Heidenheimer Neue Presse

„Der Löffel hat eigene Gesetze“

Starkoch Alexander Herrmann spricht über zehn Jahre „The Taste“und sein Vorbild Alfred Biolek. Und er verrät, worüber sich das Publikum bei Kochsendun­gen am meisten aufregt.

- Von Cornelia Wystrichow­ski

Ein komplettes Gericht, serviert auf einem Löffel: In der Kochshow „The Taste“müssen die Kandidatin­nen und Kandidaten Genüsse in Häppchenfo­rm kredenzen, ab 25. Oktober zeigt der Sender Sat.1 eine neue Staffel des vor zehn Jahren gestartete­n Formats. Starkoch Alexander Herrmann steht den Talenten als Juror und Coach seit der ersten Folge zur Seite.

Was wäre auf einem Löffel, der Ihre Visitenkar­te darstellen sollte? Alexander Herrmann:

Auf meinem Löffel wäre unten ein bisschen Kartoffels­tampf, darauf eine zart gegarte weiße Spargelspi­tze, etwas Abrieb von der Zitrone, Meersalz, ein paar Tropfen Zitrone am Rand, und darüber in Nussbutter gebräunte Brösel. Wenn man dieses Gericht auf einem Teller anrichten würde, könnte man noch etwas Frittierte­s von der Kartoffel dazutun, aber das ist auf dem Löffel eher schwierig.

Warum?

Es ist ähnlich wie beim Dfb-pokal: Der Taste-löffel hat eigene Gesetze. Man hält ihn an die Nase, riecht daran, und dann würde man in diesem Fall zuerst den Fritteusen­geruch der Kartoffel riechen. Das ist nicht schön. Den Löffel muss man verstehen lernen, und je schneller das geht, umso weiter kommst du in der Show. Diese Reise machen alle unsere Kandidaten.

Wie schwierig ist es im Fernsehen zu vermitteln, wie etwas schmeckt?

Ich sag‘ mal salopp: „The Taste“ist keine Kochshow, sondern es ist eher eine Ess-show. Wir reden darüber, was auf einem Löffel alles schön war und was vielleicht gestört hat. Und da wir vier Juroren sind, beschreibt jeder das Gericht ein bisschen anders.

Geht der Trend weg von traditione­llen Kochsendun­gen hin zu Eventkoche­n wie etwa auch in Tim Mälzers „Kitchen Impossible“?

Vor allem in den Dritten Programmen gibt es noch die klassische­ren Kochsendun­gen. Aber natürlich hat sich wahnsinnig viel getan in den vergangene­n 30 Jahren.

Wenn ich an die Anfänge von „Kerners Köche“denke, ging es wirklich darum, dass man ganze Gerichte zubereitet: Die Soße, die Beilage, das Gemüse, das Fleisch. Jahre später haben wir uns in der Sendung nur noch auf einzelne bedeutsame Dinge konzentrie­rt, zum Beispiel: Wie gelingt es, die Entenbrust perfekt rosa zu braten? Was heute beim Entertainm­ent in den 20.15-Uhr-formaten stattfinde­t, nicht nur in Kochshows, ist ein enormer Kampf um Aufmerksam­keit. Du musst es schaffen, alle paar Minuten neue Reize zu setzen, damit der Zuschauer nicht umschaltet – es ist aber natürlich wichtig, dass du gleichzeit­ig die Seriosität wahrst.

Ist es nicht seltsam, dass Menschen gerne Kochshows sehen, obwohl daheim immer weniger gekocht wird?

Ich selber kann nicht behaupten, dass ich die Welt noch verstehe, gerade wenn es um das politische Geschehen geht. Wir sind alle wahnsinnig informiert, aber es ist schwer, das alles aufzunehme­n. Denken Sie an die Klimakrise. Man hat doch den Eindruck, dass man nichts mehr richtig machen kann. Darf ich noch ein Auto mit Verbrenner­motor fahren? Darf ich mir ein neues Handy kaufen? Wo werden meine Klamotten produziert? Man braucht Orientieru­ng. Und da kommt der Megatrend Kochen im Fernsehen ins Spiel: Da siehst du als Zuschauer ein Stück Brot, eine Tomate, ein Stück Bio-fleisch, und du siehst genau, ob da was in der Pfanne anbrennt oder nicht. Du musst nicht Rätselrate­n. Das vermittelt, philosophi­sch gesagt, ein Gefühl der Wahrhaftig­keit.

Welchen Fernsehkoc­h hatten Sie früher als Vorbild?

Ich bin mit Max Inzinger aufgewachs­en, der in der Zdf-sendung „Drehscheib­e“gekocht hat – die durfte ich mit meiner Mutter schauen. Er hat ja diesen Satz geprägt: „Ich habe da schon mal was vorbereite­t“. Wer mich aber vor allem inspiriert hat, war Alfred Biolek. Er hat gesagt: „Ich weiß nicht, ob das richtig ist oder nicht, aber mir schmeckt es, ich mach’ das so.“Das war eine Befreiung für alle, die daheim gekocht haben, und später kam dann ein Jamie Oliver oder das „Kochduell“.

Alfred Biolek hat mal über seine Kochsendun­g gesagt, dass es Zuschauerp­roteste hagelte, wenn er den Kochlöffel ableckte und ihn zurück in den Topf steckte. Ist das bei „The Taste“auch so?

Das ist und bleibt immer noch die größte Aufregung. In der Tat habe ich schon selber mit einem Probierlöf­fel gekostet und bin dann mit demselben Löffel nochmal rein in die Vinaigrett­e. Das passiert immer mal wieder. Zuhause macht das doch auch jeder. Sehr oft werden wir auch gefragt: Was ist mit den Lebensmitt­eln, die übrig bleiben?

Und was antworten Sie darauf?

Wir schmeißen nix weg. Alle gekochten Reste, die nach dem Servieren der Löffel übrig bleiben, werden von den Teams aufgegesse­n. Also von den Kandidaten und Kandidatin­nen, aber zum Beispiel auch von den Kameraleut­en, die sind ja auch neugierig, wie es schmeckt. Die nicht verbraucht­en, verpackten Lebensmitt­el werden an die Tafel gespendet.

Bei „The Taste“machen Kochprofis und Amateure mit. Welche Fehler machen die Hobbyköche und -köchinnen häufig?

Wenn ich sage „Nimm ein bisschen Küchenkrep­p“, zum Beispiel, um etwas nach dem Anbraten abtropfen zu lassen – da nimmt der Profi fünf, sechs Lagen, aber der Hobbykoch nur ein Blatt. Das saugt doch nichts weg! Das machen die Profis besser.

Sie sind Sternekoch, betreiben mehrere Restaurant­s. Servieren Sie da auch Gerichte auf Löffeln?

Im Familienbe­trieb in Wirsberg nicht, aber im „Imperial“in Nürnberg servieren wir das Petit Four auf einem kleinen Löffel.

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Damit der Zuschauer bleibt, müssen ständig neue Reize gesetzt werden, sagt Tv-koch Herrmann.

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