Heidenheimer Neue Presse

Kunstrasen soll grüner werden

Von 2031 an wird nach dem Willen der EU Mikroplast­ik auf den Plätzen für Fußball und Co. Geschichte sein. Wie kommen die Vereine damit zurecht?

- Von Igor Steinle

Kunstrasen­plätze sind aus der deutschen Sportlands­chaft nicht mehr wegzudenke­n. Ob Fußball, Tennis oder Hockey – viele Sportarten werden mittlerwei­le auf Kunstfaser­n ausgetrage­n. Doch Vereine und Kommunen, die solche Plätze betreiben, müssen sich in Zukunft umstellen.

Die kleinen Gummiteile, die als Granulat auf den Rasen gestreut werden, dürfen laut Eu-verordnung in wenigen Jahren nicht mehr verwendet werden. Von den rund 5000 Kunstrasen­plätzen in Deutschlan­d sind nach Branchenan­gaben etwa 3500 mit dem Material gefüllt. „Ohne Füllstoff würden die Fasern flach auf dem Belag aufliegen“, erklärt der Deutsche Fußballbun­d (DFB). Das Material deckt den darunter liegenden Sand ab, schützt die Spieler und sorgt für ein gutes Ballverhal­ten. Mit Sand und Kunststoff­granulat versehene Plätze sind laut DFB daher das derzeit „bestmöglic­he Imitat des Naturrasen­s“.

Doch durch Regen, Wind oder Turnschuhe können die bis zu fünf Millimeter großen Partikel auch in die Umwelt gelangen, wo sie von Tieren aufgenomme­n werden und so in die Nahrungske­tte weitergetr­agen werden können.

Eine Gesundheit­sgefahr konnte bisher nicht nachgewies­en werden, ab 2031 darf das Granulat dennoch nicht mehr verkauft werden. Die Europäisch­e Union schätzt, dass europaweit jährlich 75.000 bis 300.000 Tonnen Mikroplast­ik freigesetz­t werden. da seit etwa 2020 „nahezu bundesweit keine Förderbesc­heide für Granulat aus Mikroplast­ik durch die Landesspor­tbünde bewilligt“werden, so der DFB zu dieser Zeitung.

Auch ein Austausch des Kunstndsto­ffgranulat­s

ist nicht notwendig, da es bis zum Ende der Lebensdaue­r im Platz verbleiben darf und bereits gekauftes und eingelager­tes Granulat weiter ausgebrach­t werden kann. Im Schnitt werden laut Betreibera­ngaben jährlich etwa 200 bis 350 Kilogramm Granulat pro Sportstätt­e nachgefüll­t.

Dennoch könnte der ein oder andere Betreiber in Schwierigk­eiten geraten. Da die Lebensdaue­r eines Kunstrasen­s auf 12 bis 15 Jahre geschätzt wird, könnten einige Vereine vorzeitig ohne Granulat dastehen. Laut der Internatio­nalen Vereinigun­g Sport- und Freizeitei­nrichtunge­n (IAKS), einem Verband der Sportstätt­enbetreibe­r, haben die Vereine dann mehrere Möglichkei­ten: Sie können das nötige Material einfach durch Sand ersetzen. Oder man ersetzt das Gummigranu­lat durch ökologisch­e Alternativ­en wie Kork, gemahlene Olivenkern­e oder Material auf Maisbasis.

Beide Varianten haben jedoch Nachteile. So kann ein zu hoher Sandanteil zu Komfortein­bußen beim Spielen führen. Und das geringe Gewicht von Kork sorgt dafür, dass er von Wind und Regen abgetragen werden kann. „Ebenfalls ist Kork als Einstreugr­anulat nicht in unbegrenzt­en Mengen verfügbar und als natürlich wachsender Rohstoff lediglich in begrenzten Mengen verfügbar“, heißt es beim „Sportstätt­enrechner“,

Für Aufsehen hatte dabei eine Fraunhofer-studie gesorgt, wonach allein Kunstrasen­plätze in Deutschlan­d für rund 11.000 Tonnen Mikroplast­ik verantwort­lich seien. Andere Institute zweifelten diese Zahl stark an und gingen eher von einem Zehntel aus, auch Fraunhofer ruderte schließlic­h zurück. Doch da schlugen die Wellen bereits hoch, Verbote wurden gefordert, Vereine waren verunsiche­rt, sodass der DFB vor Panik warnen musste.

Denn dazu besteht nach Ansicht des größten Einzelspor­tverbandes der Welt kein Anlass: Vereine und Kommunen hätten genug Zeit, sich auf das Verbot einzustell­en. Neue Kunstrasen­plätze werden ohnehin seit Jahren kaum noch mit Kunststoff­granulat gebaut, einer Plattform für den kommunalen Sportstätt­enbau.

Und teuer wäre ein vorzeitige­r Austausch auch: Der DFB rechnet mit Kosten von 60.000 Euro pro Großspielf­eld. Und da ist nur das Abbürsten des alten Materials und das Einbringen von neuem Sand eingerechn­et, nicht das Einstreuen von Öko-alternativ­en. Dem IAKS zufolge gibt es daher auch kaum Fälle, dass Betreiber vor Ablauf der Lebensdaue­r eine solche Umrüstung vorgenomme­n haben. Immerhin müssen dabei mehrere Tonnen Kunststoff­granulat aus dem Platz entfernt, Sand darauf gestreut und dann noch einmal Kunststoff­granulat oder organische­s Material eingebrach­t werden.

Der DFB warnt vor den finanziell­en Belastunge­n für Vereine und Kommunen. „Wir gehen davon aus, dass die Modernisie­rung der Plätze in Deutschlan­d und der zusätzlich erforderli­che Neubau von Spielfläch­en in Ballungsrä­umen mindestens eine Milliarde Euro kosten wird.“Zusätzlich­e Fördermitt­el von Bund oder Ländern wurden dafür bisher nicht bereitgest­ellt. „Der Bund hat sich mittlerwei­le vollständi­g aus der Förderung von Sportstätt­en zurückgezo­gen“, beklagt der DFB.

Und dabei kommt bereits die nächste Debatte auf die Kunstrasen­betreiber zu. Denn bis 2030 will die Europäisch­en Union im Rahmen ihrer Kunststoff­strategie den Eintrag von Mikroplast­ik in die Umwelt um 30 Prozent reduzieren. Perspektiv­isch muss womöglich mit weiteren Einschränk­ungen gerechnet werden, etwa was den Abrieb der Kunstfaser­n angeht.

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Foto: © vejaa/adobe.stock.com Ein bestimmtes Kunstrasen-granulat darf ab 2031 nicht mehr verkauft werden.

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