Nachverdichtung ja, aber mit mehr Rücksicht
Zu einem geplanten Neubau an der Niederstotzinger Rechbergstraße („Wie viel Beschattung darf sein?“, HZ vom 6. Juli)
Ende Juni tagte der Niederstotzinger Gemeinderat zum Thema Nachverdichtung Rechbergstraße. Der bisherige Bebauungsplan wurde aufgehoben, um einem Investor ein mehrstöckiges Bauprojekt zu ermöglichen. Bislang war dort nur der Bau von ein- und zweigeschossigen Häusern möglich.
Interessanterweise sah man sich aufgrund der Dimension des Baus aufgefordert, ein Beschattungsgutachten zu machen, aber kam dann schließlich ohne große Diskussion den Wünschen des Investors entgegen. Man sehe sich zukünftigen Generationen gegenüber verpflichtet, den Flächenverbrauch zu reduzieren.
Ob aber die Menschheit durch die Reduzierung um ein Obergeschoss in Gefahr gerät, ist fraglich. Die Nachverdichtung steht aus meiner Sicht nicht zur Diskussion, aber die gleiche Wohnungsanzahl ließe sich auch anders erreichen. Warum hat man den Investor nicht zu einem Alternativvorschlag aufgefordert? Wer denkt an die aktuell lebende Generation, die sich jetzt mit diesem Wohnblock auseinandersetzen muss, ohne dass die Infrastruktur je dafür ausgelegt war? Was ist mit den Nachbarn, die sich im Vertrauen auf den alten Bebauungsplan ganz im Sinne einer nachhaltigen Bebauung um den Erhalt ihrer Häuser gekümmert, renoviert und investiert haben?
Aktuell ist jemand, der in einem neuen Baugebiet bauen kann, im Vorteil. Er weiß langfristig, auf was er sich einlässt. Zudem werden dort Straßen und Wege den Erfordernissen gerecht ausgelegt. Dies ist bei unverhältnismäßiger Nachverdichtung nicht möglich und birgt dadurch ein hohes Risiko für die Anlieger, Nachbarn und die Gemeinde. Muss nun jeder auf der Hut sein, wenn es in der Nachbarschaft eine mögliche Fläche zum Nachverdichten gibt?
Entsprechende Flächen zum Nachverdichten gibt es genügend und der Investor ist oft nicht weit. Rein rechtlich lässt sich an der Entscheidung nicht rütteln, aber so langsam muss man sich die Frage stellen, ob Niederstotzingen den Bogen in Sachen Nachverdichtung nicht überspannt.
Schaut man sich die aktuelleren Wohnprojekte an, kann man sich eigentlich nur wundern. Es sind zum Teil riesige Wohnblöcke entstanden, die wie Fremdkörper wirken und nicht auf den Charakter der umliegenden Bebauung eingehen. Nicht einmal architektonisch wird hier ein positiver Akzent gesetzt. Absolutes Highlight ist wohl das Gebiet Bahnhofstraße/andreasweg. Ein sogenannter ortsbildprägender Neubau der etwas anderen Art.
Eine nachhaltige Stadtentwicklung sieht wohl anders aus. Das hat man in anderen Gemeinden zwischenzeitlich erkannt. In Nattheim wurde zu einer Petition aufgerufen, um die Wohngebiete nicht mit maximaler Nachverdichtung zu überfordern.
In Offenhausen soll im Dorfkern massiv nachverdichtet werden. Eine Bürgerinitiative stört sich daran, dass die Stadträte argumentierten, man wolle „den Investor nicht ausbremsen“, und fordert ein städtebauliches Konzept. Das Argument kommt mir bekannt vor.
Nersingen diskutiert ebenfalls über ein größeres Projekt zwischen alten ein- und zweigeschossigen Häusern. Dort hat man bislang die Bedenken der Anlieger ignoriert und die Anwohner sehen nun sogar den sozialen Frieden gefährdet. In Leinheim gibt es einen sehr ähnlichen Fall. Zwei geplante Wohnblöcke seien zu massiv und zu wuchtig. Der Bauausschuss lehnte daraufhin ab und erreichte dadurch vom Investor eine neue Planung der Gebäude, welche sich nun harmonischer in den Bestand einfügen. Es geht also auch anders! Zur nachhaltigen Stadtentwicklung gehören nicht nur Blühstreifen oder ein neuer Verbrauchermarkt. Auch spätere Generationen würden sich über eine sanftere Nachverdichtung freuen.