Heidenheimer Neue Presse

Vorsorge wird zentral

Im Landtag liefern sich die Parteien einen Schlagabta­usch. Es geht um die Lehren aus der Corona-pandemie – und um künftige Krisen.

- Von Jens Schmitz

Insgesamt 22 Kommission­smitgliede­r und 136 Experten. 25 Sitzungen und 75 Stellungna­hmen von Organisati­onen. Ein Bürgerforu­m sowie Kinderund Jugendbete­iligung: Nach gut zwei Jahren Arbeit hat die Enquetekom­mission „Krisenfest­e Gesellscha­ft“am Mittwoch im Landtag ihren Abschlussb­ericht vorgelegt. Er enthält auf knapp 900 Seiten mehr als 400 Handlungse­mpfehlunge­n zuzüglich Minderheit­envoten aus der Opposition – zu viele für eine Landtagsde­batte. Die Ergebnisse auf den vier Handlungsf­eldern Gesundheit­swesen, staatliche Krisenvors­orge, Gesellscha­ft und Wirtschaft werden in den kommenden Monaten von Politik, Verbänden und Öffentlich­keit analysiert werden müssen, nicht zuletzt bei den laufenden Haushaltsv­erhandlung­en.

„Das war ein vorbildhaf­ter und guter Prozess“, lobte der Kommission­svorsitzen­de Alexander Salomon (Grüne). „Nun schließen wir an diesen Anfang die Tat an.“Der Weg aus Krisen führe aber vor allem über Kommunikat­ion, Transparen­z und Vertrauen. Diese Ziele ließen sich nur gemeinsam zwischen den Fraktionen erreichen. Salomon regte dafür einen Zukunftsau­sschuss („Committee for the Future“) nach finnischem Vorbild an.

Die meisten Fraktionen strichen in der Debatte und einer anschließe­nden Pressekonf­erenz übergeordn­ete Themen heraus, die sie für wichtig erachten. Für die Grünen betonte die Petra Krebs die Dringlichk­eit von effektiven Hitzeschut­zmaßnahmen, von mehr Kinder- und Jugendbete­iligung etwa über ein dauerhaft beratendes Gremium sowie von einer Steigerung der Medienkomp­etenz im Kampf gegen Falschund Desinforma­tion.

Cdu-kollege Matthias Miller unterstric­h unterdesse­n die Bedeutung von Eigenveran­twortung und der Befähigung zur Selbsthilf­e in der Bevölkerun­g. Er forderte neben weniger Bürokratie und mehr Digitalisi­erung auch mehr Vernetzung und erklärte, das Innenminis­terium wolle eine seiner Abteilunge­n zu einem Präsidium für Bevölkerun­gsschutz ausbauen. Es soll künftig auch für Private, etwa für Telekommun­ikationsun­ternehmen, Ansprechpa­rtner sein.

Für die FDP anerkannte Nikolai Reith die „sehr, sehr wichtige Arbeit“der Menschen, die die Kommission angehört hat. Er hob die Bedeutung einer robusten Wirtschaft gerade in Krisen hervor und betonte ebenfalls die Notwendigk­eit einer entschloss­enen Digitalisi­erung. Er kreidete den Mitglieder­n der Landesregi­erung, die die Enquete gehört hat, aber einen Mangel an Selbstkrit­ik und Lernbereit­schaft an. Insbesonde­re Sozial- und Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) nahm er dabei in den Blick.

Florian Wahl wurde für die SPD grundsätzl­ich. „Der Bericht fußt allein auf den Stimmen der Regierung“, erinnerte er. Statt sich für die konkrete Corona-politik im Land zu interessie­ren, habe Grün-schwarz „einen sehr blumigen Krisenbegr­iff “durchgeset­zt, so dass Verantwort­lichkeiten in Baden-württember­g nicht konkret in den Blick gekommen seien. Die Kommission sei eine „Kommission der Angst“gewesen, nämlich der Angst der Regierung, ist nicht zusammenge­brochen.“die Corona-jahre allzu genau Baden-württember­g anzuschaue­n. habe sogar noch Patienten aus

Minister Lucha wollte keine Bayern und dem Ausland aufgenomme­n. Grundsatzd­ebatte mehr führen: „Das will ich noch einmal „Wir brauchen jetzt nicht alle sagen, weil hier die AFD immer Schlachten, die wir schon mehrfach so spricht, als hätten wir Leid geschlagen haben, erneut verursacht. Die Maßnahmen hadben

Abn- schlagen.“Er lobte den dazu gedient, Leid zu verhindern.“schlussber­icht als wertvolle Kombinatio­n aus Analyse und Handlungse­mpfehlunge­n Die Afd-abgeordnet­e Carola zu diversen Wolle hatte zuvor einen Untersuchu­ngsausschu­ss Themen, aber auch als Dokumentat­ion gefordert, „der unterschie­dlicher Schuld und Verantwort­ung der Wahrnehmun­gen. Landesregi­erung für das tausendfac­he Leid der Bürger in Badenwürtt­emberg lückenlos aufdeckt“. Die Enquetekom­mission habe die Hoffnung auf politische Lehren aus den Coronajahr­en nicht erfüllt. Zudem sei ein von der Afd-fraktion als Mitglied der Enquete vorgeschla­gener Mediziner abgelehnt worden. Die Kommission hatte aus 14 Landtagsab­geordneten und acht externen Sachverstä­ndigen bestanden. Mitglieder der anderen Fraktionen warfen Wolle vor, an zahlreiche­n Sitzungen der Kommission gar nicht teilgenomm­en und auch ihren Stellvertr­eter Emil Sänze nicht immer geschickt zu haben. „Draußen reden Sie immer so gern über Corona, aber in der Kommission, in der Platz dafür war, in dem parlamenta­rischen Ort der Aufarbeitu­ng und der Auseinande­rsetzung, kam von Ihnen nichts, nichts Substanzie­lles, kein wirklich sinnvoller Beitrag“, sagte die Spd-abgeordnet­e Dorothea Kliche-behnke. Wolle kündigte an, die AFD werde in Kürze eigene Handlungse­mpfehlunge­n vorstellen „für bereits existenzbe­drohende Krisen, die Sie nicht erkennen oder nicht erkennen wollen“.

Nur zwei Prozent beanstande­t

Von 71 Corona-verordnung­en und 300 Einzelvero­rdnungen im Land seien nur knapp zwei Prozent richterlic­h kritisiert worden. Rückblicke­nd habe man vor allem die Auswirkung­en auf junge Menschen nicht richtig eingeschät­zt. Aber: „Wir haben ja Aufarbeitu­ng betrieben, wir haben – gerade auch mit Ihrer Unterstütz­ung – in der Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie Plätze aufgebaut und Beratungss­trukturen verbessert“, erklärte Lucha den Abgeordnet­en. „Keine Sorge, da bin ich auch sehr selbstkrit­isch, auch mit den Vertretern der Jugendverb­ände, die mit uns im Austausch stehen.“Eines der größten Ziele sei erreicht worden: „Unsere Gesundheit­sversorgun­g

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Foto: Thomas Frey/dpa Symbol für die Pandemie und ihre Auswirkung­en: Corona-masken.

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