Demenz auch bei Tieren
Der Hund steht hilflos in der Ecke, die Katze miaut ohne Unterlass – das können Symptome der altersbedingten Erkrankung sein. Es gibt Hilfe.
Plötzlich steht der Hund oder die Katze desorientiert in der Ecke, zeigt Ängste oder ein verändertes Wesen. Die Ursache ahnt so mancher Halter zunächst nicht: Auch Tiere können im Alter dement werden. Demenzerkrankungen seien unterdiagnostiziert und die betroffenen Tiere unterversorgt, sagt Tierärztin Nina Meyerhoff von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Mehr Aufklärung der Tierhalter könne „zu besserer Prophylaxe und insgesamt zu einer besseren medizinischen Versorgung älterer Tiere führen“. Die Hochschule bietet eine wöchentliche Spezialsprechstunde an. Darin geht es um die Diagnose der Krankheit, die Linderung der Symptome und auch um Prävention.
Der erste Schritt sei, die Demenz zu erkennen: Ein klassisches Anzeichen sei beispielsweise Desorientierung, die Tiere stünden in Ecken oder fänden die richtige Seite der Tür nicht mehr. Auch Veränderungen bei sozialer Interaktion, Schlafrhythmus, Ängsten, Aktivitäten oder auch bei der Stubenreinheit könnten
Symptome sein. „Bei Katzen ist eine weitere Besonderheit, dass sie exzessiv miauen.“
Einige dieser Symptome zeigte auch Lotta, die Hündin von Anke Strecker aus Göttingen. „Auffällig war vor allem eine vermehrte Unruhe und dass sie sich in Ecken gestellt hat“, sagt Lottas Frauchen. „Gleichzeitig bestand eine Unlust an den üblichen Hundegängen, die sich massiv verkürzten.“Die Krankheit wurde innerhalb von etwa zwei Jahren immer schlimmer: Lotta fand ihren
Futternapf nicht mehr, erkannte vertraute Menschen nicht und hatte Probleme, sich hinzulegen.
„Schmerzlich war auch ihre Wesensveränderung, zu meinem Mann und mir bestand zwar noch eine Bindung, sie war aber brüchig. Lotta lebte irgendwann in ihrer eigenen Welt“, erklärt Strecker. Die demente Hündin habe sogar angefangen, bei Berührungen zu beißen. Strecker brachte sie nach Hannover. Dort wurde das Tier mit beruhigenden und angstlösenden Medikamenten, Ergänzungsfuttermitteln und einer Medikation gegen ihre Arthrose behandelt. Dennoch musste die Hündin, deren genaues Alter unbekannt war, knapp zwei Jahre nach der Diagnose eingeschläfert werden – sie konnte nicht einmal mehr aufstehen.
Meyerhoff betont: „Eine Heilung gibt es aktuell nicht.“Die Therapie ziele auf Linderung und die Verlangsamung der Krankheitssymptome ab. Eine Anpassung von Ernährung und Lebensstil soll die Gehirndurchblutung verbessern und Ängste mildern, Physiotherapie die Beweglichkeit stärken. „Moderate tägliche körperliche Aktivität, kognitives Fördern und Fordern mittels positivem Training und die Fütterung einmal täglich kann in einigen Fällen sinnvoll sein.“
Auch Prävention kann gegen einen starken Krankheitsausbruch helfen. Diäten und die frühzeitige Behandlung anderer Erkrankungen seien hilfreich, sagt Meyerhoff. „Bei Katzen wird eine reizarme Umgebung als Risikofaktor beschrieben.“Denn Katzen brauchen lebenslang die Möglichkeit zum Lernen und Spielen, sie sollten klettern und nach draußen oder zumindest auf den Balkon gehen können.
Derzeit sind in der wöchentlichen Sprechstunde nur zwei bis drei Tiere, Hilfe bräuchten wohl deutlich mehr. Dafür aber fehlt oft die Kapazität, wie etwa im Tierheim in Bremen: „Wir haben häufig demente Katzen oder Hunde, die kommen meistens von Menschen, die mit ihnen überfordert sind“, sagt Sprecherin Gabi Schwab. „Wir können da aber nicht viel machen.“Die Tierärzte seien meist mit Akutfällen beschäftigt. Für Prävention gegen Demenz fehle die Zeit.