Heikle Privatsache
zum Kopftuch-urteil des EUGH
Religion ist Privatsache. Der Staat muss dafür sorgen, dass man ihr ungehindert nachgehen kann und nicht ihretwegen diskriminiert wird. So sieht es das Grundgesetz vor. Dieser Grundsatz stößt jedoch an Grenzen, wenn andere Menschen mit diesem Glauben konfrontiert werden. Wie das in Unternehmen und Kitas zu regeln ist, hat das oberste Gericht der EU jetzt entschieden und ein klares Urteil gesprochen: Es liegt im Ermessen der Einrichtung oder Firma, ob sie durch religiöse Symbole ihre Neutralität oder den sozialen Frieden bedroht sieht.
Die Entscheidung sorgt für Klarheit. Denn ansonsten gäbe es in jeder Umgebung freie Bahn für jegliches religiöse, politische oder wie auch immer geartete Bekenntnis – und daraus resultierende Konflikte. Damit würde letztlich diese Streitfrage in jedem einzelnen Fall wieder bei den Gerichten landen.
Zudem hat das Gericht festgelegt, dass Gleichheit herrschen muss. Man kann in der Kita nicht das Kopftuch verbieten und das Kruzifix erlauben. In Gegenden mit einer religiösen Mehrheit liegen hier große Stolperfallen. Kita-erzieherinnen in einer katholisch geprägten Region müssten jetzt ihr Kreuz um den Hals ablegen, wenn sie einer muslimischen Kollegin das Kopftuch verwehren wollen. Umgekehrt bekäme eine türkisch-muslimische Obsthändlerin in Berlin-neukölln Probleme, wenn sie einer christlichen Kollegin eine solche Kette verböte, während sie selbst ihr Kopftuch weiterhin trüge.
Im besten Fall erreicht das Urteil also, dass Menschen im Berufsleben nicht mehr mit religiösen Bekenntnissen ihrer Kollegen behelligt werden. Im schlimmsten Fall sorgt es dafür, dass ein Chef sich zweimal überlegt, ob er Menschen eines anderen Glaubens einstellt.