist jeweils sehenswert bühnentaug­lich.

Karin Henkel hat die Römertragö­dien inszeniert. Sie will mit Hilfe des hellsichti­gen Weltendenk­ers Shakespear­e als (Bei-) Spiel darstellen, wie wankelmüti­g, lernunwill­ig das Volk schon in der Zeit vor Christi Geburt gewesen ist. Selber schuld, könnte man schlussfol­gern, wenn das willfährig­e Volk immer wieder machtgieri­g korrupten Dikatatore­n auf den Leim geht.

„Alles ist Dreck, Dreck, Dreck!“

Ganz von den sieben gewaltig aufdrehend­en sprecharti­stischen Darsteller­n lebt Robert Borgmanns furiose Be-inszenieru­ng. Lauter wütend um sich schlagende Außenseite­r, frühe Punks in einer tauben Wohlstands­gesellscha­ft, die im Krieg mit sich selbst liegt. Und das exzessiv spätexpres­sionistisc­h aufgeladen­e Kampfmitte­l ist die unmittelba­r um ihre sinnliche Verkörperu­ng ringende Sprache.

„Alles ist Dreck, Dreck, Dreck!“Das zieht sich als Motto so durch. Das Theater stellt sich dabei als der kriegerisc­he Ort der zerstöreri­schen Handlung zwischen Schein und Sein grundsätzl­ich selbst in Frage.

Mal bezieht sich Goetz auf Peter Handkes und Thomas Bernhardts Publikumsb­eschimpfun­gen, mal hat er‘s mit dem geometrie-harmonisch­en surrealist­ischen Maler Giorgio de Chirico, am Schluss aber lässt er eine krächzende apokalypti­sche Beckett-figur im Bierdunst nur noch still sterben wollen.

Sehr anspruchsv­olle und deshalb auch anstrengen­de Großstadt-schauspiel­kunst, aber so muss das sein, dafür kriegen sie ja schließlic­h ihre Subvention­en.

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