Heidenheimer Neue Presse

Das Kultusress­ort als heiße Kartoffel

Regierung In keinem Politikfel­d hat das Land größere Gestaltung­smacht. Warum sich Grüne und CDU trotzdem nicht um das zentrale Ministeriu­m reißen.

- Von Roland Muschel

In den Sondierung­sgespräche­n mit der SPD soll Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) laut Teilnehmer­n gleich zwei Mal bedeutet haben, dass im Falle einer grün-gelb-roten Ampelkoali­tion Spd-landeschef Andreas Stoch ja wohl das Kultusmini­sterium übernehmen werde: „Das machst dann Du, Andi.“Stoch war zu Zeiten der grün-roten Koalition im Land drei Jahre lang, von 2013 bis 2016, sein Kultusmini­ster und hat die Wogen, die seine Vorgängeri­n Gabriele Warminski-leitheußer durch im Eiltempo umgesetzte Reformen ausgelöst hatte, geglättet. Er kennt das große, verästelte Ressort, das vor und nach, aber nicht so sehr zu seiner Zeit, als schwer zu führen galt, und er kennt die Agenden der Lehrerverb­ände. Kretschman­n war mit der Arbeit des Spd-politikers sehr zufrieden, ein Anhänger personelle­r Veränderun­gen ist er ohnehin nicht.

Zumindest diese Baustelle wäre bei einer Entscheidu­ng für eine Ampel also abgeräumt gewesen. So aber stehen die grünen Wahlsieger vor der Frage, ob sie ihre neue Stärke nutzen sollen, um sich den Zugriff auf das mit Abstand wichtigste Ministeriu­m im Land zu sichern. Als deutlich stärkerer Koalitions­partner hätten sie das Vorrecht.

In keinem anderen Bereich hat das Land so starke Kompetenze­n, in keinen anderen Bereich fließt so viel Geld. Mit über zwölf Milliarden Euro pro Jahr ist der Etat des Kultusmini­steriums der mit Abstand größte Einzeletat im Landeshaus­halt. Danach kommt lange nichts. Etwa jeden vierten Euro, den das Land ausgibt, gibt es für den Schulberei­ch aus.

In ihrem Landtagswa­hlprogramm haben die Grünen versproche­n, sich für „beste Bildung von Anfang an“einzusetze­n. In der grün-rot dominierte­n Szene der Bildungsve­rbände im Südwesten ist die Erwartungs­haltung groß. „Die Grünen stehen in der Verantwort­ung, dass die Bildungspo­litik in der neuen Regierung eine deutlich grünere Handschrif­t trägt“, fordert etwa Matthias Schneider, der Landesgesc­häftsführe­r der mit rund 50 000 Mitglieder­n größten Bildungsge­werkschaft im Land, der GEW.

Kretschman­n, früher selbst Lehrer, soll im kleinen Kreis die Frage ventiliert haben, ob diesma lni cht auf grüne mti cket eine Fachfrau oder ein Fachmann das Kultusress­ort übernehmen solle. Beispiele dafür gibt es: Der frühere Cdu-ministerpr­äsident Erwin Teufel berief 1995 überrasche­nd die damalige Geschäftsf­ührerin der bischöflic­hen Studienför­derung Cusanuswer­k, Annette Schavan, zur Kultusmini­sterin; 2010 gelang Cdu-regierungs­chef Stefan Mappus mit der Berufung des damaligen Vorstandsm­itglieds der Fraunhofer Gesellscha­ft und vormalige npr äsidentin der Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften in München, Marion Schick, ein ähnlicher Coup.

2011 und 2016 indes hat Kretschman­n, dem Eindruck des jeweiligen Koalitions­partners zufolge, das Ministeriu­m mit leichter Hand der SPD respektive CDU überlassen. Er weiß auch um die Fährnisse. Dazu kommt, dass die Partei diesmal bei Personalen­tscheidung­en mitreden will, wie der Parteirat nach dem Ärger um das Aus für die Ampel in der internen Aussprache deutlich gemacht hat. Besetzunge­n von außen erleichter­t das nicht.

Die CDU wäre heilfroh, wenn die Grünen das Kultusress­ort übernehmen würden. In der Bildungspo­litik könne man allenfalls unentschie­den spielen, hatte es in der Partei schon geheißen, als sie noch die Regierungs­chefs stellte. Schüler, Eltern, Lehrer, Großeltern: Jede und jeder habe eine Meinung zu Schultheme­n, man könne nie alle zufriedens­tellen. Nach der Wahlpleite hat die Lesart erst recht Konjunktur. Das Amt der Kultusmini­sterin, so die Analyse, habe Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann geschadet. Grüne Strategen sehen das ähnlich, weshalb sie intern raten, die neue Stärke lieber dazu zu nutzen, das Portfolio an grün-geführten Ressorts um das Ministeriu­m für Landwirtsc­haft und Verbrauche­rschutz zu erweitern. Man strebe schließlic­h einen neuen Gesellscha­ftsvertrag zwischen Landwirten, Handelsket­ten und Verbrauche­rn an.

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Willst Du, muss ich? Grünen-regierungs­chef Winfried Kretschman­n und Cdu-landeschef Thomas Strobl demonstrie­ren Einigkeit. Wer das zentrale Kultusress­ort verantwort­en soll, ist indes offen.

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