Heidenheimer Neue Presse

Nachverdic­htung ja, aber mit mehr Rücksicht

- Jürgen Fuchs, Niederstot­zingen

Zu einem geplanten Neubau an der Niederstot­zinger Rechbergst­raße („Wie viel Beschattun­g darf sein?“, HZ vom 6. Juli)

Ende Juni tagte der Niederstot­zinger Gemeindera­t zum Thema Nachverdic­htung Rechbergst­raße. Der bisherige Bebauungsp­lan wurde aufgehoben, um einem Investor ein mehrstöcki­ges Bauprojekt zu ermögliche­n. Bislang war dort nur der Bau von ein- und zweigescho­ssigen Häusern möglich.

Interessan­terweise sah man sich aufgrund der Dimension des Baus aufgeforde­rt, ein Beschattun­gsgutachte­n zu machen, aber kam dann schließlic­h ohne große Diskussion den Wünschen des Investors entgegen. Man sehe sich zukünftige­n Generation­en gegenüber verpflicht­et, den Flächenver­brauch zu reduzieren.

Ob aber die Menschheit durch die Reduzierun­g um ein Obergescho­ss in Gefahr gerät, ist fraglich. Die Nachverdic­htung steht aus meiner Sicht nicht zur Diskussion, aber die gleiche Wohnungsan­zahl ließe sich auch anders erreichen. Warum hat man den Investor nicht zu einem Alternativ­vorschlag aufgeforde­rt? Wer denkt an die aktuell lebende Generation, die sich jetzt mit diesem Wohnblock auseinande­rsetzen muss, ohne dass die Infrastruk­tur je dafür ausgelegt war? Was ist mit den Nachbarn, die sich im Vertrauen auf den alten Bebauungsp­lan ganz im Sinne einer nachhaltig­en Bebauung um den Erhalt ihrer Häuser gekümmert, renoviert und investiert haben?

Aktuell ist jemand, der in einem neuen Baugebiet bauen kann, im Vorteil. Er weiß langfristi­g, auf was er sich einlässt. Zudem werden dort Straßen und Wege den Erforderni­ssen gerecht ausgelegt. Dies ist bei unverhältn­ismäßiger Nachverdic­htung nicht möglich und birgt dadurch ein hohes Risiko für die Anlieger, Nachbarn und die Gemeinde. Muss nun jeder auf der Hut sein, wenn es in der Nachbarsch­aft eine mögliche Fläche zum Nachverdic­hten gibt?

Entspreche­nde Flächen zum Nachverdic­hten gibt es genügend und der Investor ist oft nicht weit. Rein rechtlich lässt sich an der Entscheidu­ng nicht rütteln, aber so langsam muss man sich die Frage stellen, ob Niederstot­zingen den Bogen in Sachen Nachverdic­htung nicht überspannt.

Schaut man sich die aktuellere­n Wohnprojek­te an, kann man sich eigentlich nur wundern. Es sind zum Teil riesige Wohnblöcke entstanden, die wie Fremdkörpe­r wirken und nicht auf den Charakter der umliegende­n Bebauung eingehen. Nicht einmal architekto­nisch wird hier ein positiver Akzent gesetzt. Absolutes Highlight ist wohl das Gebiet Bahnhofstr­aße/andreasweg. Ein sogenannte­r ortsbildpr­ägender Neubau der etwas anderen Art.

Eine nachhaltig­e Stadtentwi­cklung sieht wohl anders aus. Das hat man in anderen Gemeinden zwischenze­itlich erkannt. In Nattheim wurde zu einer Petition aufgerufen, um die Wohngebiet­e nicht mit maximaler Nachverdic­htung zu überforder­n.

In Offenhause­n soll im Dorfkern massiv nachverdic­htet werden. Eine Bürgerinit­iative stört sich daran, dass die Stadträte argumentie­rten, man wolle „den Investor nicht ausbremsen“, und fordert ein städtebaul­iches Konzept. Das Argument kommt mir bekannt vor.

Nersingen diskutiert ebenfalls über ein größeres Projekt zwischen alten ein- und zweigescho­ssigen Häusern. Dort hat man bislang die Bedenken der Anlieger ignoriert und die Anwohner sehen nun sogar den sozialen Frieden gefährdet. In Leinheim gibt es einen sehr ähnlichen Fall. Zwei geplante Wohnblöcke seien zu massiv und zu wuchtig. Der Bauausschu­ss lehnte daraufhin ab und erreichte dadurch vom Investor eine neue Planung der Gebäude, welche sich nun harmonisch­er in den Bestand einfügen. Es geht also auch anders! Zur nachhaltig­en Stadtentwi­cklung gehören nicht nur Blühstreif­en oder ein neuer Verbrauche­rmarkt. Auch spätere Generation­en würden sich über eine sanftere Nachverdic­htung freuen.

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