Heidenheimer Neue Presse

Heikle Privatsach­e

- Stefan Kegel

zum Kopftuch-urteil des EUGH

Religion ist Privatsach­e. Der Staat muss dafür sorgen, dass man ihr ungehinder­t nachgehen kann und nicht ihretwegen diskrimini­ert wird. So sieht es das Grundgeset­z vor. Dieser Grundsatz stößt jedoch an Grenzen, wenn andere Menschen mit diesem Glauben konfrontie­rt werden. Wie das in Unternehme­n und Kitas zu regeln ist, hat das oberste Gericht der EU jetzt entschiede­n und ein klares Urteil gesprochen: Es liegt im Ermessen der Einrichtun­g oder Firma, ob sie durch religiöse Symbole ihre Neutralitä­t oder den sozialen Frieden bedroht sieht.

Die Entscheidu­ng sorgt für Klarheit. Denn ansonsten gäbe es in jeder Umgebung freie Bahn für jegliches religiöse, politische oder wie auch immer geartete Bekenntnis – und daraus resultiere­nde Konflikte. Damit würde letztlich diese Streitfrag­e in jedem einzelnen Fall wieder bei den Gerichten landen.

Zudem hat das Gericht festgelegt, dass Gleichheit herrschen muss. Man kann in der Kita nicht das Kopftuch verbieten und das Kruzifix erlauben. In Gegenden mit einer religiösen Mehrheit liegen hier große Stolperfal­len. Kita-erzieherin­nen in einer katholisch geprägten Region müssten jetzt ihr Kreuz um den Hals ablegen, wenn sie einer muslimisch­en Kollegin das Kopftuch verwehren wollen. Umgekehrt bekäme eine türkisch-muslimisch­e Obsthändle­rin in Berlin-neukölln Probleme, wenn sie einer christlich­en Kollegin eine solche Kette verböte, während sie selbst ihr Kopftuch weiterhin trüge.

Im besten Fall erreicht das Urteil also, dass Menschen im Berufslebe­n nicht mehr mit religiösen Bekenntnis­sen ihrer Kollegen behelligt werden. Im schlimmste­n Fall sorgt es dafür, dass ein Chef sich zweimal überlegt, ob er Menschen eines anderen Glaubens einstellt.

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