Eine Wahl voller Absonderlichkeiten
Die Abstimmung über den Präsidenten weist auf die politischen Probleme in der Alpenrepublik hin.
Wien. Für den Montag hatte sich Alexander Van der Bellen vorgenommen, „etwas auszuschlafen, bevor die Arbeit weitergeht“. Tags zuvor war der 78-jährige Politiker mit ruhendem Grünen-parteibuch in Österreich erneut zum Bundespräsidenten gewählt worden. Er hatte 56 Prozent der Stimmen bekommen und sich gegen sechs Mitbewerber durchgesetzt. Das reichte, der Alpenrepublik bleiben damit weitere vier Wochen Wahlkampf und eine Stichwahl erspart.
Der Kandidat Walter Rosenkranz von der rechtspopulistischen FPÖ erzielte als Zweitplatzierter knapp 18 Prozent. Dieses verhältnismäßig schlechte Ergebnis lässt sich damit erklären, dass es drei weitere Bewerber am rechten bis rechtsradikalen Rand gab, die auf insgesamt 13 Prozent der Stimmen kamen, die sonst der FPÖ zugutegekommen wären.
Am Tag nach der Wahl diskutierte Österreich über die Absonderlichkeiten des Wahlkampfes und der Wahl: Das Geschehen war thematisch geprägt von Bewerbern ohne Aussichten, dafür aber mit umso kühneren Forderungen. So wurde immer wieder verlangt, „das System“abzuschaffen. Die vier rechten Bewerber kündigten auch an, im Falle eines Wahlsieges die gesamte Bundesregierung zu entlassen – was es in Österreich in der Nachkriegszeit noch nie gegeben hatte.
Die Wahl zeigt, welch tiefe Kluft durch die Alpenrepublik geht. Das Land hat mit ähnlich massiven Problemen wie Deutschland zu kämpfen: mit Energieknappheit, Inflation, dem Krieg in der Ukraine und der Corona-politik. Einen Achtungserfolg erreichte der 35-jährige Punkmusiker und Arzt Michael Wlazny mit seiner „Bierpartei“, die links-anarchistisch ausgerichtet ist. Mit 8,4 Prozent der Stimmen kam er auf den dritten Platz, er sprach vor allem jene jungen Wähler an, die sich von den Grünen und der sozialdemokratischen SPÖ abgewendet haben.
Van der Bellen war kein Kandidat der Herzen, dafür tritt er zu ernst auf, wirkt knorrig und unnahbar. Doch hat er die Mehrheit davon überzeugt, dass er als erfahrener Politiker, der schon seit sechs Jahren in der Wiener Hofburg Präsident ist, am ehesten in der Lage ist, dem Land aus der Krise zu helfen. Kritisiert wird nach dieser merkwürdigen Wahl mit ihren teils niveaulosen Kandidaten, inwieweit die großen Parteien ÖVP und SPÖ Fehler begangen haben. Beide hatten sich weggeduckt und wegen schlechter Aussichten gar keinen Kandidaten aufgestellt. Das hat den sechs Mitbewerbern Van der Bellens überhaupt erst größere Aufmerksamkeit beschert. In Österreich regiert derweil weiterhin das Bündnis aus ÖVP und Grünen. Regulär wird ein neues Parlament im Herbst 2024 gewählt.