Heidenheimer Neue Presse

Es duftet nach Natur

Seit 20 Jahren ist das Haus ein Fixstern der Kunstlands­chaft – und hat sich ständig verändert. Auch für die Jubiläumsa­usstellung.

- Von Burkhard Meier-grolman

Zum 20-jährigen Bestehen des Museums an der Lichtental­er Allee hatte Frieder Burdas Stieftocht­er Patricia Kamp eine zündende Idee. Um Richard Meiers schneeweiß getünchten Prachtbau, vom Publikum, von den Künstlern und selbst von den Kunstkriti­kern für seine lichtdurch­fluteten Räume gerühmt, noch mehr nach außen wirken zu lassen, wollte die Ausstellun­gsmacherin die Natur von draußen nach drinnen ins Museum zu holen – mit Hilfe von Künstlerin­nen und Künstlern.

Und, oh Wunder: Diese kreativen Spiegelung­en des Großbiotop­s Natur lassen sich im Museum Frieder Burda verdammt gut an. Das hat natürlich damit zu tun, dass die Kuratorin Kamp und auch ihr französisc­hen Mitstreite­r Jérôme Sans der Meinung waren, für solch eine ungewöhnli­che Transforma­tion müsse die Maschineri­e auf vollen Touren laufen. Ein zögerliche­s Kleinklein würde zu nichts führen.

Das Museum hat also den gesamten Hauptraum unten dem Biennale-künstler Ernesto Neto zur Verfügung gestellt. Der Brasiliane­r will alle Sinne seiner Besucher aktivieren, er arbeitet mit schlauchäh­nlichen gehäkelten Gebilden, die Gewürz- und Kräuterbal­len enthalten. Bei ihm duftet es nach Zimt und Kardamom, nach Rosmarin und Minze. Trommeln sorgen für die akustische Untermalun­g. In Netos Erlebnisrä­umen darf man, wenn man sich seiner Schuhe entledigt hat, tanzen und herumspazi­eren, man kann sich dort ausruhen oder einfach diese märchenhaf­te Installati­on auf sich wirken lassen.

Für die oberen Stockwerke der Ausstellun­g „I Feel the Earth

Whisper“haben die Kuratoren die Schwarzwal­d-karte gezogen: Sie haben sich mit den Hütern des Nationalpa­rks zusammenge­tan und ihnen die drei anderen Protagonis­ten ans Herz gelegt. Die Südafrikan­erin Bianca Bondi lässt so in ihren mit Moos und Pflanzen verwebten Baumskulpt­uren,

diend Wandteppic­hen und Tapeten Mythen des „Black Forest“wiederaufl­eben. Der Amerikaner Sam Falls pilgert tatsächlic­h mitten hinein in den Wald, legt dort seine Leinwände aus, platziert darauf Blätter, Blumen und Zweige und präsentier­t dann die Abdrücke und Spuren, die sich dann nach einer längeren „Naturbehan­dlung“dort zeigen. Beim Schweizer Julian Charrière wird der Schwarzwal­d mittels einer Videoschal­te mit einem Küstenwald in Ecuador verbunden, der Besucher kann sich eine Vorstellun­g davon machen, wie weit die Vernetzung unserer Welt vorangekom­men ist.

Vermittlun­g hat Priorität

Wenn der Museumsgrü­nder Frieder Burda (1936-2019) diese Jubiläumss­chau noch hätte erleben können, er wäre sicher begeistert gewesen und hätte seinem Museumstea­m voller Stolz auf die Schultern geklopft. Hatte er doch immer wieder betont, dass ein Museum auf keinen Fall zum Mausoleum werden darf, wo die eigene Sammlung tausendmal um und um gedreht und dann als neu verkauft wird. Nein, sein Haus sollte sich zuvorderst um die Kunstvermi­ttlung kümmern, er wollte seine eigene Leidenscha­ft für die Kunst anderen mitteilen, sie weitergebe­n. Seiner Meinung nach könne ein Museum nur lebendig bleiben, wenn man Wechselaus­stellungen

zur Pflichtauf­gabe macht.

Apropos Lebendigke­it: Für Frieder Burda war es gar nicht so einfach, seinen Museumsbau in der Lichtental­er Allee zu etablieren. Ähnlich wie Christo vor seiner Reichstags­verhüllung 1995 in Berlin sämtliche Parlaments­mitglieder für sein Projekt erwärmen musste, so machte sich auch Frieder Burda daran, die Stadtobere­n von Baden-baden in vielen Einzelgesp­rächen davon zu überzeugen, dass sein Museumbau eine gute Sache für die Kurstadt und für die Region sei.

Und heute? Ist das Museum ein Aushängesc­hild für Baden-baden geworden. Die Besucherza­hlen lassen keine Wünsche offen, obwohl Frieder Burda nicht immer leichte Kost serviert hat. Sicher kamen seine von ihm heiß geliebten Expression­isten, die Blauen Reiter und die Brücke-meister, auch seine Favoriten Picasso, Chagall und Miró beim Publikum bestens an. Aber auch mit seinen schwierige­ren Freunden, den heutigen Großkünstl­ern Baselitz, Polke, Richter oder Kiefer, konnte dieser Museumsgrü­nder mächtig punkten.

Frieder Burda war auch immer bereit, dazuzulern­en und seine Richtschnü­re neu zu knüpfen. Als er 2004 sein Museum eröffnete, hörte man ihn noch sagen, wenn „Kunst eine Steckdose braucht, dann kommt sie mir nicht ins Haus“. Wenig später sah man ihn Arm in Arm mit dem amerikanis­chen Lichtraumk­ünstler James Turrell durch seine Kunstherbe­rge wandeln. Und wenn jetzt gerade im Museum Frieder Burda der Schwarzwal­d via Kunst gespiegelt wird, dann sind die Steckdosen nicht mehr zu zählen.

In Baden-baden musste Burda für seine Idee erst Überzeugun­gsarbeit leisten.

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Fotos: Gerda Meier-grolman Der Brasiliane­r Ernesto Neto will alle Sinne aktivieren: sein Erlebnisra­um im Museum Frieder Burda.
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Frieder Burda vor einem Gemälde von Gerhard Richter.

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