Wahl in Zeiten der Krisen
Ministerpräsident Stephan Weil und seine SPD liegen in Umfragen zur Landtagswahl am Sonntag vorn. Die hohen Energiepreise treiben die Bürger am meisten um.
Nein, dass die SPD in Niedersachsen den Posten des Ministerpräsidenten abgeben muss, glaubt Saskia Esken nun wirklich nicht. Man könne den Wahlplakaten vertrauen, auf denen steht, das Land sei in guten Händen, sagt die Spd-vorsitzende. In den Händen von Stephan Weil. Der führt die niedersächsische Landesregierung seit dem Februar 2013 an. Auf seinem Wahlplakat steht: „Keine Zeit für Sprüche“. Weil hat erst mit den Grünen koaliert und nach der Wahl 2017 mit der CDU. „Die Wählerinnen und Wähler wissen, was sie an Stephan Weil haben“, sagt Esken. „Und an der SPD in Niedersachsen sowieso.“
Die Umfragen sehen das differenzierter. Die Zustimmungswerte für Weil sind deutlich höher als die für seine Partei. Sie sind auch viel größer als die für die Bundesspd und für seinen direkten Konkurrenten Bernd Althusmann (CDU), der in der Landesregierung den Posten des Wirtschaftsministers bekleidet. „Natürlich spielt der Landesvater eine große Rolle“, gibt Esken zu. Das hätten ja auch die Wahlen in anderen Bundesländern gezeigt. Aber sie weiß auch, dass diese Wahl in einer nie dagewesenen Weise von dem, was man „Bundesthemen“nennt, überlagert wird.
„Sichere Energie und steigende Preise“, darum ging es in Niedersachsen an den Wahlkampfständen, bestätigt die Cdu-bundestagsabgeordnete Silvia Breher. Ihre linke Kollegin im deutschen Parlament, Heidi Reichinnek, spricht von der aktuellen „Bezahlbarkeitskrise“. Die „Preissteigerungen durch Inflation und bei Strom und Gas treibt die Menschen
um“, sagt Reichinnek, die in Niedersachsen Landesvorsitzende der Linken ist.
Wegen der hohen Energiepreise will die CDU „jede Kilowattstunde aus der Reserve ans Netz bringen. Dazu gehören auch Kohlekraftwerke und Biomasseverstromung“, so die Christdemokratin Breher aus dem Wahlkreis Cloppenburg-vechta. Und sie will „alle Kernkraftwerke am Netz lassen“. Das schließt das AKW Emsland bei Lingen ein. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat es von der Liste der verbliebenen drei Atomkraftwerke gestrichen.
Auch die AFD ist für die volle Auslastung der bestehenden Atomkraftwerke. Das macht ihr Spitzenkandidat Stefan Marzischewski-drewes immer wieder deutlich. Die AFD in Niedersachsen hat viel Streit und Hader hinter sich und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. In Umfragen ging es trotzdem nach oben, zuletzt gab es zweistellige Werte. Das dürfte zu guten Teilen dem Unmut über die Bundesampel geschuldet sein.
Während die AFD mit Sicherheit in den Landtag zu Hannover einziehen wird, haben es andere schwerer. „Wir hoffen auf den Sprung über die Fünf-prozentmarke und sind sehr optimistisch“, sagt die Linke Heidi Reichinnek. Die Umfragen sehen ihre Partei bei drei bis vier Prozent.
Und auch die FDP muss sich Sorgen machen. Natürlich stellen auch die Liberalen das Thema Energie in den Mittelpunkt. So plakatiert Fdp-spitzenkandidat Stefan Birkner Slogans wie „Atomkraft: Wer die FDP wählt, wählt sichere Stromversorgung“und fordert nicht nur, das AKW Emsland am Netz zu lassen, sondern auch zwei bereits außer Betrieb genommene Meiler im Notfall wieder zu reaktivieren. Birkner hofft, mit dem Thema bei den Wählern punkten zu können, 72 Prozent der Niedersachsen sind inzwischen für die Atomkraft. Am Ende könnte es für die Freidemokraten auf jede Stimme ankommen: Erreichten sie bei der vergangenen Landtagswahl vor fünf Jahren noch 7,5 Prozent, kämpfen sie nun um den Wiedereinzug ins Parlament.
Die FDP schielt auch in Niedersachsen auf eine mögliche Koalition mit SPD und Grünen. Als Regierungspartei könnte man links-ideologische Politik in Hannover verhindern, so der Tenor des niedersächsischen Fdp-generalsekretärs Konstantin Kuhle, der mit dieser Strategie offensiv um Stimmen des bürgerlichen Lagers wirbt. Denn die CDU würde in jedem Fall in der Opposition landen, so seine Botschaft an konservative Wähler.
Große Koalition passé?
Was man dort natürlich ganz anders sieht. „Ich bin davon überzeugt, dass wir stärkste Kraft werden können“, zeigt sich Silvia Breher siegesgewiss. „Wir wollen Rot-grün und eine Ampel in Niedersachsen verhindern, weil wir nicht das gleiche Chaos wie in Berlin für unser schönes Bundesland wollen.“
Mit der SPD ist sich die CDU darin einig, dass die Zeit der Großen Koalition auch in Niedersachsen vorbei sein soll. Der Vorrat an Gemeinsamkeiten sei aufgebraucht, heißt es von beiden Seiten. Sollten die Grünen weiter schwächeln und die FDP aus dem Landtag fliegen, kann es gut sein, dass der Vorrat wieder aufgefüllt werden muss.