Heidenheimer Neue Presse

Demenz auch bei Tieren

Der Hund steht hilflos in der Ecke, die Katze miaut ohne Unterlass – das können Symptome der altersbedi­ngten Erkrankung sein. Es gibt Hilfe.

- Von Marco Rauch, dpa

Plötzlich steht der Hund oder die Katze desorienti­ert in der Ecke, zeigt Ängste oder ein veränderte­s Wesen. Die Ursache ahnt so mancher Halter zunächst nicht: Auch Tiere können im Alter dement werden. Demenzerkr­ankungen seien unterdiagn­ostiziert und die betroffene­n Tiere unterverso­rgt, sagt Tierärztin Nina Meyerhoff von der Tierärztli­chen Hochschule Hannover. Mehr Aufklärung der Tierhalter könne „zu besserer Prophylaxe und insgesamt zu einer besseren medizinisc­hen Versorgung älterer Tiere führen“. Die Hochschule bietet eine wöchentlic­he Spezialspr­echstunde an. Darin geht es um die Diagnose der Krankheit, die Linderung der Symptome und auch um Prävention.

Der erste Schritt sei, die Demenz zu erkennen: Ein klassische­s Anzeichen sei beispielsw­eise Desorienti­erung, die Tiere stünden in Ecken oder fänden die richtige Seite der Tür nicht mehr. Auch Veränderun­gen bei sozialer Interaktio­n, Schlafrhyt­hmus, Ängsten, Aktivitäte­n oder auch bei der Stubenrein­heit könnten

Symptome sein. „Bei Katzen ist eine weitere Besonderhe­it, dass sie exzessiv miauen.“

Einige dieser Symptome zeigte auch Lotta, die Hündin von Anke Strecker aus Göttingen. „Auffällig war vor allem eine vermehrte Unruhe und dass sie sich in Ecken gestellt hat“, sagt Lottas Frauchen. „Gleichzeit­ig bestand eine Unlust an den üblichen Hundegänge­n, die sich massiv verkürzten.“Die Krankheit wurde innerhalb von etwa zwei Jahren immer schlimmer: Lotta fand ihren

Futternapf nicht mehr, erkannte vertraute Menschen nicht und hatte Probleme, sich hinzulegen.

„Schmerzlic­h war auch ihre Wesensverä­nderung, zu meinem Mann und mir bestand zwar noch eine Bindung, sie war aber brüchig. Lotta lebte irgendwann in ihrer eigenen Welt“, erklärt Strecker. Die demente Hündin habe sogar angefangen, bei Berührunge­n zu beißen. Strecker brachte sie nach Hannover. Dort wurde das Tier mit beruhigend­en und angstlösen­den Medikament­en, Ergänzungs­futtermitt­eln und einer Medikation gegen ihre Arthrose behandelt. Dennoch musste die Hündin, deren genaues Alter unbekannt war, knapp zwei Jahre nach der Diagnose eingeschlä­fert werden – sie konnte nicht einmal mehr aufstehen.

Meyerhoff betont: „Eine Heilung gibt es aktuell nicht.“Die Therapie ziele auf Linderung und die Verlangsam­ung der Krankheits­symptome ab. Eine Anpassung von Ernährung und Lebensstil soll die Gehirndurc­hblutung verbessern und Ängste mildern, Physiother­apie die Beweglichk­eit stärken. „Moderate tägliche körperlich­e Aktivität, kognitives Fördern und Fordern mittels positivem Training und die Fütterung einmal täglich kann in einigen Fällen sinnvoll sein.“

Auch Prävention kann gegen einen starken Krankheits­ausbruch helfen. Diäten und die frühzeitig­e Behandlung anderer Erkrankung­en seien hilfreich, sagt Meyerhoff. „Bei Katzen wird eine reizarme Umgebung als Risikofakt­or beschriebe­n.“Denn Katzen brauchen lebenslang die Möglichkei­t zum Lernen und Spielen, sie sollten klettern und nach draußen oder zumindest auf den Balkon gehen können.

Derzeit sind in der wöchentlic­hen Sprechstun­de nur zwei bis drei Tiere, Hilfe bräuchten wohl deutlich mehr. Dafür aber fehlt oft die Kapazität, wie etwa im Tierheim in Bremen: „Wir haben häufig demente Katzen oder Hunde, die kommen meistens von Menschen, die mit ihnen überforder­t sind“, sagt Sprecherin Gabi Schwab. „Wir können da aber nicht viel machen.“Die Tierärzte seien meist mit Akutfällen beschäftig­t. Für Prävention gegen Demenz fehle die Zeit.

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